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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kirchensanierung statt Straßenbau?

Von UTE HARTLING-LIEBLANG 22.04.2010, 17:00

RIESDORF/MZ. - Darf eine Gemeinde Geld in freiwillige Aufgaben stecken und dafür Pflichtaufgaben zurückstellen? Hans Schöppenthau aus Riesdorf verneint dies und hat sich deshalb auch schon bei der Kommunalaufsicht beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld beschwert.

"Ich habe nichts gegen die Kirche, aber ich finde es nicht richtig, wenn das Geld der Gemeinde weggenommen wird", sagt der Riesdorfer Bürger, der Anwohner der desolaten Dorfstraße ist. Was Schöppenthau der Gemeinde, die jetzt zur Stadt Südliches Anhalt gehört, vorwirft, ist, dass sie Geld aus dem kommunalen Haushalt, das ursprünglich in den Straßenbau fließen sollte, für die Sanierung der Kirche zur Verfügung stellte. Dazu wurde im Mai 2009 ein Gemeinderatsbeschluss gefasst. Das ist laut Gemeindeordnung rechtens, denn "der Gemeinderat ist ist die Vertretung der Bürger und das Hauptorgan der Gemeinde.

Natürlich kann man als Bürger anderer Meinung sein und sich fragen, ob es sinnvoller gewesen wäre, mit dem Geld die Straße zu sanieren, räumt die Kommunalaufsicht beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld ein. Aber eine "Zweckmäßigkeitserwägung" sei nicht Sache der Kommunalaufsicht, so Amtsleiter Jens-Uwe Blum. Das habe man Herrn Schöppenthau auf seine eingereichte Beschwerde hin mitgeteilt. "Wir haben nur zu prüfen, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt." Das könnte laut Blum der Fall sein, wenn die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachkomme. "Wir haben das durch unsere Fachamt prüfen lassen." Dabei wurde festgestellt, dass die besagte Straße zwar schlecht sei, aber nicht so schlecht, dass die Verkehrssicherungspflicht eine Sanierung gebiete. Will heißen: "Die Gemeinde hat nicht gesetzwidrig gehandelt", bestätigt Blum. Zumal der Gemeinderat sich in einer umfangreichen Diskussion und Abwägung für die Kirche entschied.

In der Stadt Südliches Anhalt befindet sich die Sache noch in der Prüfung, wie Bürgermeister Burkhard Bresch der MZ sagte. "Wir haben Herrn Schöppenthau in einem Zwischenbescheid darüber informiert."

Ortsbürgermeister Olaf Behr hat zu diesem Sachverhalt schon mehrfach Stellung bezogen, wie er der MZ erklärte. "Ich habe auch Herrn Schöppenthau über unseren Standpunkt informiert." Seit dem vergangenen Jahr ist ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen Ortschaft, Kommunalaufsicht und der Stadt Südliches Anhalt im Gange, bestätigt Behr und beschreibt der MZ in einem Gespräch noch einmal, wie es zur jetzigen Entscheidung kam.

Erstmalig habe sich der Gemeinderat von Riesdorf im Dezember 2007 mit der Problematik der Dorfstraße befasst und erwogen, einen Förderantrag im Rahmen der Dorferneuerung zu stellen. Eine im Januar 2008 dazu eingeholte grobe Kostenkalkulation lag bei 950 000 Euro. Im Februar sei dann der Beschluss zur Beantragung von Fördermitteln gefasst worden. "Zwischenzeitlich musste aber auch noch die Neufassung der Straßenausbausatzung erfolgen", blickt Behr zurück, der im Gemeinderat saß, bevor er Ende 2008 in das Bürgermeisteramt gewählt wurde. Die Satzung regelt die Erhebung wiederkehrender Beiträge und wurde den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen angepasst.

Als Bürgermeisterin Anke Schadewald im Juli 2008 dem Gemeinderat mitteilte, dass die Straßenbaumaßnahme förderfähig sei und über die Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginns informierte, hatte der Gemeinderat laut Behr aber noch keinen Beschluss zum Straßenbau gefasst. Daraufhin wurde dazu für den 28. August 2008 eine Einwohnerversammlung einberufen. "Dort wurde eine Beispielrechnung vorgestellt", informiert Behr, und es wurde "sehr kontrovers über das Thema diskutiert." Im September lehnte der Gemeinderat schließlich den Beschluss zum Straßenbau mit drei Stimmen dafür und drei dagegen ab. Worauf die Bürgermeisterin in Widerspruch ging. Doch auch eine erneute Abstimmung zum Straßenbaubeschluss änderte nichts am Ergebnis.

Nach Behrs Amtsantritt im Dezember 2008 sah sich der Gemeinderat mit dem Beitritt zur Stadt Südliches Anhalt konfrontiert und mit der Frage, was aus der gebildeten Rücklage von rund 90 000 Euro werden sollte. "Wir haben damals eine Prioritätenliste aufgestellt", sagt Behr. In der sei neben dem Bau der Dorfstraße, der Erneuerung des Daches am Feuerwehrmuseum, dem Gehwegbau und vielem anderem auch die Turmsanierung der Kirche aufgeführt worden. Bei einer Ortsbesichtigung im März 2009 habe der Gemeinderat endgültig entschieden, die Dorfstraße nicht in Angriff zu nehmen. "Wir sahen keinen Handlungsbedarf hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht", sagt Behr.

Zwischenzeitlich habe ein Kostenvoranschlag in Höhe von 110 000 Euro für die Kirche vorgelegen, der die Sanierung von Turm und Dach umfasste. Und weil die Riesdorfer Gemeinderäte vor ihrem Aufgehen in der Stadt noch etwas für ihren Ort tun wollten, habe man sich nach langer Diskussion darauf geeinigt, für die Kirche, die das Projekt aus eigener Kraft nicht hätte schultern können, 45 000 Euro zur Verfügung zu stellen, erklärt Behr. Den Ausschlag dafür habe sowohl die hohe Zahl von Kirchenmitgliedern - ein Drittel der 140 Einwohner- gegeben als auch der das Dorfbild prägende Charakter des Gotteshauses. Der Beschluss dazu sei im Gemeinderat einstimmig gefasst worden.