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Notstand in der Pflege Pflegende Angehörige im Gespräch mit Bundestagsabgeordneten Sepp Müller - Was sie dringend brauchen

Sepp Müller stellt sich den Fragen und Anregungen der Mitglieder der „Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige“. Welche Themen den Teilnehmern besonders wichtig sind und was ihnen wirklich helfen würde.

Von Annette Schmidt Aktualisiert: 17.09.2024, 09:04
Beate Finselberger, Leiterin der „Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige“ begrüßt den Bundestagsabgeordneten Sepp Müller beim monatlichen Gruppentreffen in den Räumen der Sozialstation des DRK in Wittenberg.
Beate Finselberger, Leiterin der „Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige“ begrüßt den Bundestagsabgeordneten Sepp Müller beim monatlichen Gruppentreffen in den Räumen der Sozialstation des DRK in Wittenberg. (Foto: Annette Schmidt)

Seyda/Wittenberg/MZ. - „Wir fühlen uns alleingelassen! Uns sieht keiner!“, fasst Beate Finselberger, Leiterin der Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige, die Situation für Sepp Müller, Bundestagsabgeordneter der CDU, zusammen. Dieser ist auch in seiner Funktion als Koordinator der Arbeitsgruppe für Gesundheit, Neue Länder, Sport und Ehrenamt sowie Petitionen zum monatlichen Treffen der Gruppe in das Gebäude der Sozialstation des DRK in Wittenberg gekommen.

Kein Ende nach acht Stunden

Laut dem Statistischen Bundesamt (Stand Dezember 2022) gibt es in Deutschland zirka 5 Millionen Pflegebedürftige. Vier von fünf Pflegebedürftige werden zu Hause versorgt. Fast die Hälfte – rund 2,6 Millionen – allein durch Angehörige. Was das bedeutet, leben die Gruppenmitglieder, wie sie sagen „24/7“. Denn die Pflegeleistungen, die sie erbringen, enden nicht nach einer Acht-Stunden-Schicht. „Wenn ich mal außer Haus bin, dann bin ich meist für meine Familienmitglieder unterwegs“, berichtet Finselberger, die drei Verwandte pflegt. Sie besorgt bei diesen Gelegenheiten nicht selten notwendige Pflegemittel aus Cottbus oder Dresden. Daneben schaufelt sie sich mit Unterstützung von Verhinderungspflege regelrecht Freiräume für eigene Termine wie die Arbeit für die Gruppe frei.

Nicht selten, so berichten die Gruppenmitglieder, würden sie an ihre persönlichen Grenzen kommen. Was sie ohne Ausbildung leisten, sei nicht nur körperlich belastend. Einen Angehörigen zu pflegen – was alle Anwesenden, für die, die sie lieben tun – mache einsam, ist emotional anstrengend und mit großer Verantwortung verbunden. Das alles mache in Teilen krank. Ein Riesenmanko, das sie im Gespräch mit dem Bundespolitiker, der sich stetig Notizen macht, vorbringen, sei der Berg an Bürokratie und die fehlenden Informationen. „Eine Liste für pflegende Angehörige mit Anleitungen und den wichtigsten Kontaktstellen wäre uns ein wichtiges Anliegen“, streicht die Gruppenleiterin heraus. Durch die unablässige Arbeit haben sie schlicht keine Zeit und Kraft für langwierige Recherchen durch Papiere und Anträge für das, was ihnen zusteht.

Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben viele Fragen und Hinweise für den Bundestagsabgeordneten Sepp Müller.
Die Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben viele Fragen und Hinweise für den Bundestagsabgeordneten Sepp Müller.
(Foto: Annette Schmidt)

Als Beispiel nennen sie die Kur, die ihnen als pflegende Angehörige aller zwei Jahre zusteht, für die einige der Anwesenden aber lange kämpfen mussten. Eine Beratungsstelle, die sie als „Laien“ unterstützt, wäre wünschenswert. Eine Energiepauschale geben sie dem Politiker als echte Hilfsmaßnahme mit auf den Weg. Denn die meisten Pflegebedürftigen würden Aufgrund von Inkontinenz einen nie endenden Wäscheberg erzeugen. Ein ähnliches Problem hätten die Angehörigen bezüglich der kostenpflichtigen Restmülltonnen.

Ein weiterer Punkt, der die Anwesenden umtreibt, ist die finanzielle Lage, in die sie durch die Pflege geraten. Denn sie werden zum Teil in die finanzielle Pflicht genommen und müssen mit ihrem eigenen Vermögen eintreten. Sodass auch sie in eine Notlage geraten. „Wir machen das alles, aber wenn wir wegfallen, weil wir nicht mehr können, wird die Pflegekrise sich noch verstärken“, sagen die Gruppenmitglieder unisono, die es spürbar belastet, dass sie trotz oder wegen ihrer Leistung weder gesehen, gefühlt übersehen werden und eine Anerkennung völlig ausbleibt.

Respekt vor Leistung

Sepp Müller, der den Anliegen der Gruppenmitglieder aufmerksam gefolgt ist, spricht ihnen zuallererst seinen Respekt und Dank für das, was sie leisten, aus. Als er von der Selbsthilfegruppe erfuhr, war es ihm ein Anliegen, diese kennenzulernen. Er bestätigt, dass die pflegenden Angehörigen das Rückgrat des deutschen Pflegesystems bilden. Er erklärt, dass das Thema besonders mit Blick auf die Boomer-Generation, die nun nach und nach die Rente erreichen, in den Fokus der Politik gerät.

Ihm ist bewusst, wir „müssen mehr tun!“ In 15 Jahren würden allein in der Region Wittenberg 42 Prozent der Arbeitnehmer in Rente gehen. Es sei abzusehen, dass diese Menschen früher oder später Pflege benötigen. Seine Fraktion arbeitet daran, die Pflege zukunftsfest zu machen. Neben anderen Maßnahmen sollen Präventionsleistungen gestärkt werden. Und auch die pflegenden Angehörigen sollen mehr Unterstützung und Wertschätzung erfahren. Dazu zähle für ihn auch eine finanzielle Anerkennung. Doch gibt er auch zu bedenken, dass die bürokratischen Mühlen in Deutschland langsam arbeiten.