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Firmenjubiläum beim Autohaus Gottwald Firmenjubiläum beim Autohaus Gottwald: Ohne Auto? Geht nicht!

Von Evelyn Jochade 25.11.2018, 09:34
Zwei Unternehmergenerationen: Juniorchef Jürgen Gottwald mit seinen Eltern Günter und Brigitte. Sie posieren vor einem historischen Modell der Marke, das im Ausstellungsraum zu bewundern ist.
Zwei Unternehmergenerationen: Juniorchef Jürgen Gottwald mit seinen Eltern Günter und Brigitte. Sie posieren vor einem historischen Modell der Marke, das im Ausstellungsraum zu bewundern ist. Evelyn Jochade

Jessen - Es sind sein Optimismus und sein Gottvertrauen, die beeindrucken. Günter Gottwald, Seniorchef des gleichnamigen Autohauses in Jessen, welches erst kürzlich sein 50. Geschäftsjubiläum feierte, wurden nicht wenige Ehrungen zuteil. So auf der Festveranstaltung zum Firmenjubiläum mit langjährigen Vertragspartnern, Wegbegleitern und Dienstleistern, wo Bürgermeister Michael Jahn (SPD) Günter Gottwald den Ehrenbecher der Stadt Jessen überreichte.

Eine Wertschätzung, die der agile 77-Jährige eher als Ansporn sieht, sich nicht etwa auf das Altenteil zurück zu ziehen. Er will weiter fleißig „mitmischen“, sich engagieren für die Stadt, für die mittelständischen Unternehmen und natürlich für seinen Betrieb.

In Klöden gelernt

Auf einer Ausstellungsfläche von über zehntausend Quadratmetern präsentiert die Firma heute eine breite Palette von Ausstellungs- und Vorführwagen. Zuverlässigkeit und die Qualität der Arbeit loben viele Kunden des Autohauses.

Dabei meinte es das Schicksal mit Gottwald und seinem Bruder nicht gerade gut. Als Halbwaise lernte er früh, wie wichtig die Gemeinschaft der Familie ist und hat noch heute die mahnenden Worte von Mutter und den Onkels im Ohr: „Macht unserem Namen keine Schande!“ Nach dem Berufsabschluss erhielt der Geselle eine erste Anstellung bei der MAS-Station (Maschinenausleihstation) in Klöden.

Nebenher jobbte der an Kfz-Technik interessierte Günter in einer kleinen Schweinitzer Werkstatt und der Zufall wollte es, dass dort der alte Handwerksmeister, offenbar beeindruckt von seiner Leistung, ihm deren Übernahme anbot. Gottwald griff zu und entgegen aller Unkenrufe der Berufskollegen, „Der mit seiner Krauterei geht sowieso bald kaputt...“, erreichte er mit der Reparatur von Stoßdämpfern für Pkw und Lkw eine sichere und standfeste Geschäftsgrundlage.

Inzwischen hatte er - seit Juli 1968 - den Meisterbrief in der Tasche und war wenige Monate später in die Handwerksrolle eingetragen worden. Es sprach sich in der kleinen DDR herum, hier wird Qualitätsarbeit geleistet und von überall her kamen die Handwerksmeister, um in Schweinitz ihre Stoßdämpfer reparieren zu lassen. Folgerichtig bekam die Firma den „Regenerierungsvertrag vom Imperhandel Berlin für Saporoshez-Autos“. Wie aber kam nun die Liebe zur Marke Ford zustande?

Erneut mischte der Zufall die Karten. Ein Kunde aus Sachsen hatte die Berechtigung kaputte oder Unfallfahrzeuge dieser Marke zur Ersatzteilgewinnung zu erwerben. Mit viel Geschick und der Hilfe dieses Meisters baute sich Gottwald seinen ersten Ford zusammen. Aus einem 53er Baujahr wurde ein Ford Taunus Baujahr 1973, der auch heute noch des Öfteren im Ausstellungsraum des Autohauses zu bewundern ist.

Wende bringt Neuanfang

Waren die Grenzen damals eng gesteckt, so kam die Wende für den Handwerksmeister einer persönlichen Befreiung gleich. „Ford war meine Automarke“, wird er später in seinem Lebensbericht schreiben. Doch der Weg, zum Händler-Vertrag war steinig. Hilfe kam - wieder rein zufällig - von einem Autohaus aus Mosbach in Baden-Württemberg. Dessen Chef bezeichnete die vielfältigen Hilfestellungen als seinen „Beitrag zur Einheit“.

Wenn Günter Gottwald heute über diesen Moment spricht, bekommt seine Stimme einen besonderen Klang. Und Gottwalds packten an: Aus einer alten Scheune in Schweinitz wurde eine Werkstatt mit vier Arbeitsplätzen geschaffen und Sohn Jürgen fuhr jede Woche nach Mosbach, um Ersatzteile und Reparaturanweisungen zu holen. Die Geschäftstätigkeit basierte damals auf der Reparatur und dem Verkauf von Jahreswagen der Werksmitarbeiter „ihrer“ Automarke.

1992, endlich war der Händlervertrag unter Dach und Fach, fiel die Entscheidung, zu bauen. 1993 wurden mit Unterstützung der Stadt Jessen alle Formalitäten für den Kauf des Grundstückes der ehemaligen Russenkaserne erledigt. Nicht immer rannten Gottwalds mit ihrem Anliegen offene Türen ein. Als der heutige Seniorchef beim Bauamt die Zufahrt zu seinem Neubau von der Bundesstraße 187 verwehrt werden und dafür die Anfahrt über die Bahnhofstraße erfolgen sollte, wurde er deutlich: „Sie könnten als Bremsklotz bei der Bahn arbeiten!“

Letztlich entschied der damalige Jessener Bürgermeister für den direkten Anschluss an die B 187. 1995 zog der Betrieb ins neue Autohaus. Seither ist der Kundenstamm ständig gestiegen, betont der Inhaber. Das unternehmerische Risiko hat sich also gelohnt. Dennoch ist die Atmosphäre im Autohaus so, wie es in einem Handwerksbetrieb sein sollte. Fachlich kompetent im Anspruch und ansonsten familiär freundlich.

Gute Seele im Geschäft

Im kommenden Frühjahr plant das Autohaus eine Kundenveranstaltung. Der Betrieb hat heute über 30 Mitarbeiter. Daran hat Brigitte Gottwald einen erheblichen Anteil. „Meine Frau“, so der Chef, „hat immer aufs Geld aufgepasst“. Das sei wichtig, denn so ein Betrieb ist wie ein rohes Ei. Es kann an jeder Stelle knacken.

Dass so etwas eben nicht passiert, dafür sorgt neben den vom Senior sehr geschätzten Mitarbeitern auch der Sohn und Juniorchef Jürgen Gottwald. Hier ist die Nachfolge geregelt und das Lebenswerk von Günter Gottwald in guten Händen. „Autos werden immer fahren“, schätzt Letzerer ein. „Und die, die wir heute verkaufen, werden wir noch in zehn Jahren reparieren. Wir strengen uns an, dass uns die Fahrer die Treue halten. Allen Horrorszenarien zum Trotz wollen und können doch die Menschen im ländlichen Raum nicht ohne Auto leben“. (mz)