Tarifflucht bei der Commerzbank? Tarifflucht bei der Commerzbank?: Neue Jobs mit Beigeschmack

Halle (Saale) - Die Stadt Halle profitiert vom Sparkurs der Commerzbank. Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus baut die Finanzbuchhaltung massiv um. In den nächsten Jahren werden an den Standorten Frankfurt (Main), Berlin und Duisburg 376 Vollzeitstellen gestrichen. Ein Teil der Aufgaben übernimmt nach Angaben der Gewerkschaft Verdi die tariflose Commerzbank-Tochter ComTS.
Notwendige Sparmaßnahmen
Nach MZ-Informationen werden mehr als 100 Jobs am ComTS-Standort Halle neu geschaffen. „Halle soll als Erstes einen Teil der Arbeit erledigen“, hieß es aus Unternehmenskreisen. Die Tochter besitzt auch noch Niederlassungen in Magdeburg, Erfurt (Thüringen) und Hamm (Nordrhein-Westfalen). Die Commerzbank begründet den Schritt mit notwendigen Sparmaßnahmen. „Im Zuge der Umstrukturierung werden Aufgaben stärker gebündelt und Tätigkeiten verlagert, die an anderer Stelle kostengünstiger erledigt werden können“, sagte eine Sprecherin.
Als „Saale-Karree“ wurde der gewaltige Bürohaus-Komplex an der Kaiserslauterer Straße am Rande der Silberhöhe im Jahr 1997 eröffnet. In den „Gründerjahren“ hatte die Deutsche Telekom das mit 20 000 Quadratmetern reichlich große Gebäude gebaut. Auf dem Areal gibt es unter anderem 140 Stellplätze. Die relative Abgeschiedenheit des Bürohauses gilt aber als ein Nachteil des Standortes. In der halleschen Innenstadt fehlen dagegen große Büroflächen.
Mitte 2011 hatte die Telekom ihr Call-Center an der Kaiserslauterer Straße geschlossen. Die Schließung war von heftigen Protesten von Mitarbeitern und von der Stadt begleitet. Seither gibt es im Gebäude Leerstand. Bis vor kurzem waren immerhin rund 7 500 Quadratmeter frei. Gegenwärtig sind offenbar noch eine Telekom-Abteilung, ein weiterer Call-Center-Betreiber und eben die Commerzbank eingemietet. Dieser Standort soll nun personell deutlich ausgebaut werden.
Die Gewerkschaft Verdi wirft der Bank Tarifflucht vor. „Gut ausgebildete Bank-Angestellte werden entlassen, um an anderer Stelle Billigjobs zu schaffen“, sagte Mark Roach von der Verdi-Fachgruppe Bankgewerbe der MZ.
ComTS sitzt im Süden Halles und beschäftigt in der Saalestadt bereits 230 Mitarbeiter. Diese sind etwa für das Einscannen von Kreditdokumenten oder die Kreditbearbeitung von Sicherheiten zuständig. Laut Verdi übernimmt die Tochter auch Call-Center-Tätigkeiten wie die Terminvereinbarung mit Bank-Mitarbeitern in den Filialen oder Adressänderungen bei Kontoinhabern. „Die Löhne bei ComTS liegen nur etwas über Mindestlohn-Niveau“, so Roach. Die entlassenen Mitarbeiter würden dagegen nach Banktarif bezahlt. Das Lohngefälle betrage mehr als 40 Prozent. Bei der Commerzbank habe es auch Überlegungen gegeben, Aufgaben an eine polnische Tochter abzugeben. Das Institut äußerte sich zu ComTS und den dortigen Lohnbedingungen nicht.
Banktätigkeiten an Billig-Töchter auslagern
Nach Angaben von Verdi soll die Finanzbuchhaltung stärker standardisiert und in einzelne Arbeitsschritte zerlegt werden, damit die Arbeit auch ohne höhere Qualifikation erbracht werden könnte. Nach Worten von Roach würde nicht nur die Commerzbank, sondern auch die Deutsche Bank und die Sparkassen zunehmend Banktätigkeiten an Billig-Töchter auslagern.
Im Jahr 2012 sorgte ein monatelanger Streik der Sparkassen-Tochter S-Direkt in Halle für bundesweites Aufsehen. Die Mitarbeiter, die vor allem in einem Call-Center arbeiten, forderten damals einen Stundenlohn von 8,50 Euro.
Vor allem die privaten Banken und Landesbanken haben nach der Finanzkrise 2008/09 massiv ihr Kreditvolumen abgebaut. Das heißt aber auch, dass die Zinseinnahmen zurückgingen. Daher wird nun versucht, auch die Zahl der Mitarbeiter zu senken. (mz)