Der Esel, der auf Rosen geht Wie eine Vorleserin in Halle die Fantasie von Kindern beflügelt
Die Welt öffne sich durch Bücher, sagt Brunhilde Gorisch. Als Vorlesepatin in einer Kita in Halle taucht sie mit Jungen und Mädchen ein in die Abenteuer der Literatur.
Halle/MZ - Gerade erst hat Brunhilde Gorisch auf ihrem Vorlesestuhl Platz genommen, da steht bereits das erste Kind dicht vor ihr, das strahlende Gesicht voll entzückter Vorfreude auf die Geschichten, die gleich den Raum in der Kindertagesstätte „August Hermann Francke“ erfüllen werden. „Hallo Frau Gorisch“, piepst der Junge, und lächelnd erwidert sie die Begrüßung. „Jetzt wird’s laut“, sagt sie dann, als eine Erzieherin mit rund 20 weiteren Kindern im Schlepptau in den Raum kommt. „Hallo Frau Gorisch“, rufen die hellen Stimmchen und die Wiedersehensfreude, so scheint es, könnte größer kaum sein.
Seit mittlerweile 20 Jahren besucht die im März 80 Jahre alt gewordene Frau die Kita in den Franckeschen Stiftungen, um den Kindern aus Büchern vorzulesen und ihre Fantasie mit Geschichten zu wecken. Im Rentenalter habe sie damit begonnen, erzählt Brunhilde Gorisch. Ein Artikel in der MZ habe sie damals auf ein Vorleseprojekt aufmerksam gemacht.
Über die Freiwilligen-Agentur ist Brunhilde Gorisch Vorlesepatin geworden
Über die Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis wurde sie schließlich selbst zu einer der Vorlesepatinnen und -paten, die Kitas und Horte besuchen und die Kinder an Literatur und den Umgang mit Büchern heranführen. Dafür ist sie nun für den Ehrenamtspreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ nominiert worden.
An diesem Vormittag ist es ein wahrer Klassiker der deutschen Kinderliteratur, in den Brunhilde Gorisch mit den Kindern eintaucht: Die Bremer Stadtmusikanten. Doch vorher gibt es noch eine kurze Show-Einlage. „Was habe ich denn da“, fragt Brunhilde Gorisch, in den Händen hält sie eine Tüte, die sie in die Runde zeigt. „Den Eisbär, den Eisbär“, schallt es durch den Raum, und da ist er: Schon hat sie den Eisbär, der eigentlich eine Handpuppe ist, über ihren Arm gestreift und redet nun als Eisbär zu den Kindern. „Obwohl ich ein Eisbär bin, mag ich die Wärme“, sagt der Eisbär, denn draußen nähert sich ein sonnendurchfluteter Frühlingstag seinem Höhepunkt. „Und ich mag euch“, sagt der Eisbär. „Wir mögen dich aaauuch“, antwortet darauf ein unentwirrbarer Chor aus Kinderstimmen.
Lesen war für uns immer ein ganz großes Thema.
Brunhilde Gorisch, Vorlesepatin
Dann geht es los. Mit einem Mal kehrt Ruhe ein, folgen die Kinder der Frauenstimme, die ihnen die tierischen Musikanten vorstellt und sie mit auf eine Reise nach Norddeutschland nimmt. Hin und wieder unterbricht Brunhilde Gorisch ihr Lesen, um Fragen zu stellen. Etwa, als die Rede von Himmelsrichtungen ist. Welche es da denn gebe, fragt sie in die Runde. „Vorne, hinten, oben, unten“, bietet ein Kind an. Nah dran, aber nicht ganz. „Norden, Osten, Süden, Westen“, korrigiert Brunhilde Gorisch. „Und Amerika!“, ergänzt ein Kinderruf. „Und Amerika“, bestätigt die Frau mit einem Lächeln.
Wenig später, als der Esel seinen Auftritt hat, fragt sie wieder nach: „Wie singt denn ein Esel?“ Da muss die Lesung kurz unterbrochen werden. Denn 20 kleine Esel singen unbändig durcheinander: „I-aaah, I-aaah!“
Bis auf eine Phase während der Pandemie liest sie regelmäßig in der Kita
„Das ist aber auch eine lebhafte Gruppe“, sagt Brunhilde Gorisch nach der Geschichte, ein wenig erschöpft, aber sichtbar zufrieden. „Und komischerweise wollen sie Märchen.“ Ansonsten lese sie oft Abenteuergeschichten vor, gern mit Drachen, Gespenstern und Geheimnissen. Selbst ist sie Mutter zweier Kinder, mittlerweile gibt es bereits Enkel und sogar Urenkel.
„Lesen war für uns immer ein ganz großes Thema“, sagt die Frau, die vor ihrer Rente für eine Krankenkasse gearbeitet hat. Bis auf eine Phase, während der sie aufgrund der Pandemie auf ihre Besuche verzichten musste, liest sie regelmäßig in der Kita. „Ich komme sehr gern hierher. Man muss sich in meinem Alter neue Höhepunkte schaffen“, sagt sie. Und ist sicher: „Die Welt öffnet sich dadurch, ein Buch zu lesen.“
Das ist der „Esel“ – und so machen Sie mit
- Der Ehrenamtspreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ wird seit 2003 an engagierte Menschen und Initiativen aus Halle und dem Saalekreis verliehen. In diesem Jahr werden sechs Eselskulpturen aus Bronze vergeben: Drei Bürgerpreise, der Preis der Initiatoren und der Preis der Jury. Neu ist der Publikumspreis, für den online gevotet werden kann.
- Die Wahl startet nach dem 25. Mai, wenn die Jury die zehn Teilnehmer an dem Voting bestimmt hat. Auch die Bürgerpreise werden durch die Jury vergeben. Wenn Sie, liebe Leser, engagierte Bürger, Vereine oder Initiativen kennen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, dann können sie diese Personen oder Gruppen vorschlagen. Dazu müssen Sie online ein Formular auf der Internetseite des Ehrenamtspreises ausfüllen. Im oberen Feld der Seite findet sich dazu ein extra Button. Sie bekommen danach eine Mail als Bestätigung. Die Nominierungsphase läuft bereits und endet am 6. Mai.
- Informationen: Die MZ wird multimedial die 19. Auflage des „Esels, der auf Rosen geht“ begleiten. Dazu gehören Porträts der Kandidaten, Blicke hinter Kulissen sowie Audio- und Videobeiträge. Gebündelt werden alle Infos auf der Webseite des Ehrenamtspreises.