Handwerksluft schnuppern Wie läuft ein vergütetes Praktikum in Halle ab - zwei Schüler berichten
In Sachsen-Anhalt können Schüler vergütete Praktika in den Ferien absolvieren. Zwei hallesche Praktikanten berichten, wie es in ihren Betrieben läuft.
Halle (Saale)/MZ - Nick Zurl wählt die passende, fingerdicke Stahlplatte. Eine Weile ist er mit dem Zuschnitt beschäftigt, ehe er anreißt, den 25-Millimeter-Bohrer in die Platte senkt und schließlich noch ein Gewinde ins Bohrloch schneidet. Der 16-Jährige stellt im Familien-Metallbaubetrieb in der Triftstraße Bauteile für ein Maschinen-Untergerüst her.
Ferien? Ärmel hoch!
Nächste Woche startet für Nick die 10. Klasse an der Sekundarschule Am Fliederweg. Noch ist er aber Ferienpraktikant im Handwerk. Über die Handwerkskammer Halle ist es nämlich möglich, als Schüler oder Schülerin ein vergütetes Praktikum zu absolvieren. 120 Euro bekommt Nick pro Woche, finanziert aus Mitteln des Landes Sachsen-Anhalt. Für Nick eine gute Chance, die Arbeit im Familien-Metallbaubetrieb seines Großvaters Reinhard Zurl neu zu erfahren. „Ich habe immer schon ausgeholfen“, erzählt Nick, „aber mehrere Wochen jeden Tag hier zu sein - das ist ein viel intensiveres Kennenlernen.“ Sein Großvater nickt. „Alles ist Routine“, sagt er und berichtet zufrieden, wie der Enkel bei der Fertigung von Bauelementen für Balkongeländer geholfen hat: „Am Anfang musste er noch über jeden Handgriff nachdenken. Aber am Ende ging das schon zack-zack.“
Die Handwerkskammer setzt sich nicht zuletzt mit Blick auf den Nachwuchsmangel im Handwerk für die vergüteten Ferienpraktika ein. Vor Ort in den Betrieben - so das Kalkül - wird man am ehesten von den Tätigkeiten begeistert. Die Vergütung ist ein Anreiz, aber auch eine Erinnerung an den sprichwörtlich goldenen Boden des Handwerks. Zum Ende des Praktikums ist auch Nick sich sicher: „Ich würde gerne eine Ausbildung in Metallbau, Industriemechanik oder Mechatronik machen.“ Mit seiner positiven Reaktion ist er nicht alleine. Insgesamt 202 Praktika kamen in diesen Sommerferien im Gebiet der Handwerkskammer Halle, also dem südlichen Sachsen-Anhalt, zustande. „Mehr als die Hälfte der Jugendlichen möchte den jeweiligen Ausbildungsberuf in Zukunft weiterverfolgen“, sagt Jochen Ritter, Abteilungsleiter für berufliche Bildung an der Handwerkskammer. „Ihren Mitschülern würden alle Praktikanten ein solches Praktikum empfehlen.“ Dabei ist es nicht immer ganz leicht, einen Betrieb zu finden.
Dringend nötige Orientierung
„Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben“, erzählt Sarah Reinhold. „Dabei wollte ich unbedingt ein Praktikum machen.“ Nachdem durch die Pandemie die regulären Praktika an ihrer Schule ausgefallen waren, war sie auf der Suche nach Orientierung. Ein Schuljahr an der Sekundarschule Halle-Süd hat die 16-Jährige noch vor sich, bevor sie ins Berufsleben einsteigt. „Da wollte ich mal ins Handwerk gucken“, sagt sie.
Nachdem ihr in vielen Friseurläden abgesagt wurde, ging es beim Friseur Koegel in der Oleariusstraße ganz einfach. In der zweiten Woche hilft Sarah nun schon bei Zuarbeiten und in der Kundenbetreuung aus. „Wir wollen jungen Leute eine Bühne für ihre Entwicklung geben“, sagt Inhaber Jens Koegel. Der 55-Jährige freut sich über das Interesse, „denn in Corona hat man gesehen, unsere Branche ist Lebenskultur.“
Sarah kann sich eine Ausbildung zur Friseurin gut vorstellen. Entscheiden will sie sich aber erst nach dem nächsten Praktikum als Kindergärtnerin. „Das Gehalt ist schon wichtig“, sagt sie, „aber auch, was mir mehr Spaß macht.“
Auch in den Herbstferien sind vergütete Schülerpraktika möglich. Infos unter: hwkhalle.de/praktikum/