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Medienprojekt aus Jessen Medienprojekt aus Jessen: Unerwartet Preisgewinner

Von andreas richter 27.09.2015, 08:20
Lea-Marie Kopp, Niklas Wegener (re.) und Manuel Tausend-Böttchermt mit dem Rundfunkpreis, den die Jessener Sekundarschule für die Dokumentation „The Horror of Wittenberg“ erhalten hat.
Lea-Marie Kopp, Niklas Wegener (re.) und Manuel Tausend-Böttchermt mit dem Rundfunkpreis, den die Jessener Sekundarschule für die Dokumentation „The Horror of Wittenberg“ erhalten hat. Thomas Christel Lizenz

Jessen - Aus einer „Notlösung“ zum strahlenden Gewinner. So lässt sich ganz knapp die Erfolgsgeschichte von Mädchen und Jungen der Sekundarschule Jessen beschreiben. Dabei erfuhren die Protagonisten vom Gewinn des Mitteldeutschen Rundfunkpreises erst, als die Einladung zur Auszeichnungsfeier ankam. Die Arbeit war eingereicht worden, ohne dass es alle wussten.

Offener Kanal hat eine Idee

Aber der Reihe nach. Schon seit Längerem arbeitet die Jessener Bildungseinrichtung mit dem Offenen Kanal Merseburg zusammen. Im Herbst vergangenen Jahres trat dieser mit einer Idee an Schulleitung und Schüler heran. Es wurden wieder Arbeiten gesucht, mit denen man sich auch als Schule um den Mitteldeutschen Rundfunkpreis Bürgermedien bewerben konnte. Eigentlich war das inhaltliche Konzept des späteren Werkes schon erarbeitet worden und auf eine Schule in Wittenberg zugeschnitten. Es drehte sich alles um das Kriegsgefangenenlager Kleinwittenberg im Ersten Weltkrieg. Aber wie das mitunter so ist, in der Lutherstadt gab es an den dortigen Schulen zeitliche Probleme, das Vorhaben eines solchen Filmes zu realisieren.

Doch beim Offenen Kanal wusste man, dass man in Jessen immer auf offene Ohren stößt. Also wurde eine entsprechende Anfrage an Schulleiter Thomas Felber gestellt. Und der musste nicht sehr lange überlegen. „Sicher, die Thematik ist eine schwierige. Da war allen sofort klar, dass man sich zum einen ordentlich einarbeiten musste. Zum anderen galt es, eine Idee zu finden, wie man das Ganze am besten filmisch und zugleich mit der nötigen Sensibilität umsetzt.“ Man wusste aber die Medienprofis aus Merseburg an der Seite, also wurde das Projekt in Angriff genommen.

Drei Wochen Zeit

Viel Zeit blieb nicht. Drei Wochen im November 2014 waren veranschlagt. Die damaligen siebenten Klassen setzten sich als erste an den Tisch. Sie übernahmen den Part der Recherche. Fragen wie „Von wann bis wann gab es das Lager?“, „Wer war dort interniert?“, „Wie war das Lagerleben?“ und andere waren als Einstieg zu klären. Thomas Felber erinnert sich lebhaft daran, wie die Köpfe rauchten. Denn: „Der zeitliche Rahmen ist anspruchsvoll. Viele Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg sind noch greifbarer. Beim Ersten sieht das schon ganz anders aus.“

Aber man meisterte diese Aufgabe. So wurde neben anderem im Medien-Bundesarchiv recherchiert, und dort fanden sich sogar originale Aufnahmen jener Jahre. Wie aber kann daraus ein Film entstehen, der die jungen Leute noch mehr einbindet als beim bloßen Zusammenschneiden alten Materials? Die Idee, die dafür entstand, war genial, aber zugleich sehr herausfordernd: Wie wäre es damit, bestimmte Szenen des Lageralltages nachzustellen? Aber auch filmische Einblicke in das Heute sollten eingebunden werden. Was ist von dem Lager überhaupt noch da? Wie wird mit dem Gedenken umgegangen?

Rasch umgesetzt

Das eigentliche Drehen passierte dann ziemlich fix. So wurden in Jessen an nur einem Tag bestimmte Szenen nachgestellt. Dafür brachten die Fernsehmacher zeitgemäße Requisiten mit. Immerhin sollten möglichst authentisch ein Blick in die Krankenstation oder auch ein Appell im Hof des Lagers gedreht werden.

Die erste Fernsehrolle ihres Lebens hatten dabei auch Lea-Marie Kopp, Niklas Wegener und Manuel Tausend-Böttcher. Alle drei waren vor einigen Tagen bei der Auszeichnungsfeier dabei und wissen noch genau, dass sie beim Dreh schon ziemlich aufgeregt waren. Lea-Marie Kopp meint zurückblickend, „dass es die größte Herausforderung war, sich gedanklich in die Menschen und die Zeit zu versetzen“. Und sie musste weinen (Lea-Marie spielte die Frau eines Gefangenen, die soeben am Tor erfuhr, dass er gestorben war), was für sie am schwierigsten umzusetzen war. „Echtes Weinen ist was ganz anderes. So auf Kommando klappt es schwer.“

Manuel Tausend-Böttcher hat die Erfahrung mitgenommen, „dass so ein einziger Drehtag ziemlich stressig ist“. Wobei Niklas Wegener fand, „dass wir das gut hinbekommen haben, meistens wurde eine Szene nur zweimal aufgenommen, dann passte alles“. Jedoch sei es schon ein komisches Gefühl gewesen, sich beispielsweise die Gefangenenkleidung überzustreifen. Stars vor der Kamera wollen die Drei später mal nicht werden. „Ist zu stressig“, stellt Tausend-Böttcher lächelnd fest.

Wirklichen Horror nahe gebracht

Am Ende drei anstrengender, aber auch aufregender Wochen lag das Ergebnis auf dem Tisch. „The Horror of Wittenberg“, so heißt die filmische Dokumentation, welche die Schule auch als DVD-Version bekommen hat. Und die Arbeit konnte sich echt sehen lassen. Als der Film - übrigens einer von 139 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen für die verschiedenen Kategorien - der Jury zur Bewertung in der Kategorie „Bester Beitrag Nachwuchs Fernsehen“ zur Bewertung vorlag, fand diese eine klares Urteil, weshalb sie letztlich den ersten Preis nach Jessen vergab.

In der Begründung heißt es: „Die Menschen in Mitteleuropa leben seit mehr als 70 Jahren in Frieden. Was Krieg bedeutet, dies musste die jetzt lebende Generation nie aus eigenem Erleben erfahren. Der Erste Weltkrieg, den die Völker den großen Krieg nannten, ist bereits 100 Jahre her. Der von der Jury für den ersten Preis in der Kategorie Nachwuchs nominierte Beitrag zeigt Geschichte zum Anfassen, Geschichte vor der eigenen Haustür. Die aufwendige und sehr detaillierte Umsetzung eines Stücks Zeitgeschichte fand die Jury überaus preiswürdig.“