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Zeitzeuge vom Flugzeugabsturz 1944 Zeitzeuge vom Flugzeugabsturz 1944: "Plötzlich habe ich einen Feuerball gesehen"

Von Oliver Müller-Lorey 17.11.2019, 07:00
Die B-24-Bomber wurden im Zweiten Weltkrieg von Amerikanern und den Briten eingesetzt. Die Wrackteile könnten zu so einem Typ gehören.
Die B-24-Bomber wurden im Zweiten Weltkrieg von Amerikanern und den Briten eingesetzt. Die Wrackteile könnten zu so einem Typ gehören. dpa

Halle (Saale) - Es ist ein sonniger Mittag im Mai 1944, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, als Günter Schwarz aus dem Keller seines Elternhauses auf den Böllberger Weg tritt. Die Fliegeralarmsirenen heulen noch, aber der neunjährige Junge ist neugierig und blickt den alliierten Bombern hinterher, die ihre tödliche Ladung in wenigen Minuten über den Leunawerken abwerfen werden. Da passiert etwas Ungewöhnliches.

„Plötzlich habe ich einen Feuerball an einem der Flugzeuge gesehen und einen Soldaten, der an einem Fallschirm in Richtung Boden glitt. Eine Flak muss das Flugzeug getroffen haben“, erinnert sich Schwarz, heute 83 Jahre alt.

Gehört der Schrott zu dem Flugzeug, das er vor 75 Jahren hat abstürzen sehen?

Als er in der Zeitung über die aufwendige Suche und Bergung von Trümmerteilen aus der Saale in Höhe Röpzig liest, durchfährt es ihn. Gehört der Schrott zu dem Flugzeug, das er vor 75 Jahren hat abstürzen sehen? Tagelang hatten Experten mit Tauchern und modernen Instrumenten den Boden der Saale abgesucht und immer wieder Gegenstände gefunden, die zu einem B-24-Bomber, einem von den Amerikanern und Briten eingesetzten Flugzeug, gehören könnten.

Sicher ist das aber noch nicht. Wie Konstantin Carlo Heidrich, Außenbezirksleiter im Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, sagt, warte man derzeit darauf, dass ein Experte die gefundenen Aluminiumteile untersucht. Dass es sich um militärisches Material handelt, will er nicht ausschließen.

Beste Chancen auf die größten Splitter

Bombenangriffe in der Nähe von Halle habe es in den letzten Kriegsmonaten oft gegeben, erinnert sich Schwarz. „Die sind Tag und Nacht geflogen. Sie kamen aus Richtung Harz über Holleben und nahmen dann Kurs auf Leuna und Buna.“ In Halle seien nur selten Bomben abgeworfen worden. Trotzdem mussten er, seine Cousine und die Eltern bei Fliegeralarm in den Keller.

„Ich war aber immer einer der ersten, der wieder auf der Straße war. Denn wir haben die Granatsplitter der Flakgeschütze gesammelt und untereinander getauscht“, so Schwarz. Wer als erstes wieder an der Luft war, hatte die besten Chancen auf die größten Splitter.

„Einer erzählte mir, dass sein Opa den Soldaten damals festgenommen hat.“

Eigentlich hätten die Flugabwehrgeschütze, die nur in etwa 8.000 Meter Höhe feuerten, die Bomber in mehr als zehn Kilometern Höhe jedoch gar nicht treffen können. Es wundere ihn heute noch, dass eines der Flugzeuge dennoch getroffen wurde - vermutlich von einer Flak, die damals am Pfingstanger stand.

Wie es mit dem Piloten weiterging, der sich wohl als einziger der Besatzung mit dem Fallschirm retten konnte, blieb auch für Schwarz jahrzehntelang unklar. Bis zu einem gemütlichen Abend, als Schwarz, der ein Motorboot an der Saale liegen hatte, mit anderen Skippern zusammensaß und ins Gespräch kam. „Einer erzählte mir, dass sein Opa den Soldaten damals festgenommen hat.“ Es soll sich um den Inhaber eines Lebensmittelgeschäftes gehandelt haben, der in Böllberg und Wörmlitz bekannt war.

Chancen stehen gut, die Teile zuzuordnen, sobald Untersuchungen abgeschlossen sind

Weil er in der sogenannten Technischen Nothilfe, einem Vorgänger des THW aktiv war, soll er sich wohl berufen gefühlt haben, den Soldaten festzunehmen. „Angeblich schliff dieser Opa den Soldaten, es war ein Dunkelhäutiger, noch durch zwei Kneipen und nötigte ihn, einen Schnaps mit zu trinken, bevor er ihn auslieferte“, habe Schwarz von seinem Skipper-Kollegen gehört.

Wie viel von dieser Geschichte wahr ist - das wird wohl unklar bleiben. Anders als die Frage, ob es sich bei den gefundenen Teilen in der Saale tatsächlich um einen Bomber handelt. Die Chancen stehen gut, die Teile zuzuordnen, sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind. (mz)

Günter Schwarz erinnert sich noch an den Tag, als ein Flugzeug im Krieg über Halle abgeschossen wurde. Ist das Wrack nun wieder aufgetaucht?
Günter Schwarz erinnert sich noch an den Tag, als ein Flugzeug im Krieg über Halle abgeschossen wurde. Ist das Wrack nun wieder aufgetaucht?
Silvio Kison