Das Problem mit dem Problem Das Problem mit dem Problem: Mückenplage auch 2014?

Jessen/Wittenberg/MZ - Sie sirren noch, sie stechen noch, sie nerven noch - wenn auch nicht mehr in den Mannschaftsstärken von Juni und Juli, so sind doch auch jetzt noch die Mücken zahlreich unterwegs. Für flächendeckende Kampagnen ist es in dieser Saison längst zu spät. So rückt das nächste Jahr in den Blick. Wird schon das kleinste Hochwasser die abgelegten Eier zum Schlüpfen bringen? Die Anrainer entlang der Elbe und der Schwarzer Elster befürchten dies. Dazu mischt sich die Vermutung, dass das Mückenproblem von Politik und Verwaltungen nicht ernst genommen wird. Diesen Eindruck haben auch Jessener wiederholt gewonnen.
Die Wittenbergerin Kerstin Thaens gehört zu den Zweiflern. Sie wollte mehrfach von der Wittenberger Stadtverwaltung wissen, wie die künftigen Mückenplagen begegnen will. Der Konjunktiv in den Antwortschreiben, dass es einer „regionalen Abstimmung und politischen Entscheidung bedürfte“, lässt sie befürchten, dass die Mücken einfach „ausgesessen“ werden.
Mitte Juli war die Mückenplage Diskussionsthema im Landtag. Dort verständigte man sich darauf, eine Anschubfinanzierung für ein kommunales Bündnis zur Mückenbekämpfung - ähnlich wie es am Oberrhein existiert - zu geben. Mehr als vier Wochen später ist neben diesem Bekenntnis nicht viel geschehen. „Die Kommunalen Spitzenverbände in Sachsen-Anhalt wurden darum gebeten, das weitere Vorgehen zu beraten und dem MLU mitzuteilen, ob sie die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft ähnlich der in Süddeutschland anstreben“, heißt es aus dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. Darüber hinaus, so Jeanette Tandel, Vize-Pressesprecherin des Ministeriums, habe man sich mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung fachliche Unterstützung geholt, das Thema aufgearbeitet und den Bürgern im Internet zur Verfügung gestellt. Dort wird vor allem erklärt, warum es wenig Sinn macht, aktuell die Mücken oder deren Larven zu bekämpfen. „Individuelle Schutzmaßnahmen stehen gegenwärtig im Mittelpunkt“, heißt es. Über das weitere Vorgehen werden keine Aussagen gemacht.
Wegen Sommerpause noch keine Gespräche
Dafür sei es noch zu früh, findet Michael Struckmeier, stellvertretender Geschäftsführer des Landkreistages. „Wegen der Sommerpause haben wir noch nicht darüber gesprochen.“ Anfang September wolle man in die Gespräche gehen. Die werden sich erst einmal um eine Bestandsaufnahme drehen, also um ein Mücken-Monitoring. So etwas betreibt Dessau-Roßlau seit zwei Jahren und eigentlich sollten auch die Landkreise Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld in diese Erforschung über das Aufkommen der Mücken einbezogen werden. Dies unterblieb jedoch, weil sich damals die Landkreise nicht an eine Zusage für eine finanzielle Beteiligung hielten. Gelegenheit, es besser zu machen, gibt es jetzt. „Dieses Monitoring wird von Stadtrats- und Kreistagsmitglied Joachim Richter angeregt und in den Kreistag eingebracht“, schreibt die Stadt an Kerstin Thaens. Tatsächlich forciert Richter seit längerer Zeit die Diskussion um den Mückenschutz im Kreis. Der Erfolg seiner Sponsorensuche hielt sich allerdings in Grenzen. Nun soll sich die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises gemeinsam mit Dessau-Roßlau und Anhalt- Bitterfeld der Sache annehmen. So zumindest habe er es der Stadtverwaltung mitgeteilt. Die wiederum hat Anfragen der MZ - genauso wie der Landkreis - bis gestern nicht beantwortet.
„Auf Landesebene müssen wir erst einmal diskutieren, ob wir überhaupt ein Mückenproblem haben“, meint Michael Struckmeier. Würden alarmierende Mückenzahlen irgendwann ein Eingreifen erforderlich machen, dann müsse man dafür eine Rechtsgrundlage schaffen. Das klingt tatsächlich nach vielen Jahren Entfaltungsfreiheit für die Mücken. Aber immerhin weiß Struckmeier schon eines: „Wenn das Land sagt, die Kommunen sollen hier eine neue Aufgabe übernehmen, dann muss das Land dafür auch das Geld bereitstellen.“
Das wird es freilich nur tun, wenn die Mücke zur Gefahr für den Menschen wird. Bis dahin gilt: „Großflächige Bekämpfungsmaßnahmen müssen von den jeweiligen Gemeinden (...) finanziert werden“, heißt es vom Umweltbundesamt (UBA). Das könnte freilich eine der ersten Institutionen sein, die Hiobsbotschaften über neue Mückenarten verkündet. Seit Herbst 2011 gibt es an der Uni Oldenburg das Projekt UBA-Stechmücken. „Klimawandel und Verbreitung krankheitsübertragender Tiere (Mücken): Untersuchung der Importwege invasiver Stechmücken“ lautet der sperrige Titel. Mehrere Partner forschen noch bis März 2014 und verkündeten erst Ende Juli, dass die asiatische Buschmücke im Raum Hannover auf dem Vormarsch sei. Fast zeitgleich kam in Brandenburg der Wurm Dirofilaria repens ins Spiel, den Wissenschaftler des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin unter der Haut von Hunden entdeckten. Ob auch in Sachsen-Anhalt exotische Mückenarten leben, könnte das Monitoring beantworten, wenn es denn mit einer gewissen Ernsthaftigkeit auf den Weg gebracht wird. Bekämpft wäre damit noch keine einzige Mücke.
Informationen des Landes gibt es unter www.verbraucherschutz.sachsen-anhalt.de nachzulesen.