Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: «Liebestraum» wird zum Genuss
KÖTHEN/MZ. - Weder Thomas Gottschalk noch Dieter Bohlen konnten Grit und Frank Naumann am Samstagabend vor den Fernseher locken. "Wetten, dass ..?" und "Deutschland sucht den Superstar"- das TV-Programm ließ die Köthener völlig kalt.
Im Veranstaltungszentrum verbrachte das Ehepaar einen stilvollen Konzertabend. Die Kreismusikschule "Johann Sebastian Bach" hatte zum "Nocturne im Kerzenschein" geladen. Dass sich der Weg gelohnt hat, davon war Christian Köhler schon vor Veranstaltungsbeginn überzeugt. "Laien und Profis haben Freude am Musizieren", beschrieb er den Charme des Nocturne.
Ein Jubiläum ging mit dem Konzert einher: 20 Jahre Köthener Schloßconsortium. Geschätzte 15 Jahre hat Christian Köhler miterlebt. Wann der Cellist dem Orchester beigetreten ist, konnte er am Samstag nicht genau beziffern. Eines wusste er jedoch ohne lange nachzudenken. Cello spielt Christian Köhler seit seinem siebten Lebensjahr. "Es ist der menschlichen Stimme sehr ähnlich", verglich der Köthener. Als Soloinstrument sei das Cello auch dank seines weiten Tonumfangs gut geeignet.
Christian Köhler war Orchestermusiker am Theater in Bernburg und Wittenberg. Zum Köthener Schloßconsortium kam er durch Musikschullehrer Manfred Apitz. Ein Potpourri verschiedener Musikrichtungen macht die traditionellen Nocturnes aus, die ohne das Consortium nicht denkbar wären. Köhlers Favorit des Abends war "Liebesträume". Cellisten und Violinisten schienen ihre Instrumente bei dem Stück des Komponisten Franz Liszt regelrecht zu liebkosen.
Für das rumänische Lied "Windspiel" holte sich Manfred Apitz die achtjährige Annika auf die Bühne. "Immer wenn ich dir zunicke, fährst du hier lang", deutete der Violinist mit einer Handbewegung auf das Klangspiel. Ganz geheuer war dem Mädchen die Situation nicht. "Guck nicht so ängstlich", wandte sich Manfred Apitz an die Achtjährige. Mit hochgezogenen Schultern stand Annika auf der Bühne und ließ den Violinist nicht aus den Augen.
Wann der Musiker nun nickte und wann er nur seinen Kopf euphorisch bewegte - dies zu unterscheiden, war gar nicht so leicht. "Ich hätte nicht gedacht, dass sie auf die Bühne geht", erzählte Annikas Mutter in der Pause. Beim Herbstnocturne im vergangenen Jahr hatte Birgit Lorenz den Musikschullehrer in seinem Element erlebt. Von einem lebensfrohen Wirbelwind kann im Fall von Manfred Apitz durchaus gesprochen werden. Genau das macht die Nocturnes aus.
"Es ist sehr lebendige Musik", lobte die Berlinerin am Samstag. Das Repertoire des Abends reichte von sanften Klängen Georg Philipp Telemanns bis zu Edvard Griegs "Jahrmarkttreiben". Den Welthit "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" des Filmstars Marlene Dietrich gab Helmut Dawal zum Besten, ebenso wie Udo Jürgens' "Ich war noch niemals in New York".
Gemessen am Applaus und den Zugaberufen war Gabriele Völzke der Star des Abends. Die Solistin interpretierte unter anderem George Gershwins "Summertime". Für Frank Sinatras "My Way" erntete Karolin Böckelmann tosenden Beifall. "Das ist nett, wie Sie die Stars feiern", freute sich Manfred Apitz. Mit von der Partie war auch die Tanzgruppe des Gymnasiums. Geschichten aus Christian Morgensterns Liedern, gesungen von Evelyn Schröter, brachten die Tänzerinnen auf das Parkett.
Dem Volkslied "El condor pasa" verlieh Helmut Hauskeller mit seiner Panflöte die nötige musikalische Würze. Bei den Spirituals war die Zeit von Bernd Villbrandt gekommen. "Es ist der Rhythmus des Herzens", schwärmte der Sänger und Gitarrist. Seit März gehört er zum Köthener Schloßconsortium. "Musik ist einzigartig", brachte Bernd Villbrandt am Samstag zum Ausdruck. Die 340 Zuhörer schienen seiner Meinung zu sein. Sie bekamen nicht genug - vor allem nicht von Gabriele Völzke.
"Es ist eigentlich nicht gut, zwei Mal dasselbe Stück zu spielen", gestand Manfred Apitz. Den Zugaberufen nach "Summertime" konnte sich der Violinist jedoch nicht widersetzen. Mit verschiedenen Instrumenten stand der virtuose Musiker auf der Bühne. Sein Enthusiasmus schien grenzenlos. Auch im Hinblick auf das Herbstnocturne. "Bis ich 150 bin, wird mir noch etwas einfallen", versprach Manfred Apitz.
Bis dahin dürfen sich Nocturne-Liebhaber auf zahlreiche weitere Konzerte freuen. Immerhin feierte Manfred Apitz am vergangenen Mittwoch gerade einmal seinen 50. Geburtstag. Ein Ständchen des Schloßconsortiums nach der Veranstaltung durfte natürlich nicht fehlen. Eine feurige Überraschung hatte Florian Andrä vorbereitet. Vor dem Veranstaltungszentrum beeindruckte der Freund von Apitz' Tochter Thekla mit einer Feuershow.
Das Herbstnocturne findet am 29. Oktober 2011 um 20.15 Uhr statt.