Roman von Günter Streifinger aus Elster Roman von Günter Streifinger aus Elster: "Schöne schlechte Zeit"

Elster/MZ - Sonntag. „Auf dem großen Hof ist es ruhig heute. Aber an den Wochentagen klappert es laut, wenn der Kohlenhändler Krusekopf die Briketts in die große Kippwaage schaufelt, sie abwiegt und dann in einen Sack rutschen lässt, den er sich auf die Schulter nimmt, um ihn auf einen Wagen zu laden... Ist der Wagen voll, dann spannt er die Pferde an, um zu seinen Kunden zu fahren. Noch vor Monaten fuhr er die Kohlen mit einem Lastwagen durch die Stadt. Aber der wird jetzt gebraucht, sagte mir einmal der Vater, denn es ist Krieg.“ Diese Passage gibt eine kurze Einstimmung auf Günter Streifingers jüngstes Werk. Der Roman, in dem der Elsteraner bis auf wenige Abwandlungen seine eigene Kindheit im sächsischen Chemnitz erzählt, soll „Schöne schlechte Zeit“ heißen und voraussichtlich Ende des Monats erscheinen.
Familiengeschichte in den Wirren des 2. Weltkrieges
Beschrieben wird in dem Werk ein Familienschicksal, nämlich im Wesentlichen jenes seiner Familie, zwischen 1942 und 1951. „Es beginnt mit der - noch - friedlichen Kinderzeit und mit den Weltfestspielen 1951 ist Schluss“, steckt der Autor den zeitlichen Rahmen ab. In einer kleinen Industrie-Stadt (Chemnitz) wird der junge Ich-Erzähler 1943 eingeschult, „dann kommen langsam die Bombenangriffe“. Der Vater schickt die Familie nach Passau auf einen Bauernhof, wo sie eigentlich bis Kriegsende bleiben will.
Doch es kommt anders. Der Vater, wegen seiner Arbeit in Chemnitz geblieben, wird beim Rangieren auf dem Bahnhof zwischen den Puffern zweier Waggons eingeklemmt und stirbt im Februar 1944. Die Mutter und die beiden Kinder kehren zurück und kommen beim Großvater unter, der auf einem Rittergut in einem Vorort von Chemnitz arbeitet.
Im März 1945 gibt es den letzten Fliegerangriff, dabei geht das Stadthaus, in dem die Familie gewohnt hatte, in Flammen auf. Die Amerikaner rücken von der einen Seite näher und beschießen eine Feldscheune, in der sie Soldaten vermuten, aber nur Kühe treffen. Die Deutschen sprengen die nahe Autobahnbrücke und von der anderen Seite kommen die Russen. „Großvaters Haus hat also eine Zeit lang im Niemandsland gelegen“, erinnert sich Streifinger.
Sprung ans Ende der Geschichte, zu den Weltfestspielen von 1951. „Wir sind damals mit Begeisterung nach Berlin gefahren. Mit Güterwagen ging’s dorthin“, denkt der Schriftsteller zurück und fügt eine lustige Episode an: „Ein Mädchen aus meiner Klasse hatte sich eine FDJ-Bluse besorgt, obwohl sie noch Pionier war. Damit sie ins Kino rein durfte, was ja erst ab 14 Jahren ging.“ Streifinger verschweigt auch nicht, dass etliche junge Leute die Gelegenheit für einen Abstecher nach Westberlin nutzten. In seinem Fall war es Lakritze, die lockte. Sein Kumpel kam nicht mit, er wollte eine höhere Schule besuchen und konnte keinen Ärger mit der Staatsmacht gebrauchen. Doch das Mädchen in der FDJ-Bluse war ebenfalls im Westen gewesen, wie der Autor bei der Rückfahrt im Zug feststellen durfte: Sie hatte sich von dort einen bunten Ball mitgebracht.
Zweites Buch entsteht parallel
Der Elsteraner Lyriker und Schriftsteller ist in jüngster Zeit wieder sehr produktiv. Ein weiteres Buch - Arbeitstitel „Zwei Nächte und ein Tag“ - entsteht gerade. Etwa hundert Seiten davon sind fertig, mindestens noch einmal so viele sollen folgen, bis er es im April 2014 abschließen möchte. Streifinger hofft, dass er in der „Winterruhe“ verstärkt zum Schreiben kommt. Die Erzählung lebt ebenfalls - zumindest in Teilen - von eigenen Erlebnissen des Autors. Sie schildert den Besuch eines Ex-Elsteraners nach dem 2013er Hochwasser in jenem Ort, den er 2002 nach der Jahrhundertflut verlassen und sein Haus verkauft hat. Ereignisse aus der Vor- und der Nachwendezeit werden darin berührt und ein Fährmann aus Fischbeck spielt eine Rolle.
Bereits erschienen, im Juli, ist der Gedichtband „Antwort suchend ging ich“. Es handelt sich um ein kleines Büchlein, das man immer wieder mal zur Hand nehmen kann, um darin auf Bekanntes wie Neues zu stoßen. Zum Beispiel auf die Verse „Nach der Sommerflut an der Elbe“. Darin heißt es: „Schon am Morgen/ waren die Fenster/ blind vom Regen./ Auch noch am Mittag./ Ich schaue hinüber zum Fluss,/ sehe, wie er die Weiden/ am Ufer umzingelt,/ sich breit macht/ auf den Wiesen./ Da werde ich wieder/ keinen Schlaf finden/ in der Nacht./ Wie lange wird/ es noch dauern,/ bis er erneut/ den Weg sucht zum Haus./ Wie noch vor Wochen,/ als er sich im Garten/ unter der warmen/ Sonne ausgestreckt,/ um später ungeladen/ ins Haus einzukehren.“
Das Büchlein, ISBN 978-3-95486-398-3 ist für 10,50 Euro im Buchhandel erhältlich.