Nach tödlichem Unfall Nach tödlichem Unfall: Toter Wolf wird im Leibniz-Institut seziert

Annaburg - Die Kunde macht schnell die Runde und wird zum Stadtgespräch: Zwischen Schweinitz und Annaburg ist ein Auto mit einem Wolf kollidiert. Das Tier ist dabei umgekommen. Am Dienstagmorgen gegen 6.20 Uhr ist es geschehen, kurz hinter dem Abzweig nach Löben. Ein 28-jähriger Kia-Fahrer, der in Richtung Annaburg unterwegs ist, kann dem von rechts kommenden Raubtier nicht ausweichen.
Der wenige Meter von der Straße im Wald liegende Wolfskadaver gehört für die nächsten gut drei Stunden zu den wahrscheinlich bestbewachtesten Leichen im ganzen Land.
Denn Polizeihauptkommissarin Anke Madry aus der Annaburger Station, die den Unfall aufnahm, wartet auf die Zuständigen der Landkreisverwaltung, die sich laut Information aus der Leitstelle auf den Weg gemacht haben, das Tier zu bergen. Doch das war wohl eine Fehlinformation.
Der tote Wolf wird derweil zum beliebten Fotomodell. Nicht nur Kollegen von Anke Madry machen Halt, auch Jagdpächter Detlef Lindner schaut vorbei. Und selbst Revierförsterin Heike Hinz bekundet, solch ein Tier in natura nicht so oft zu Gesicht zu bekommen. Auch Zaungäste, die von dem Vorfall erfahren haben, halten an, um schnell ein Foto zu schießen.
Der am Dienstag durch Unfall getötete Wolf ist der vierte (bekannte) in der Jessener Region. Laut Martin Trost vom Landesamt für Umweltschutz Halle fand im Februar 2014 bei Ruhlsdorf ein Isegrim ebenfalls durch Verkehrsunfall den Tod. Im April 2015 wurden die Reste eines Welpen in der Glücksburger Heide gefunden. Und im Herbst 2015 starb bei Klossa die Fähe eines Rudels aus der Annaburger Heide.
Angesichts des allgemeinen Hype um den Wolf zieht das offenbar ungemein. Später, als die ungewollte Bewachung schon lange eingestellt ist, kommen Mitarbeiter der Kreisverwaltung und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung aus Berlin, um den Wolf abzuholen. Anke Madry hat die Stelle mit einem rotweißen Band markiert, als sie abzog.
Wenig später erhält die MZ die Bestätigung von Kreis-Umwelt-Fachamtsleiter Udo Dietrich, die Expertinnen vom Leibniz-Institut haben eingeschätzt: Es ist definitiv ein Wolf - ein noch recht junger - und ein Rüde, also ein männlicher Isegrim.
Noch am Dienstagabend sollte Tierpathologin Claudia Szentiks aktiv werden. Nachdem der Wolf durch den Computertomografen (CT) geschoben wurde, wird sie ihn sezieren. Als Tierpathologin bekommt sie jeden in Deutschland tot aufgefundenen Wolf „auf den Tisch“.
Ermittelt wird zunächst die Todesursache. Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn es sich um illegale Abschüsse des bundesgesetzlich hoch geschützten Einwanderers handelt. Das ist die strafrechtlich relevante Komponente.
Doch es gibt natürlich ebenso die wissenschaftliche. Und da ist die Todesursache nicht weniger wichtig. Das Tier könnte Krankheiten haben, die Rückschlüsse auf die Gesundheit der Population zulassen. Ein Schwerpunkt wird dabei selbstredend auf den Nachweis übertragbarer Krankheiten gelegt.
Auch Anzeichen von Inzuchtlinien innerhalb der Population lassen sich so erkennen, schildert Claudia Szentkis. „Rein rechnerisch dürfte es so etwas bei der derzeitigen Populationsdichte noch nicht geben. Aber wir haben inzwischen Anzeichen, dass es doch zu Inzucht gekommen ist.“
Die Experten hoffen daher bereits dringend auf einen natürlichen Austausch unter den in Deutschland angesiedelten Populationen. „Aber das muss sich selbst klären. Der Mensch greift dabei nicht ein.“ (mz)