Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Buntes Maskottchen und reges Gewerbe
CHÖRAU/MZ. - Seit 2010 gibt es die Einheitsgemeinde Osternienburger Land, zu der sich 14 Gemeinden zusammengeschlossen haben. Die MZ stellt die Ortschaften in loser Folge vor. Nach Elsnigk (MZ vom 7. April) und Drosa (MZ vom 22. Juli) ist diesmal Chörau an der Reihe.
Farbenfroh, immer lächelnd und stets mit bunten Blumen in ihrem Henkelkorb grüßt seit Jahren die Dicke Berta die über die Dorfstraße durch Chörau holpernden Kraftfahrer. Je nach Geschwindigkeit sind sie nach ein- zwei Minuten schon am Ortsausgang angekommen und behalten von dem unscheinbaren Ort, dessen Bethaus nicht mal einen Turm hat, eigentlich kaum etwas im Gedächtnis - außer diese fröhliche Figur und vielleicht noch das archaische Kopfsteinpflaster.
"Chörau braucht eine Sehenswürdigkeit", sagten sich vor ein paar Jahren einige Einwohner. Und so wurde Berta gekauft. Wem der Name einfiel, weiß heute keiner mehr. Familie Niemann, die gegenüber wohnt, sorgt dafür, dass "Berta" stets frische Blumen in ihrem Korb hat.
"Unsere Straßen waren früher besser als jetzt", weist Ortsbürgermeisterin Renate Heenemann auf ein permanentes Ärgernis hin. Auch habe für den Bau der Kanalisation in den 1960er Jahren schon ihr Großvater gesorgt, der damals Bürgermeister war. Wie einstmals im Kreis Calbe liegt Chörau heute im Landkreis Anhalt-Bitterfeld am Rand. Die Dorfstraße gilt nicht als Durchgangsstraße, ihr Ausbau hat deshalb bei der Kreisverwaltung keine Priorität. So wird auch die baufällige Brücke am Ortsausgang Richtung Mosigkau nicht erneuert, sondern daneben nur ein separater Übergang für Fußgänger errichtet. Dass die außergewöhnliche Breite der durch Chörau führenden Kreisstraße die alten Slawen zu verantworten haben, die den Ort vor etwa 860 Jahren anlegten, ist für die Einwohner nicht wirklich ein Trost.
Dabei gab es in dem kleinen Ort unter den ehemaligen Bürgermeistern Wolfgang Pachnicke, der bereits verstorben ist, Dagmar Amelang und Martina Weber Straßenbau. So wurde die Straße "Zur Quelle" ausgebaut und eine Buswendeschleife angelegt. Laut Haushaltsplan der Gemeinde ist in diesem Jahr noch die Regenentwässerung an der Straße "Zur Quelle" vorgesehen. Die Reinigung des Dorfteiches hat der Ortschaftsrat auf die Liste für 2011 gesetzt.
13 Häuser wurden nach der Wende neu gebaut. Zumeist zogen Dessauer nach Chörau. "Weil es hier schön ruhig ist und weil sie das Landleben mögen", nennt Renate Heenemann den Grund, und merkt an, dass die Grundstücke in Chörau wesentlich preiswerter sind als in der benachbarten Großstadt.
"Für so einen kleinen Ort ist das allerhand", kommt Ortsbürgermeisterin Heenemann selbst ins Staunen, als sie die ansässigen Firmen aufzählt - die Zimmerei Tino Tadge, Holzbau Sturm, die Zaunmaterial- und Montage-Firma Anita Fessel, die Fliesenlegerbetriebe Danny Richter und Silvio Dropp, den Immobilienmakler Bernd Jähn, die Pferdezucht Martin Weber, die Holz- und Bautenschutzbetriebe Thomas Kögler und Tino Niemann, den Dachdecker Roland Jakubiak, die Änderungsschneiderei Rita Friedrich, den Schäfer Detlev Hielscher und verschiedene Kleinstunternehmer. "Wir haben nicht so viele Arbeitslose wie vergleichbare Orte", stellte sie fest. Das mag auch am nur wenige Kilometer entfernten Dessau liegen, in das viele Chörauer zur Arbeit fahren. "Wir gehen in Dessau einkaufen, unsere Kinder sind früher in Mosigkau zur Schule gegangen, überhaupt wollten die Chörauer sich ja mal nach Dessau eingemeinden lassen", gibt Heenemann unumwunden zu.
Diese Wünsche sind nicht verblasst. Müssen die Jüngsten Chörauer doch heute statt ins nahe Mosigkau in die Grundschule nach Osternienburg, die Sekundarschüler nach Aken und die Gymnasiasten nach Köthen fahren. Der Kindergarten wurde 1993 geschlossen. Die meisten Chörauer Kinder besuchen den in Elsnigk.
Lange hat es gedauert, weil sich keiner den Hut aufsetzen wollte. Doch im vorigen Jahr wurde dann endlich der Förder- und Heimatverein Chörau gegründet. Den Vorsitz übernahm Annerose Sturm, ihr Stellvertreter ist Günther Siebenhüner. Die acht Mitglieder gingen sofort ans Werk. Zum Martinsfest am Tag der deutschen Einheit gibt es einen Lampionumzug. Auf einem kleinen Adventsmarkt möchte der Ortschaftsrat gemeinsam mit dem Heimatverein die Kinder des Ortes dieses Jahr mit einem Theaterstück überraschen. Auf dem Programm des Vereins stehen außerdem der Vortrag eines Heimatforschers und ein Besuch des Schlosses Mosigkau gemeinsam mit dem Ortschaftsrat und allen interessierten Einwohnern. Dazu hat der Heimatverein Mosigkau die Chörauer eingeladen. "Wir wollen mit geschmückten Wagen hinfahren unter dem Motto ,Die Preußen kommen'", spielt Vereinsvorsitzende Annerose Sturm auf die zwischen beiden Orten früher verlaufende Grenze an. Auch sonst sind die acht Mitglieder des einzigen Chörauer Vereins rührig. In den wenigen Monaten seit der Gründung haben sie im Ort schon Bäume gepflanzt und touristische Hinweisschilder aufgestellt.
Kein Verein, aber nicht weniger rührig, ist der Chörauer Töpferkreis um Simone Schüler. Seit langem treffen sich interessierte Frauen aller 14 Tage und fertigen kunstvolle Gefäße an.
Wenn im Ort starke Hände gebraucht werden, sind die 18 Männer und eine Frau um Ortswehrleiter Martin Sebastian zur Stelle. Erstaunlicherweise hat der kleine Ort sogar eine Jugendfeuerwehr, die aus vier Mitgliedern besteht und von Frank Zabel geleitet wird. Auch beim Ringreiten im August auf dem jährlichen Dorffest sind die Feuerwehrleute mit dabei. Mit allen Chörauern wünschen sie sich stets viele Zuschauer aus nah und fern.