Konzert Ladiner aus Südtirol: Jessen im Ladiner-Fieber

Jessen - Südtiroler Urlaubsstimmung im Jessener „Schützenhaus“: „O lala, wir sind hier, seid ihr auch alle da?“, singen die Ladiner auf der Bühne – und ja! Die Jessener, Annaburger, Elsteraner – und viele Volksmusikfreunde aus nah und fern sitzen erwartungsfroh im Saal.
Schon zuvor hatten Joakin Stuffer (Gesang, Gitarre) und Otto Demetz (Akkordeon, Keyboard, Gesang) im Foyer die Gäste begrüßt – unter anderem Gerald und Annerose Rudolph vom Ladiner-Fanclub aus Chemnitz. Alles ist von Anfang an irgendwie familiär. Renate Eier aus Jessen zeigt Fotos: „Die sind 2006 bei eurem Konzert im Stubaital entstanden! Da war ich mit dabei!“ Joakin staunt: „Schau an, da sehen wir noch richtig jung aus!“
Einfühlsame Bilder
Vier Jahre zuvor, 2002, war ihnen mit dem 2. Platz beim Grand Prix der Volksmusik („Allein in Einsamkeit“) der Durchbruch in der Szene gelungen. 2004 konnten sie mit „Beuge dich vor grauem Haar“ den Wettbewerb für sich entscheiden. Klar, dass dieser Titel auch in Jessen als einer der ersten erklingt, und nicht nur, weil die Gäste zum großen Teil selbst diese Haarfarbe tragen. Das Lied berührt mit einfühlsamen Bildern, die Joakin und Otto in ihrer einfachen, warmen Sprache musikalisch beschreiben.
Seit ihrem großen Erfolg haben die Ladiner 21 Alben veröffentlicht – das Letzte erst kürzlich: „Ein bisschen heile Welt“. Auf den Titelsong muss das Publikum nicht lange warten. Er handelt wie die meisten ihrer Lieder von Heimat, Familie und Natur: „Wir leben in einer unruhigen Zeit und merken, wie wichtig solche Botschaften sind“, bekräftigt Joakin. Der Beifall gibt ihm Recht.
Die Ladiner tragen ihre eigene Heimatverbundenheit mit dem gleichnamigen Landstrich in den norditalienischen Dolomiten als Ensemble durch die Welt. Sie leben dieses Gefühl in ihrem Auftreten, mit jedem Wort und in jeder Melodie: „Wir haben auch eine eigene Muttersprache. Auf unseren CD gibt es Lieder in Ladinisch, aber auf der Bühne singen wir zumeist in Deutsch, weil unsere Fans vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum kommen!“
So kann das Publikum im Titel „Die Erde hat Fieber“ gut nachvollziehen, dass die Ladiner ihre „heile Welt“ im schönen Grödnertal nicht einfach nur plakativ heraufbeschwören, sondern sich auch vehement um sie sorgen: schmelzende Gletscher, Wirbelstürme, Wüste, wo sonst alles grün war. Klimawandel als Volksmusik-Thema? Das wurde so noch nie gehört. – Aber die Ladiner können das. Und es wirkt nicht abgedroschen.
Einen großen Anteil am Erfolg hat Joakins Bruder Reinhart: „Er schreibt und komponiert fast alle unsere Titel in seinem kleinen Tonstudio“, erzählt Joakin stolz. Dort ist auch jenes Lied entstanden, das vom Schicksal des Vaters in russischer Kriegsgefangenschaft „Hinter der Wolga“ erzählt: „Unter Waffen zog aus, ein ganzes Volk von Zuhaus (...)“ – Worte, die das Schicksal einer Männergeneration widerspiegeln und die angesichts aktueller Entwicklungen unter die Haut gehen.
Gemeinsam mit Nicol
Dann aber lernen die Zuschauer ein weiteres Mitglied der Familie Stuffer kennen: Joakins Tochter Nicol. Aus dem kleinen Mädchen, das vor einem Jahrzehnt bei Florian Silbereisen fröhlich in der Schaukel saß, ist eine charmante und selbstbewusste junge Frau geworden. Das Lied „Der schönste Tag im Leben“ („Zum letzten Mal an Deiner Hand ...“), erklingt im Trio. Es beschreibt jene Momente zwischen jubelnder Freude und wehmütigem Abschiedsschmerz, in denen ein Brautvater seine Tochter zum Traualtar führt.
Das Publikum ist zu Tränen gerührt. „So schön! Genauso ist es“, kommentieren gar einige Männer im Saal. Mit ihrem eigenen sehr fröhlichen „Lied vom Glück“ erobert Nicol dann ganz und gar die Herzen des Publikums. Fast drei Stunden lang durften die Jessener „ihre“ Ladiner erleben: vorwiegend mit eigenen, aber auch mit Cover-Songs wie „La Montanara“ und anderen Titeln, die die wunderschöne Welt der Berge besingen.
Auch während der 20-minütigen Pause standen die Volksmusiker unkompliziert Rede und Antwort: „So wünscht man sich die großen Stars. Endlich habe ich sie mal ganz aus der Nähe gesehen“, schwärmt Heidrun Stenz aus Jessen. Hannelore Weiner, die zum fünften Mal ein Ladiner-Konzert besucht hat, will auch ein sechstes Mal dabei sein. Garantiert hat sie viele neue Begleiter gefunden. (mz)
