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Englisch ist höchst umstritten

Von STEFANIE GREINER 17.11.2009, 17:04

KÖTHEN/MZ. - Die Neue Fruchtbringende Gesellschaft hatte zu einem weiteren Abend der "Köthener Gespräche" eingeladen.

Der Germanist Hans-Joachim Solms von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg leitete die Diskussion. Keine leichte Aufgabe, wie sich herausstellte. Schnell wurde deutlich: Die derzeitige Vorrangstellung der englischen Sprache ist höchst umstritten. Dass Deutsch viele Jahrhunderte eine bevorzugte Wissenschaftssprache gewesen sei, verdeutlichte Hans-Joachim Solms in seinen Ausführungen.

Seit der NS-Zeit habe mit dem Ansehen der Deutschen auch die Bedeutung ihrer Sprache gelitten. Ein sehr geringer Teil wissenschaftlicher Publikationen erscheine auf Deutsch. Englischsprachige Konferenzen seien auch bei uns zur Normalität geworden. "Es ist sogar so, dass das Deutsche in unserem internen Betrieb verdrängt wird", erzählte Diskussionsteilnehmer Ralph Mocikat.

Der Professor vom Institut für Molekulare Immunologie in München bedauerte diese Entwicklung. "Wir schaden uns selbst, wenn wir unsere Muttersprache aus dem Erkenntnisprozess verdrängen", betonte der Diskussionsteilnehmer. Englischsprachige Seminare seien bei deutschen Studenten nicht sonderlich förderlich für das wissenschaftliche Verständnis.

Hermann Dieter vom Umweltbundesamt in Berlin stimmte seinem Vorredner zu. Es sei nicht bewiesen, dass Englisch deutliche Vorteile habe. "Die beste Wissenschaftssprache ist die Alltagssprache", hob der Professor hervor. Nur mit ihr könne man sich kreativ und unmissverständlich ausdrücken. Das Englische dürfe ausschließlich der Kommunikation auf internationaler Ebene dienen.

Elmar Wahle war anderer Meinung. Der Professor vom Institut für Biochemie und Biotechnologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg macht sich für englischsprachige Seminare stark. "Wenn Sie verstanden werden wollen, müssen Sie sich einer gemeinsamen Sprache bedienen", hob der Naturwissenschaftler hervor. Mit englischsprachigen Seminaren wolle er seine Studenten auf den Alltag vorbereiten.

Hinzu komme, dass einige Fachbegriffe nicht in die deutsche Sprache übersetzbar seien. "Das ist falsch", schallte die Stimme von Georg Heeg aus dem Publikum. Die Diskussion wurde dadurch richtig entfacht. Einar Kretzler entgegnete Wahle, sich nicht vorstellen zu können, das englischsprachige Seminare geeignet seien. Der Vizepräsident der Hochschule Anhalt begründete dies mit der schlechten sprachlichen Ausbildung einiger Studenten.

"So genanntes Wissenschaftsenglisch ist sehr reduziertes Englisch", führte Ralph Mocikat an. Oftmals sei es nicht geeignet, um komplexe Zusammenhänge wiederzugeben. Mit englischsprachigen Seminaren habe er - im Gegensatz zu Wahle - keine guten Erfahrungen gemacht.

Der Stoff für verbale Streitigkeiten schien mit jeder Aussage zu wachsen. Auch das Publikum mischte sich ein. Wolfgang Hildebrandt widerlegte einige von Wahles Aussagen. Studien hätten ergeben, dass Studenten in Prüfungen zehn Prozent schlechter seien, wenn sie nicht in ihrer Muttersprache unterrichtet werden würden. Georg Heeg appellierte an die Anwesenden, dass man der Wissenschaft nicht "hinterher hecheln" dürfe. Man müsse sich stattdessen für deutschsprachige Publikationen stark machen.

Hermann Neemann warf die Frage auf: "Hängt nicht dieser ganze Trend mit der Globalisierung zusammen?" Publikum und Podium schienen sich einig zu sein. Elmar Wahles Ansicht wurde heftig kritisiert. Diskussionsleiter Hans-Joachim Solms musste sogar zur Mäßigung mahnen. "Es liegt an uns, Selbstbewusstsein zu entwickeln", verdeutlichte er nach der zweistündigen Diskussionsrunde. Simultanübersetzungen auf Kongressen seien eine Möglichkeit, um sprachliche Barrieren wenigstens teilweise zu bewältigen. Elmar Wahle lenkte in einigen Punkten ein.