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Versteigerung auf Hof der "Roten Schule" Versteigerung auf Hof der "Roten Schule": Drahtesel als Schnäppchen

Von Gabi Zahn 09.05.2014, 19:39
Etwa 70 Interessierte lockt die Versteigerung der Fundsachen in Jessen an - auch wegen der zwölf Fahrräder.
Etwa 70 Interessierte lockt die Versteigerung der Fundsachen in Jessen an - auch wegen der zwölf Fahrräder. Zahn Lizenz

Jessen/MZ - Mehr als 70 Personen, doppelt so viele wie im Vorjahr, kommen diesmal zur Versteigerung der Fundsachen auf den Hof der „Roten Schule.“ Jeder hofft, ein Schnäppchen zu erhaschen. Als „Zugpferde“ wirken zwölf Fahrräder, die hintereinander aufgestellt sind. Einige erwecken noch einen recht respektablen Eindruck.

Schmuck kommt unter den Hammer

Kathrin Arndt, stellvertretende Ordnungsamtsleiterin, bittet jedoch um Geduld. Zunächst kündigt sie einige Stücke aus der „Schatzkammer“ an, wie sie schmunzelnd bemerkt. Es handelt sich um Silberschmuck: Armband und Ring, beides mit Bernsteinen verziert. „Das wurde samt Kassenzettel bei uns abgegeben“, verrät sie. Neuwert etwa: 170 Euro. Das Mindestangebot von 40 Euro klingt also recht ordentlich, doch niemand will dieser Verlockung folgen. „Denken sie dran, bald ist Muttertag“, motiviert Arndt. Das löst zwar Heiterkeit aus, doch mehr nicht. Bei einigen anderen Silberteilen hat sie mehr Glück. Marina Löwe fackelt nicht lang und vermeldet gleich zweimal nacheinander Interesse. Endlich kann die Auktionatorin ihres Amtes walten: „Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten“ – Kathrin Arndt lässt den derben Hammer auf den Tisch krachen: Für insgesamt dreizehn Euro bekommt die Bieterin Ring und Armband. Sie freut sich: „Im Laden hätte ich dafür ein Vielfaches bezahlt.“

Mehr als 360 Euro bringt die Versteigerung der Fundsachen ein. Im Vorjahr waren es nur 160 Euro. Das Geld darf jedoch nicht sofort der Stadtkasse zugeführt werden, sondern verbleibt drei Jahre auf einem Verwahrkonto. Falls in dieser Zeit doch noch der frühere Eigentümer eines Gegenstandes vorspricht und dies beweisen kann, bekommt er den dafür ersteigerten Betrag ausgezahlt. Grundsätzlich gelangen Schlüssel, Handys und Smartphones, die ins Fundbüro gebracht werden, aus Gründen des Datenschutzes nicht zur Versteigerung. Für die Kommunikationsgeräte werden zumeist die Besitzer gefunden. Ansonsten werden sie – ebenso wie alle nicht abgeholten Schlüssel – nach der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von einem halben Jahr mit vernichtet. Dieser Vorgang wird per Protokoll dokumentiert. Für alle ersteigerten Objekte gilt: Die Ware wird „wie gesehen“ erworben, die Zahlung erfolgt sofort und in bar. Spätere Reklamationen sind nicht möglich.  (gzn)

Als nächstes sind Konfektionsteile zu haben, doch das Interesse hält sich in Grenzen. Allerdings findet die schwarze Trainingsjacke eines Markenherstellers zum Startgebot von zehn Euro schnell einen neuen Träger. Eine modische Softshelljacke für zwei Euro, Größe 158, wird dagegen gänzlich ignoriert. Auch der Hinweis von Kathrin Arndt auf die bevorstehende Schafskälte punktet lediglich mit Heiterkeit. Solcher Humor gefällt dem Publikum – und dieser steigert sich noch, als endlich das erste Fahrrad unter den Hammer kommen soll. Doch das einrädrige Gefährt will auch für fünf Euro niemand haben. Herzige Wortgefechte gehen zwar hin und her, doch letztendlich wird es in die Ecke gestellt. Dieses Schicksal ereilt auch weitere „Rostlauben“ aus der Kategorie Ersatzteilspender, eine sogar mit dem Aufkleber: „Alkohol kennt kein Limit“. Womöglich hat der frühere Besitzer dieses Motto bei seiner letzten Fahrt reichlich praktiziert.

Fahrräder sind beliebt

Dann aber wird es turbulent. Einige „noble“ Räder bringen endlich Bewegung unters Volk. Die Ordnungsamtscrew entwickelt bemerkenswerte Werbestrategien: „Hier gibt’s alles ohne Versandkosten!“, ruft Kathrin Arndt. Ein rotes, durchaus ansehnliches Trekkingrad hat zwar am Lenkrad einen schicken Korb. Doch statt eines Gepäckträgers ist hinten ein Blech aufgeschraubt. Klaus-Dieter Mehlis präsentiert es als „Modell für das Biergartengepäck“, genau richtig für Himmelfahrt. Solche Sprüche bringen einen echten Bietermarathon in Gang. Ein Bike, Startgebot 15 Euro, in Weinrot, Gold und Schwarz gehalten, bringt letztlich 40 Euro in die Stadtkasse. Reserviert wird nichts. Barzahlung ist Pflicht. Über die ordnungsgemäße Abwicklung wachen Sara Nitzsche, Karolin Schmischke (Leiterin Fundbüro) und Marion Preuß vom Ordnungsamt.

Am tiefsten greift André Mühlbach in die Tasche: 130 Euro zahlt er für einen silbernen Drahtesel mit Elekroantrieb, ein 28er Damenrad – allerdings ohne Schlüssel. Dafür besitzt es einen Gel-Tech-Sattel und voll funktionsfähige Bremsen, wie die Expertise ausweist. Mühlbach schätzt: „An die 800 Euro müsste man sicher als Neupreis berappen.“ Allerdings zeigt er auch Skepsis: Wer lässt schon ein Rad ohne triftigen Grund einfach stehen? Der Mut zum Risiko überwiegt trotzdem.

Das strahlendste Lächeln bei der Auktion löst ein pink-rosafarbenes „Sparschwein“ aus. Eigentlich ist es ein Sparfrosch, den die kleine Anna-Marie Schlenz sofort in ihr Herz schließt. „Der sieht so niedlich aus, darf ich den bitte haben?“, fragt sie Mutti Sandy allerliebst. Nur einen Euro soll das Teil kosten. Jemand fragt lautstark nach: „Mit oder ohne Inhalt?“ – Lachsalven ertönen, und die Probe aufs Exempel wird statuiert. Doch selbst nach kräftigem Schütteln ist kein Quaken, geschweige denn ein Klimpern zu vernehmen. Damit erlischt jegliches andere Interesse und Anna-Marie ist selig. Sie bekommt die Münze von der Mutti und kann bezahlen.

Als sich die Auktion dem Ende nähert, signalisiert Ordnungsamtsleiter Daniel Lehmann angesichts der übrig gebliebenen „Rostlauben“ einen Kompromiss. Steffen Peinl, der Bastel-Interesse zeigt, lässt sich darauf ein: Für nur fünf Euro bekommt er alle drei Vehikel auf den Hänger geladen und fährt von dannen.