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Tradition in Friesdorf Tradition in Friesdorf: Erbsbär erobert die Herzen

Von Susann Salzmann 11.01.2015, 22:39
Erbsbär Matthias Helbing lässt sich von Alois, Mathilda und Moritz am Fell zupfen.
Erbsbär Matthias Helbing lässt sich von Alois, Mathilda und Moritz am Fell zupfen. Susann Salzmann Lizenz

Friesdorf - Was macht der Erbsbär kurz vor Beginn des eigentlichen Umzuges auf der Ladefläche eines kleines Transporters sitzend? Ja, richtig. Er wird zu seinem Einsatzort gefahren. Lauf- und tanzfaul sei der Bär, unter dessen rund 20 Kilogramm schwerem Erbsstrohfell sich diesmal Matthias Helbing verbirgt, jedoch nicht. Für das erste Ständchen des Tages verlässt eine dreiköpfige Autokarawane Friesdorf und fährt ins benachbarte Rammelburg. „Unsere neue Bürgermeisterin wohnt hier“, begründet Mit-Organisator Peter Miosge die kurze Stippvisite in der Gemeinde. In der Dorfmitte kommen die Fahrzeuge zum Stehen – umringt von einer neugierig dreinschauenden Besucherschar öffnet sich die Heckklappe des Transporters, in dem Helbing in seiner Verkleidung selbst halb liegend insbesondere bei den kleinen Kindern einen starken Eindruck hinterlässt.

Von Hals bis Knöchel trägt er das Erbsstroh am Körper, eine „Leihgabe“ vom Braunschwendaer Bär. Die Bündel sorgsam mit Sacknadeln an einer darunter getragenen Arbeitskombi angenäht. Das allein hat bestimmt schon anderthalb Stunden gedauert, erinnert sich Karin Scharwey, die neu gewählte Ortsbürgermeisterin, die bei der bärigen Vorbereitungsprozedur mitgeholfen hat.. „Das Anziehen war dann kein Problem mehr, hat etwa zehn Minuten gedauert“, sagt der 40-jährige Helbing, der sich in diesem Jahr freiwillig zum Erbsbärdienst verpflichtet hat. Warum? „Weil ich schon bei allem mitgemacht habe“, erzählt der Friesdorfer. Seit Sonntag kann er sich nun auch dieser ehrenhaften Rolle rühmen.

Was verstehen die Friesdorfer unter „gebengelt“?

Die Burschen des Heimatvereins in Friesdorf organisieren das Groß-Neujahr, darüber hinaus aber auch ein Sommerfest. Vor Jahren ist das Heimatfest als kultureller Höhepunkt im kleinen Ort im Wippertal weggebrochen. Doch mit den etwa 20 Mitgliedern des Vereins soll versucht werden, wieder mehr Kultur in den Mansfelder Ortsteil zu bringen. An einer Wiederbelebung des Heimatfestes wird gearbeitet. (susa)

Erbsbär werden kann grundsätzlich noch lange nicht jeder. So müsse der ausgewählte Kandidat immer noch unverheiratet und „gebengelt“ sein, benennt Miosge die Regeln, an die sich nach besten Wissen und Gewissen gehalten werde. Was die Friesdorfer unter „gebengelt“ verstehen? Einerseits, dass den Gemeindemitgliedern natürlich nur ein Ortsansässiger - liebend gern auch die frisch Hinzugezogenen – ins Bärenkostüm schlüpfen darf. Andererseits muss der Strohträger in seiner Jugend Konfirmation oder Jugendweihe begangen haben. Selbstredend, dass Helbing die Anforderungen erfüllt. In kleinen Schritten bahnt sich der Bär mit Bärenfänger Marcus Wiederhold seinen Weg zu acht Familien im Ort. Seine Tanzkünste hält Helbing dabei allerdings noch unter Verschluss.

Die werden erst auf dem Saal präsentiert. Und auch nicht mit jemand Beliebigem, sondern mit André Rickert, der Hexe unter den Umzugsteilnehmern, die sich schon hier nicht allzu weit von ihrem bärigen Tanzpartner entfernt. Das ist auch gut so, denn der Erbsbär erobert im Sturm die Herzen des weiblichen Gefolges, das von Straße zu Straße immer mehr wird. Die vierjährige Mathilda gehört zu diesem Gefolge. Ehrfürchtig blickt sie zu dem Bären auf, zupft kurz am strohernen Fell und weicht zurück. Ihre Brüder Alois (9) und Moritz (8) haben hier weniger Berührungsängste und finden die Tradition übereinstimmend „sehr cool“. Dafür würde Moritz auch gern zum waschechten Friesdorfer. Sicher könnte man so eine Tradition auch in Wippra auf die Beine stellen, wünschen sich deren Eltern Mandy und Daniel Wölfer. Sie zählen beim Umzug bereits zu den Stammbesuchern. (mz)

Viele Zaungäste verfolgten den Umzug durch den Ort.
Viele Zaungäste verfolgten den Umzug durch den Ort.
S. Salzmann Lizenz