Jessen Jessen: Bildung durch Bewegung im Hengstenberg-Raum
JESSEN/MZ. - Was aber wohl viele Eltern - ausgenommen jene, deren Nachwuchs das Kunterbunt-Haus besucht - nicht wissen: Die Einrichtung besitzt - als "Schmankerl der bewegungsorientierten Arbeit", wie deren Leiterin Doris Eßberger es formuliert - einen so genannten Hengstenberg-Raum.
In diesem speziellen Turnraum, einem von zweien in der Kita, werden bei Mädchen und Jungen über eine anregungsreiche Umgebung, sprich ein entsprechendes Spielgeräte-Angebot, Selbstbildungsprozesse unterstützt. Zunutze macht man sich dabei Konzepte, die auf Elfriede Hengstenberg und Emmi Piker zurückgehen. Als Motto gibt Doris Eßberger den Satz vor: "Man kommt nur vorwärts, wenn man sich bewegt!" Dessen Doppelsinn, das Von-der-Stelle-Kommen durch Bewegung und die durch Bewegung unterstützte Bildung fürs Leben, erschließt sich jedem, der einer Turnstunde in dem Hengstenberg-Raum beiwohnt.
Anders als in üblichen Turnstunden gibt es hier (fast) keine Anleitung für den Nachwuchs. Jedes Kind nimmt die Motivation für sein Tun aus sich selbst, Eigeninitiative ist der Motor. "Die Kinder können alle Entscheidungen selbst treffen", erklärt Doris Eßberger und zählt auf: "Was sie in ihrer freien Spielzeit tun, wann, also in welcher Reihenfolge, mit wem, wie oft und welche konkreten Bewegungen an den Geräten ausgeführt werden." Die Pädagogen wollen damit beitragen, eine Grundlage zu schaffen für ein "lebenslanges Lernen voller Lust und Spannung".
Der Hengstenberg-Raum befindet sich im Keller vom Kunterbunt-Haus. Er ist mit Teppichen ausgelegt, die Mädchen und Jungen bewegen sich darauf barfuß. Die zur Verfügung gestellten Gerätschaften bestehen aus naturbelassenem Holz heimischer Wälder, kommen von den Wolfshagener Hütten und haben ihren Preis. Ihre Anschaffung war nur unter Nutzung verschiedener Fördertöpfe möglich. Zur Basis-Ausstattung gehören zwei Kippelscheiben (eine große für bis zu vier Kinder und eine kleine) zum Ausbalancieren, ein Balancier- und Klettergestell (zum Beispiel fürs beliebte "Schweinebaumeln"), zwei Spielleitern (eine hohe, eine niedrigere), ein Rutsch- und Kippelbrett, eine Mittelholmleiter, eine Hühnerleiter, diverse Vierkant- und Kippelhölzer, Spielhocker und eine doppelte Balancierstange. Die Einzelteile lassen sich natürlich auch verschieden miteinander kombinieren.
Obwohl in dem Hengstenberg-Raum selbstbestimmtes Spielen angesagt ist, gelten dennoch einige, wenn auch einfache Regeln: Das barfuß Laufen gehört dazu - "dadurch sollen die Wahrnehmungen gesteigert und die Reflexzonen angeregt werden", sagt Doris Eßberger. Beim Üben kann sich jedes Kind nach Belieben Zeit lassen. Aber auch den anderen Mädchen und Jungen muss ausreichend Zeit und Raum zum Nutzen der Geräte eingeräumt werden - "dafür sind Absprachen untereinander nötig", macht die Kita-Leiterin aufmerksam. Und jeder Steppke geht nur solche Übungen an, die er sich allein zutraut. "Der Nachwuchs wird dadurch stabiler und selbstsicherer", beschreibt Doris Eßberger die Wirkung, "und die Haltung verbessert sich sichtbar". Auch betont sie dass es förderliche Verbindungen von Bewegung zu Sprache, Musik und Rhythmusgefühl gibt.