Jessen Jessen: Darf Amt Luftbilder von privaten Grundstücken machen?

Jessen - Wenn im Zeitalter der E-Mail Post im Briefkasten liegt, dann ist es zumeist entweder eine Rechnung oder ein Behördenschreiben. Eines letzterer Art erschreckte unlängst eine Jessener Familie schon gehörig. Denn da teilte das Landesamt für Vermessung und Geoinformation mit, dass „anhand von Luftbildern“ auf ihrem Grundstück „eine Veränderung des Gebäudebestandes festgestellt worden“ sei, die auch anhand der Bildausschnitte gekennzeichnet war. Es folgt der Verweis, dass Grundstückseigentümer verpflichtet seien, „die Aufnahme geänderter Gebäudebestandteile in das Liegenschaftskataster zu veranlassen“. Kostenpflichtig natürlich. Die Eigentümer sollten eine beiliegende Bewertungsliste ausfüllen, um die Veränderung auf dem Grundstück zu charakterisieren.
Im ersten Moment erschrocken
„Wir waren im ersten Moment schon erschrocken“, gesteht der Hausherr des hübschen Grundstückes in der Arnsdorfer Straße, „und haben die Fragebogen auch gleich ausgefüllt und zurückgeschickt.“ Gleichzeitig fragen er und seine Frau sich aber auch: „Können die so einfach unsere Grundstücke überfliegen und fotografieren? Das sind doch eigenartige Methoden.“
Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation hat die Aufgabe ein umfassendes System mit allen grundlegenden Geodaten des Landes vorzuhalten und zu pflegen. Dazu gehören laut seiner Internetseite die Geotopographie, Liegenschaften und die Grundstückswertermittlung. Die Landesdaten fließen in eine Geodaten-Infrastruktur der gesamten Bundesrepublik ein. Das haben die Innenminister der Länder so beschlossen. Teil dieser Geodaten-Infrastruktur ist ein Informationsnetzwerk, das zum Teil auch öffentlich zugänglich ist. Vermessung, Liegenschaftskataster, Bodenordnung und Wertermittlung sind Komponenten des Systems.
Zumal er dann in seinem Garten zeigt: „Die beiden ,Bauwerke‘, die man auf den Fotos gekennzeichnet hat, ist ein einfaches Vordach am Nebengebäude und ein Dach über einer Sitzgruppe, beides lediglich aus Rohrgestellen geschweißt und mit Wellpolyester bedeckt. Das sind doch keine festen Bauwerke. Und außerdem bestehen die schon seit DDR-Zeiten.“ Zuerst hätten er und seine Frau gedacht, das Vermessungsschreiben käme wegen der Gasleitung, die im kommenden Jahr vor der Tür verlegt werden solle. Doch das war es nicht. Und weil auch andere Jessener solche Schreiben des Landesamtes oder seiner Außenstelle in Dessau-Roßlau erhalten haben mögen, wandte sich die Familie an die MZ-Redaktion, um für Aufklärung zu sorgen.
Für Peter Porstendörfer, den Präsidenten des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation Magdeburg, liegt die Sache jedoch klar. Das Amt darf die privaten Grundstücke überfliegen (lassen). „Eine unserer Aufgaben ist, eine Liegenschaftskarte des Landes vorzuhalten“, erklärt er. Die existiert nun in digitaler Form. Das Vermessungsgesetz bestimme, dass bauliche Veränderungen auf den Grundstücken einzumessen sind. Und dies koste natürlich den Grundstücksbesitzer entsprechende Gebühren. Normalerweise, so ergänzt der Amtspräsident, ist das Sache der Grundstückseigentümer. „Das weiß aber kaum jemand.“ Früher sei einfach ein Vermessungstrupp losgezogen und hat sich umgeschaut. „Nun können wir zwar über die Zäune gucken, aber nicht ohne Voranmeldung die Grundstücke betreten“, merkt Porstendörfer an. Sich anzumelden wäre wiederum ein Riesenaufwand. „Deshalb sehen wir eben nicht, was sich hinter den Häusern getan hat“, so der Chef der Vermesser im Land. Seit zwei Jahren gebe es daher die Überflüge, bei denen die Luftaufnahmen entstehen, die dann im Landesamt ausgewertet werden. Und wo sich vermeintliche Bauten auf den Bildern zeigen, die auf Vergleichskarten noch nicht existieren, werden die Grundstücksbesitzer eben angeschrieben mit der Aufforderung, die auf den Bildern sichtbaren „Bauten“ zu erklären.
DDR-Bauten bleiben unberührt
Doch im gleichen Atemzug beruhigt Porstendörfer. „Wenn sich aus den beantworteten Fragebögen ergibt, dass es sich um Bauten aus DDR-Zeiten handelt, dann ist die Sache für die Besitzer doch schon erledigt“, erklärt der Mann aus Magdeburg. Und selbst wenn es sich um ein Gebäude handele, das nach dem Gesetz noch nachträglich einzumessen sei, gehe das in der Regel mit Gebühren im unteren dreistelligen Bereich ab, je nach Größe. Was die Jessener Familie nun erlebte, sei keine neue Aktion, „das haben wir schon vorher gemacht“. Er geht sogar davon aus, dass ein großer Prozentsatz der Angeschriebenen nicht unter die Vermessungspflicht fallen werde.
Für die Jessener Familie hat sich die Sache übrigens recht schnell geklärt. Die auf den Fotos markierten und zu erklärenden Bauwerke - das Vordach und das Sitzeckendach - „erfüllen (...) nicht die Eigenschaft eines Gebäudes“ im Sinne des Vermessungsgesetzes. Erlöst aufgeatmet hat das Paar dann schon. (mz)