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Wegen Corona Angst vor der Zukunft - Akens Feuerwehrnachwuchs kann sich seit Monaten nicht treffen

Genauso wie die Einsatzabteilungen kann sich der Nachwuchs seit Monaten nicht treffen, um gemeinsam zu trainieren. In Aken fürchtet man die Folgen.

Von Sylke Hermann 19.05.2021, 11:54
Sebastian Müller (Mitte)  ist der  Stadtjugendwart der Akener Feuerwehr.
Sebastian Müller (Mitte) ist der Stadtjugendwart der Akener Feuerwehr. (Foto: Nicklisch)

Aken - Sebastian Müller macht sich Sorgen. Um die Zukunft der Feuerwehr. Seit Monaten dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht trainieren – und das werde man irgendwann merken, fürchtet der Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr in Aken. Nicht morgen, nicht übermorgen, vielleicht in zehn Jahren, vielleicht später. Aber man müsse jetzt darüber reden, wie man den Nachwuchs wieder für die Feuerwehr begeistert – auch wenn man sich nicht treffen kann.

Die Corona-Pandemie verschont auch die Einsatzabteilungen der Feuerwehren in den Städten und Gemeinden nicht. Die üblichen Dienste sind seit über einem Jahr passé. Der Schutz vor einer Infektion hat Priorität, um jederzeit genügend Kameraden zur Verfügung zu haben, die ausrücken können. Doch die Jüngsten, die sich womöglich gerade erst für die Feuerwehr entschieden haben, leiden besonders unter der Situation.

55 Kinder und Jugendliche gehören bisher zum Akener Feuerwehr-Nachwuchs

„Unabhängig vom demografischen Wandel kommt mit Corona das nächste Problem auf uns zu“, vermutet Sebastian Müller. 55 Kinder und Jugendliche gehören bisher zum Akener Feuerwehr-Nachwuchs. „Das ist die Statistik von Ende 2020. Was da am Ende übrig bleibt, wenn wir wieder Dienste machen können, werden wir sehen.“

Im Sommer 2020, als sich Pandemie scheinbar auf dem Rückzug befindet, will Sebastian Müller die verlorenen Monate aufholen und lädt den Nachwuchs statt 14-tägig wöchentlich ein – mit mäßigem Erfolg. Der Plan geht nicht auf. Am Ende kommen höchstens acht Kinder vorbei.

Ist das schon eine Auswirkung der Pandemie mit unmittelbaren Folgen für die Feuerwehr? Vielleicht aber auch ein Zeichen der Überforderung, überlegt der Jugendwart. Schließlich sei auch schulisch für die Kinder und Jugendlichen vieles neu und herausfordernd gewesen.

Eine Übung der Jugendfeuerwehr
Eine Übung der Jugendfeuerwehr
(Foto: Nicklisch)

„Im ersten Lockdown haben wir alle noch gedacht, das wird schon wieder. Ab Herbst“

Und dann noch jede Woche Feuerwehr, wo ebenfalls ein ziemliches Corona-Wirrwarr geherrscht habe. Es dürfen sich zum Beispiel nur zwei Kinder gleichzeitig umziehen. Mund-Nasen-Schutz muss permanent getragen werden. Es gibt kein Sommerlager, keine Ferienfreizeit. Und dann folgt gleich nach der Sommerpause schon der nächste Lockdown. Von da an geht nicht nichts mehr. Bis heute.

„Im ersten Lockdown haben wir alle noch gedacht, das wird schon wieder. Ab Herbst“, sagt er, „waren wir dann irgendwie in Stand-by.“ Und genau das sei das Problem für die „sehr praxisorientierte Ausbildung bei der Feuerwehr“, erklärt Sebastian Müller, der sich lange schwertut, die Jüngsten über virtuelle Kanäle zu erreichen. „Das ist wie Fußball. Klar kann man zocken. Aber es ist was anderes, sich auf dem Platz mit der Mannschaft zu treffen.“

Anfang dieses Jahres wird den Verantwortlichen immer bewusster, etwas tun zu müssen, um die Jugendlichen – die Kinder sind augenblicklich weitgehend außen vor – in der Pandemie zu erreichen.

Mitglieder der Jugendfeuerwehr Aken haben in Erwitte vor einigen Jahren bei einem Wettkampf den ersten Platz belegt.
Mitglieder der Jugendfeuerwehr Aken haben in Erwitte vor einigen Jahren bei einem Wettkampf den ersten Platz belegt.
(Foto: Kiel)

Der „Zuhause-Koller“ bleibe nicht ohne Folgen

Videokonferenzen kämen in Frage, virtueller Unterricht, interaktive Dienste. Aber alles scheint zu mühsam – immer vor dem Hintergrund, dass auch in den Schulen gerade fast der gesamte Lehrstoff über diese Formate vermittelt wird und Kinder und Eltern beim Homeschooling nicht selten an ihre Grenzen geraten. Und plötzlich kommt auch noch das Hobby, wo man normalerweise hingeht, um Freude außerhalb der Schule zu treffen. Der „Zuhause-Koller“, wie Sebastian Müller sagt, bleibe nicht ohne Folgen.

Er gibt zu, dass er natürlich viel lieber richtig mit dem Nachwuchs trainieren würde. Doch im Moment helfen digitale Formate, zumindest lose den Kontakt zu halten. Seit einigen Wochen gibt es jeden Sonntag drei Rätselaufgaben für die Mitglieder der Jugendfeuerwehr. Verschickt als kleine Filmchen. Auf diese Weise sollen Ausbildungsinhalte vermittelt werden, „weil das einfach wichtig ist“, betont der Jugendwart. Jeden Montag werden zwei Gewinner gezogen. Und auch davon gibt es Aufnahmen, „damit alle nachvollziehen können, dass es mit rechten Dingen zugeht“. Als Glücksbote hat sich schon einige Male Sebastian Müllers sechsjähriger Sohn Jonas angeboten, der zu Beginn der Woche immer zwei Gewinner zieht, die je fünf Euro als Gutscheine ihrer Wahl erhalten.

Allzu hohe Erwartungen verknüpft Sebastian Müller mit seinen Mini-Online-Angeboten nicht

Allzu hohe Erwartungen verknüpft Sebastian Müller mit seinen Mini-Online-Angeboten nicht. „Wir erreichen damit nicht jeden Einzelnen. Aber ich habe die stille Hoffnung, dass vielleicht mehr zuschauen als mitmachen.“ Als stille Beobachter.

„Wir hoffen jetzt auf den Sommer.“ Darauf, dass die Inzidenzen dann soweit zurückgegangen sind, um wieder Dienste anbieten zu können – nicht nur für den Nachwuchs, natürlich auch für die Einsatzkräfte, erwähnt Sebastian Müller. „Jeder, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, übernimmt auch einen Bildungsauftrag“, betont er. Viel zu lange schon habe man damit zwangsläufig aussetzen müssen. „Die Folgen werden enorm sein.“ Seine größte Sorge ist, „dass etliche gemerkt haben, dass es auch ohne Feuerwehr geht und sie einfach wegbleiben“.

Von daher müsse man künftig noch mehr Kraft in die Nachwuchsgewinnung investierten – und damit unmittelbar in die Zukunft der Feuerwehr. (mz)