Leser-Reaktionen Leser-Reaktionen: Kritik an Wittenberger Busfahrplankonzept auf allen Kanälen

Jessen/Wittenberg - Die Kritik am neuen Wittenberger Busfahrplankonzept reißt nicht ab. Lange Wartezeiten, unmögliche Umsteigemöglichkeiten und fehlende Angebote in den Früh- und Abendstunden sorgen bei Buskunden aller Altersklassen für Verärgerung. Schwerpunkt sind die Änderungen rund um den Anrufbus. Der fährt nun nicht mehr auf Abruf, sondern nur noch zu fahrplanmäßig festgelegten Zeiten, an ausgewählte Haltestellen und bringt die Kunden auf mitunter nicht nachvollziehbaren Umwegen nicht zum Ziel, sondern zur nächsten Linienbus-Haltestelle. Leser aus verschiedenen Orten des Landkreises Wittenberg teilten ihre Erfahrungen und Meinungen zum neuen Busfahrplankonzept mit. Die Resonanz ist überwältigend. Die Telefondrähte in der Redaktion glühen, und auch per E-Mail und Facebook haben sich viele Buskunden über die neuen Regelungen beschwert. An dieser Stelle kann nur eine Auswahl der gravierendsten Probleme geschildert werden.
Seit 1. Januar gibt es acht Hauptlinien, die im Stundentakt (Mo-Fr, 5 bis 19 Uhr; Sa, 8 bis 16 Uhr) verkehren. Das sind die Linien 300, 301, 302, 303, 304, 306, 307 und 310. Diese sind in das Stadtgebiet Wittenberg integriert. Zweiter Hauptbestandteil des Konzeptes ist der in die Nebenlinien integrierte Schülerverkehr. Diese Linien sind für jeden Fahrgast nutzbar. Als drittes können die Fahrgäste den fahrplangebundenen Anrufbus im gesamten Kreis nutzen.
Aus den bisher über 100 kleinen Tarifzonen sind jetzt 14 Tarifzonen innerhalb des Landkreises und eine City-Zone (Nr. 20) in Wittenberg entstanden. Zudem gibt es Verbindungen in den Landkreis Anhalt-Bitterfeld (30/31) und in die Stadt Dessau-Roßlau (80).
Die Abo-Monatskarte ist neu und ersetzt die Wittenberg-Card. Sie kann auch online auf www.mein-bus.net verwaltet werden. Hier gibt es auch die Fahrpläne, auch erhältlich im Info-Büro der Vetter GmbH, Am Busbahnhof Wittenberg oder unter der Telefonnummer 03491/48 07 90.
Die Fahrten vom Anrufbus findet man im Aushang an der Haltestelle, im Fahrplanbuch und online. Der Anrufbus muss mindestens eine Stunde vor Fahrtbeginn laut Fahrplan telefonisch, online oder per Fax bestellt werden. Er fährt täglich von 5 bis 23 Uhr jeweils zu den Schnittstellen der Hauptlinien und Bahnhöfe.
Telefonnummer: 08000/36 69 10
Faxnummer: 01805/36 69 11
Web: www.anrufbus.net
E-Mail: [email protected]
Storno: 03494/3 84 21 00
Yvonne Höhne (per Mail): Ich bin Schulleiterin der Grundschule „Elbkinderland“ in Elster und wurde über die Neuerungen, die den Schulbusverkehr betreffen, nicht informiert. Unsere Schule hat „Buskinder“ aus Orten, die von vier Linien tangiert werden, jedoch war unsere Schule im Halteplan gar nicht mehr aufgeführt. Meine Hauptbeschäftigung seit Schulbeginn am 7. Januar ist der Schülerverkehr. Das Busunternehmen konnte ich zwar per Mail von den Problemen unterrichten, gelöst wurden diese aber kaum. So kamen die Schüler aus Zemnick in diesem Jahr noch nicht einmal pünktlich 7.32 Uhr an, sind täglich zu spät (7.55 Uhr), was heißt, dass sie auch täglich so lange im Heimatort an der Bushaltestelle warten müssen. Die Hin- und Rückfahrt nach Iserbegka klappt immer noch nicht. Großeltern holen daher die Kinder ab, für meine Kollegen, die diese Kinder beaufsichtigen, entstehen Mehrstunden, die nicht eingeplant sind. Ich bin seit zehn Jahren an der Grundschule tätig, solche massiven Probleme gab es noch nie. Warum blieb der Schülerverkehr, der auf unseren Linien tadellos funktionierte, nicht weiterhin so?
Bea Trice (via Facebook): Ich musste letzte Woche mein Kind jeden Tag zur Schule fahren, da der Bus nicht kam. Mein Kind war froh, dass ich noch zu Hause war. Normalerweise bin ich ab 6.30 Uhr aus dem Haus. Jeden Tag das gleiche Spiel. Obwohl ich mich beim Busunternehmen beschwert habe, hat sich nichts gebessert. Es standen ein Haufen Kinder an der Bushaltestelle wieder wie „bestellt und nicht abgeholt“.
Alexandra Abendroth (per Telefon): Ich wohne in Möhlau und arbeite im Pflegeheim Oranienbaum, wo ich morgens 6 Uhr anfangen muss. Nun fährt um diese Zeit kein Bus mehr nach Gräfenhainichen. Ich schaffe den Anschluss nach Oranienbaum nicht und komme zu spät. Jetzt habe ich Angst um meinen Arbeitsplatz.
Ines Bölke (per Telefon): Mein Sohn muss jeden Morgen mit dem Schulbus von Thießen ins Gymnasium nach Wittenberg. Abgesehen von der unmöglichen Fahrstrecke über die Dörfer und der langen Fahrzeit ist der Bus total voll. Viele Kinder müssen die ganze Zeit stehen und kommen letztendlich auch noch oft zu spät.
Vanessa Hädicke (per Mail): Ich bin Azubi und arbeite im Schichtbetrieb im Paul Gerhardt Stift. Durch die neuen Buszeiten bin ich auf die Kulanz meines Arbeitgebers angewiesen. Weder zum Frühdienst 6 Uhr noch nach der Spätschicht nach 22 Uhr habe ich eine Chance, von Kropstädt nach Wittenberg bzw. zurück zu kommen. Die Freundlichkeit der Leute an der Bestell-Hotline lässt seit der Umstellung auch erheblich zu wünschen übrig. Hätte ich mich nicht genau über meine Linie informiert, wäre bestimmt nicht nur einmal einfach aufgelegt worden. Gott sei Dank habe ich einen guten und kulanten Arbeitgeber und kann die Schichten entsprechend verschieben.
Kirsten Judersleben (per Telefon): Eigentlich geht man davon aus, dass ein Fahrplan verbessert wird. Das Gegenteil ist der Fall. Und wenn man sich beschwert, bekommt man am Telefon zu hören: „Das interessiert uns nicht, wie Sie auf Arbeit kommen. Da haben Sie sich jetzt selbst einen Kopf zu machen. Wir haben damit nichts mehr zu tun.“ Das ist eine Riesensauerei. Ich fahre jetzt schon seit einer Woche mit dem Taxi zur Arbeit. Aber das kann keine Dauerlösung sein.
Christina Schmidt (per Mail): Vorbei die Zeit, wo eine Wochenkarte von Coswig zum Lucas-Cranach-Gymnasium 10,50 Euro kostete. Wie schön wäre es gewesen, wenn im Vorfeld durch kleine, über die Schule verteilte Handzettel Eltern und Jugendliche von den neuen Modalitäten erfahren hätten. Nein - mit Erstaunen nehmen wir den neuen Fahrpreis von 16,40 Euro pro Woche zur Kenntnis, was immerhin einer Erhöhung von 56 Prozent entspricht. Doch das ist noch nicht alles: Der Jugendliche braucht auch eine Jugendcard. Gut, Schülerausweise reichen wohl nicht, um die Zugehörigkeit zur Schule und damit die Berechtigung zum ermäßigten Fahrpreis nachzuweisen. Nein, es muss eine Jugendcard sein. Wie einfach wäre es doch, wenn sich die Jugendlichen diese im Sekretariat der Schule abholen könnten. Jugendliche, die den Bus ermäßigt benutzen wollen, sind nun gezwungen, nach Wittenberg samt Personalausweis und Lichtbild zu reisen, um dort am Bahnhof im Vetter-Informationsbüro diese Jugendcard zu besorgen.
Susanne Lang (via Facebook): Man fragt sich, wie der Landkreis und seine dafür zuständigen Mitarbeiter so einen Schwachsinn genehmigen können.
Anni Nicolaus (via Facebook): Am Donnerstag habe ich ein weinendes Mädchen an der Ecke gefunden. Sie wusste nicht, wie sie nach Hause kommen soll, weil kein Bus kam.
Jeanin Muñoz (via Facebook): Auch für Kunden des Busunternehmens Thier aus Jessen läuft es katastrophal. Oft kommt der Bus zu spät. Die Kids kommen zu spät zum Unterricht. „Wegen einem halte ich nicht an“, so die Aussage eines Busfahrers. Langsam schlägt’s 13.
Chris Klein (via Facebook): Passiert, wenn man den örtlichen Unternehmen wie Scalar & Co. den Auftrag entzieht und an so ein Unternehmen übergibt. Beschwert euch beim Landkreis!
Maik Strehl (per Mail): Seitdem der neue Plan der Busse steht, geht es hier in Globig drunter und drüber. Der erste Bus, der 5.13 Uhr fuhr, ist weggefallen und der war auf der Strecke von Kemberg nach Wartenburg bis Wittenberg immer sehr voll, da dort alle mitgefahren sind, um arbeiten zu gehen. Wenn man jetzt nicht mindestens einen Tag vorher beim Anrufbus anruft, hat man keine Chance mehr, arbeiten zu gehen. Vormittags, wo alle Termine sind, fahren nur zwei Busse und einer davon nur bis nach Wittenberg. Der letzte Bus, mit dem man mit mehrmaligem Umsteigen nach Wittenberg kommt, fährt 7.15 Uhr. Die Rentner haben also extreme Schwierigkeiten, sich neu zu orientieren wie sie nach Wittenberg kommen. Ihre Termine müssen sie ganz anders planen. Auch weil sie nie wissen, ob sie pünktlich kommen oder ob sie überhaupt vom Dorf weg kommen, da der Anrufbus unzuverlässig ist.
Dirk Graul (via Facebook): Auf Leute, die zur Arbeit, in die Schule oder Berufsschule müssen, wird keine Rücksicht genommen. Es fangen doch nicht alle erst um 7 oder um 8 Uhr an zu arbeiten. (mz)