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Jessen Jessen: «Gut Licht» im Silberglanz

Von Gabi Zahn 15.01.2012, 16:37

jessen/MZ. - Die erste Silberhochzeit haben Detlef (62) und Angelika (59) Wimmer schon vor 15 Jahren gefeiert. Am Sonntag war es ein zweites Mal soweit. Seit 25 Jahren sind beide auch geschäftlich miteinander liiert. Zum Jubiläum ist eine Dokumentation vorbereitet, die die Entwicklung von "Foto-Wimmer" zeigt, aber ebenso auch ein Stück Jessener Fotogeschichte erzählt und bewundert wird. Natürlich wollten Gäste, die zum Tag der offenen Tür kamen, auch wissen, wie eigentlich alles angefangen hat.

Das Abc der Fotografie lernt die jetzt 59-jährige Angelika Wimmer in der einzigen Foto-Fachberufsschule der DDR in Caputh, nahe Potsdam, und in der PGH Photo-Pionier in Jessen. Denkt sie an ihre Ausbildung zurück, fällt auch der Name ihres früheren Kollegen Achim Moldenhauer aus Annaburg. "Von ihm habe ich viel gelernt." In der PGH und auch im Rat des Kreises wird die talentierte Fotografin bald als Nachwuchskader gehandelt. Dementsprechend kann sie 1976 - ebenfalls in Caputh - ihre Meisterausbildung absolvieren und übernimmt die Leitung der Jessener PGH. Der Sinn steht ihr jedoch nach einem eigenen Geschäft. Ihren Mann lernt sie gleich nach der Schule kennen. Beide heiraten 1971. Ein Jahre später wird Sohn Dennis geboren.

Angebot aus Falkenberg

Weder in Jessen noch in Wittenberg bietet sich die Chance zur Selbständigkeit. Detlef Wimmer, mittlerweile Maschinenbau-Meister, macht seine Frau mit dem Falkenberger Bürgermeister Gerhard Mollenhauer bekannt. Dieser schätzt Privatinitiative und traut ihr zu, ein leer stehendes Fotogeschäft (Weichert) in Falkenberg zu übernehmen. Der zu Vorwendezeiten ungewöhnliche Schritt in die Selbständigkeit gelingt dort tatsächlich, und so werden Wimmers 1987 Bürger der Eisenbahnerstadt.

Nach der Wende bieten sich zwei Chancen: in Torgau ein Geschäft zu eröffnen und in Jessen ein Geschäftshaus neu zu bauen. Viele Jessener erinnern sich noch an das "Bauwunder" in der Langen Straße. "Innerhalb von nur drei Wochen hatten wir die Baugenehmigung - nicht zuletzt durch die Unterstützung von Bürgermeister Dietmar Brettschneider und seinen Mitarbeitern", blickt Detlef Wimmer dankbar zurück. Aufgrund ihres überzeugenden Geschäftskonzeptes gibt es bei der Bewilligung des Kredits keine Probleme. Das Gebäude wird in nur fünf Monaten hochgezogen und das Geschäft im November 1991 eingerichtet. Ein Traum hat seinen Raum gefunden - und wird fortan mit Leben erfüllt. "Lehrgeld" haben Wimmers allerdings auch bezahlt, denn der Laden in Torgau läuft nicht so erfolgreich und wird abgegeben.

Der Bedarf nach Film- und Fotoentwicklung ist in den ersten zehn bis 15 Jahren riesig. Zunehmend gibt es Aufträge zu Familien-, Firmen- und Vereinsfeiern. Das Team wächst bis auf fünf Mitarbeiter an. Nacheinander werden vier Lehrlinge ausgebildet. Jetzt absolviert Anne Komm ihre Lehrzeit im Geschäft. Jenny Güntsch erhält 2007 sogar die Auszeichnung als "Bester Lehrling von Sachsen-Anhalt" im kaufmännischen Bereich.

Während die Digitaltechnik immer mehr den Markt erobert, geht die Filmentwicklung drastisch zurück. "Wir machen das weiterhin für Kunden, die sich von ihrer alten Kamera nicht trennen möchten. Doch müssen wenigstens zwei Filme im Labor sein, sonst lohnt sich das Ansetzen der Chemie nicht", beschreibt Detlef Wimmer den krassen Wandel. In den ersten 15 Jahren nach der Wende waren oft an die hundert Filme täglich zu entwickeln. Insgesamt wurden in dieser Zeit mehr als 500 000 Fotoabzüge hergestellt. Mit einem "Minilab" (Minilabor), in das Wimmers vor Jahren kräftig investierten, hatten sie zudem Pech. "Die Technik hielt nicht mal fünf Jahre durch und musste 2007 verschrottet werden, zumal auch der Hersteller pleite ging", erzählt Detlef Wimmer. "Ständige Investitionen sind notwendig, um am Markt zu bleiben. Deshalb haben wir uns die große HD-Videokamera angeschafft", sagt er und zeigt auf das Highlight im Laden. Hochwertige Filmaufnahmen für Firmen, bei Volks-, Familien- und Vereinsfesten sind damit möglich. Angelika Wimmer widmet sich nach wie vor viel lieber der Fotografie.

Die Arbeitsteilung funktioniert auch bei anderen Aufträgen. "Kommt jemand mit alten Fotos, die zu restaurieren sind, reibt sich mein Mann die Hände und ist vom Computer nicht mehr wegzukriegen", beschreibt Angelika Wimmer. Die neue Technik verlange jedoch auch ständige Weiterbildung. "Wir sind oft auf Messen und Workshops. Auf den Niederbayrischen Fototagen treffen wir zum Beispiel viele Kollegen. Die Gespräche sind eine wahre Ideen-Börse." Ein bisschen Wehmut nach den "alten Zeiten" schwingt mit. "Jede Neuerung kostete im Geschäft einen Arbeitsplatz. Anders ging es leider nicht", bedauert Angelika Wimmer.

In der Branche zählt neben der Professionalität vor allem Schnelligkeit. Wochenenden werden zu Arbeitstagen und Feierabendstunden ziemlich knapp. Trotz allem scheint es beiden damit gut zu gehen. Das mag wohl auch daran liegen, dass sie mehr als ein Hobby miteinander teilen. Etwa das Tanzen bei der "Kessen Sohle". Auch wenn der Altberliner Tanzkreis heute nicht mehr allzu oft auftritt, so verbindet seine Mitglieder noch immer enge Freundschaft.

Ein anderes Hobby heißt "Paul I." Wer ins Foto-Geschäft kommt, muss damit rechnen, zuerst seine kleine Hundeschnauze am Bein zu spüren. Der Cairn-Terrier ist mittlerweile der vierte seiner Art, der die Wimmers im Laufe der Jahrzehnte überall hin begleitet. "Ohne Hund geht es einfach nicht", sagen beide wie auf Kommando - und streichen dem Wuschel liebevoll übers Fell.

Besonderes Geburtstagsgeschenk

Ein anderes Hobby, insbesondere von Detlef Wimmer, trägt wohl zum Familien- und Geschäftsglück bei. Es hat vier Räder, sieht fast aus wie ein Formel-1-Rennwagen aus den 50er Jahren, heißt "Lomax 224" und zieht mit seiner urigen Form alle Blicke auf sich. "Das Unikum durfte sich mein Mann zum 60. Geburtstag anschaffen, aber nur mit der Bedingung, dass es auch als Foto-Kulisse genutzt wird", erzählt Angelika Wimmer schmunzelnd.

Eine Hoffnung hat das Ehepaar aufgegeben: "Wir hätten gern unserem Sohn und seiner Frau das Geschäft übergeben, doch beide leben in Heidelberg, haben andere Zukunftspläne. Das ist auch okay so, zumal sie uns zwei tolle Enkelkinder geschenkt haben", berichtet "Opa Detlef" stolz.

Die Wimmers sind in ihrer Arbeit und mit sich selbst jung geblieben. An den Ruhestand denken beide noch nicht ernsthaft. "Und wenn es mal soweit ist, dann wird sich eine Lösung finden."