Silvester mit dem Taxi durch Halle Taxi Halle (Saale): Die anstrengendste Nacht des Jahres ist geschafft

Halle (Saale) - Petra Kirchner atmet tief durch, legt ihr Headset vor die vier Bildschirme auf dem Schreibtisch und streckt die Arme nach vorne. Durch das Bürofenster sind Silvesterraketen zu sehen, die in den schwarzen Nachthimmel schießen, die Zeiger der großen Uhr in der Telefonzentrale der Halleschen Taxigenossenschaft stehen genau auf der Zwölf.
Doch auch ohne auf die Uhr zu sehen, hätte sie gewusst, dass nun das Jahr 2019 angebrochen ist, denn in den ersten fünf Minuten eines neuen Jahres ruft sich niemand ein Taxi.
Taxi Halle: stressiger Silvesterdienst
Die kleine Pause kann sie gut gebrauchen. Seit dem frühen Abend sitzt die Telefonistin mit ihrer Kollegin Peggy Höhne in der Zentrale und nimmt im Sekundentakt Anrufe entgegen. „Wir sind ein eingespieltes Team. Seit 2003 machen wir zusammen den Silvester-Dienst“, sagt Höhne. „Klar musst du da stressresistent sein, aber es macht Spaß.“
Die Ruhe zu bewahren, ist bei den zunehmend betrunkenen Anrufern in der Leitung eine reife Leistung. „Wo Sie si-hind! Die Ad-dress-sse! Tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen“, ruft Kirchner in ihr Headset. „Der stand direkt neben Böllern, ich habe kein Wort verstanden“, sagt sie. Zwei Sekunden später kommt schon der nächste Anruf.
Taxi Halle: Probleme mit Mobilfunknetz zu Silvester
Währenddessen sitzt Winfried Bahr, Vorsitzender der Genossenschaft in seinem Großraumtaxi und steuert aufs Steintor zu. „Na klar fahre ich Silvester auch selber. Ich bin der Mann für Notfälle“, sagt er. Gegen Mitternacht würden die Mobilfunknetze oft zusammenbrechen.
Dann könnten viele Taxifahrer, die nicht mehr mit Funk, sondern einer App arbeiten, aus der Zentrale nicht mehr erreicht werden. Bahr kann in diesem Fall auf eigene Faust losfahren und etwa Ärzte oder Lokführer, die dringend zum Einsatz müssen, fahren.
Kein Notfall ist Anton, 24 Jahre, der am Steintor das Taxi anhält und zum Hauptbahnhof will. „Ich muss den Zug nach Leipzig bekommen. Da feier ich mit Freunden. Ich musste bis eben arbeiten“, sagt er. Die Alkoholfahne ist unverkennbar.
Taxi Halle: Zehn Euro Anfahrtgebühr bei Absage
Bahr setzt ihn am Bahnhof ab und macht sich auf zum Markt - keine gute Idee. Hunderte Feuerwerksbatterien und Flaschen, Scherben und Böller liegen auf den Zufahrtsstraßen in die Altstadt. „Wenn ich mir einen Platten fahre, ist die Schicht für mich gelaufen“, sagt der 56-Jährige. Und die Silvester-Nacht ist eine besonders lukrative. So lukrativ, dass manche Fahrer sogar auf Diskussionen um Geld, das ihnen zusteht, verzichten, um mehr Fahrgäste befördern zu können: „Wir haben mit vielen Abbestellungen zu kämpfen. Die Leute rufen ein Taxi und wenn wir da sind schicken sie uns wieder weg.“
Zehn Euro Anfahrtspauschale würden den Fahrern in solch einem Fall zustehen. „Aber die Diskussionen darüber sind so zeitraubend, da fahren die meisten lieber wieder.“ Am Silvesterabend sind rund 150 Taxen auf Halles Straßen unterwegs, schätzt Bahr. Zwischen 0 und 6 Uhr schaffe ein Fahrer bis zu 25 Fahrten.
Unterdessen glühen in der Zentrale wieder die Telefone. Und die Anrufer sprechen mit zunehmender Uhrzeit nicht deutlicher. „Um 2 Uhr sind etwa 30 bis 40 Prozent so betrunken, dass man sie am Telefon lallen hört“, weiß Kirchner. Doch die meisten Gespräche seien angenehm. Wenn ihr im Sekundentakt ein frohes neues Jahr gewünscht werde, stumpfe sie mit der Zeit ab, gibt sie zu. „Am schönsten ist, wenn die Leute einem noch einen schönen Dienst wünschen.“ Ihre und die Schicht ihrer Kollegin dauert noch bis 6 Uhr morgens. Dann wird auch Winfried Bahr sich vom anstrengendsten Abend des Jahres erholen. (mz)

