Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ Wie Kicker in Kütten bei Halle gegen Rassismus ankämpfen
Der kleine Verein hat nur überlebt, weil er aktiv Fußballer mit Migrationshintergrund geworben hat. Die Unterstützung der Männer beim Sprachlernen und Job finden gehört mit dazu.
Petersberg/MZ - Es ist kalt, ein paar Flocken fallen - und doch sind die Kicker der LSG Kütten auf dem Platz und laufen sich warm für das Training. „Wegen Corona gab es immer mal wieder Trainingspausen“, bedauert Faiz Ibrahim. „Ich bin froh, dass es jetzt wieder losgeht.“ Der 41-jährige Syrer ist nicht der einzige Spieler, der in einem anderen Land geboren ist. Vielmehr besteht die Fußballmannschaft des kleinen Vereins in der Gemeinde Petersberg aus einem Großteil Migranten, die aus Syrien, Eritrea, Afghanistan und Ghana stammen. „Seit kurzem spielen auch wieder drei junge Leute aus Kütten mit“, freut sich Fahrer, Trainer, Vereinsvorsitzender und Ortsbürgermeister Heinz Pohl.
Neues Team mit 25 Migranten
Die LSG Kütten war 2015 fußballtechnisch am Boden, berichtet Kassenwart Burkhard Klinkwitz. Die Mannschaft war auseinandergefallen. „Da haben wir überlegt, was wir tun können“, sagt er. So entstand die Idee, Migranten zum Kicken einzuladen. „Seit 2015 betreut mein Verein rund 25 Migranten aus mehreren Staaten. Sie spielen bei uns Fußball, werden betreut und unterstützt“, berichtet Klinkwitz stolz.
So ist der Verein nicht nur wieder auf 75 Mitglieder - inklusive der Gymnastik und Kegler - angewachsen, sondern steht derzeit an der Tabellenspitze der Kreisliga, Staffel 3. Viel hat der Verein für die Integration der Männer getan. „Eine ehemalige Deutschlehrerin aus Kütten hat ihnen vor oder nach dem Training Deutschunterricht gegeben“, sagt Klinkwitz dankbar. So wurde nicht nur die Verständigung mit dem fußballbegeisterten 73-jährigen Trainer verbessert - sondern viele der Männer fanden auch mit den Sprachkenntnissen einen Job. Das würdigte auch das Land: Seit 2016 ist die LSG Kütten Stützpunktverein der Integration durch Sport und 2017 zeichnete der damalige Innenminister Stahlknecht das Team als Mannschaft mit Courage aus.
Endlich wieder gemeinsam kicken
Nicht alle, die 2015 in dem Saalekreisort mit dem Fußballspielen angefangen haben, sind noch dabei. Manch einer sei weggezogen, andere wie Abdulrhman Al Ibrahim dazugekommen. „Ich spiele seit 25 Jahren Fußball. In Syrien habe ich in der Oberliga gespielt“, sagt der Mittvierziger, der erst im Dezember 2021 dazugestoßen ist - über private Kontakte zu Faiz Ibrahim. Vier Jahre lang hatte Abdulrhman keine Zeit fürs Kicken, da er Sozialpädagogik studiert hat und nun als Sozialarbeiter und Streetworker in Halle und Dessau arbeitet. „Jetzt habe ich wieder Zeit zum Fußballspielen und das ist sehr schön“, sagt er begeistert.
Trainer Heinz Pohl und auch weitere Mitglieder des Vereins haben für ihre internationale Mannschaft einen besonderen Service organisiert: Um die Mannschaft, die zum großen Teil in Halle wohnt, zum Training nach Kütten zu bringen, wurde ein gebrauchter Kleinbus angeschafft. Darüber hinaus fahren aber auch weitere Küttener mit ihren Privatwagen, um die Kicker abzuholen, oder zu Pflichtspielen zu fahren. „So fahren unsere Mitglieder circa 22.000 Kilometer im Jahr auf ihre Kosten, um Spiel- und Trainingsbetrieb zu gewährleisten“, hat Klinkwitz zusammengerechnet. Auch wenn es in Einzelfällen Provokationen in Form von Rassismus gegnerischer Spieler und Fans gab, stehe für den Küttener Verein fest: „Wir halten durch und machen weiter.“