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Sattlermeister in Halle  Sattlermeister in Halle : Wo Helge Schneider seine Hundeleine kauft

Von Anja Herold 06.04.2016, 07:50
Karsten Weidner ist Sattler und war früher sogar mal Vorsteher der Halloren.
Karsten Weidner ist Sattler und war früher sogar mal Vorsteher der Halloren. Günter Bauer

Halle (Saale) - Das exotischste Stück, das Karsten Weidner bislang angefertigt hat, war ein kleines Täschchen aus Fischhaut. Mit echten Schuppen drauf! Solche Wünsche, sagt der Sattlermeister, seien aber selten. Hauptsächlich verarbeitet er in seiner Sattlerei in der Kleinen Ulrichstraße nahe dem Urania Rindsleder.

Aber auch Strauß, Ziege oder Krokodil sind möglich; große Taschen, kleine Taschen, Koffer, Börsen - das alles kann bestellt und gekauft werden. Karsten Weidner führt, wie er selbst sagt, ein Nischendasein. Der Druck durch billigere Ware aus dem Ausland wachse zwar, sagt er. „Aber es gibt auch Interesse für hochwertige Lederwaren.“ Zum Beispiel bei Helge Schneider. Der Musiker und Entertainer landete vor Jahren während eines Stadtbummels in dem Geschäft. Eine Hundeleine und eine kleine Tasche habe er gekauft, sagt Weidner. Nett sei er gewesen und ruhig, ganz anders als auf der Bühne. Auch Ritchie Blackmore, Gitarrist von Deep Purple, hat schon mal eine Tasche gekauft bei Karsten Weidner.

Fokus auf dem Reitsport

Dabei lag, als er 1987 seine Ausbildung begann, sein Fokus auf dem Reitsport. Sein Gesellenstück ist ein Sattel, wunderschön gearbeitet, der heute in seinem Laden ausgestellt ist. Sättel fertigt er heute noch an - bis zu 5 000 Euro kann solch ein Stück kosten, etwa 40 Stunden reine Arbeitszeit dauert die Anfertigung -, auch Halfter, Trensen und was es noch so braucht im Pferdegeschäft. Das Ledergeschirr für den Esel, „der auf Rosen geht“, stammt ebenfalls von Karsten Weidner. Schön verziert mit dem halleschen Stadtwappen, zeigt es deutlich, dass dem Sattlermeister nicht nur das Handwerk, sondern auch die künstlerische Gestaltung wichtig sind.

Der 45-Jährige macht aber noch viel mehr. Reparaturarbeiten vor allem, gerne an alten Stücken. Seemannskoffer zum Beispiel oder alte Ledersessel. Er bessert die großen Posttaschen aus, die von Dow Chemical genutzt werden, er fertigt für eine Berufsgenossenschaft am Körper zu tragende Gurte für Messinstrumente, die deutschlandweit zum Einsatz kommen. Ein Instrumentenhersteller bestellt regelmäßig Trägersysteme für Hörner, ein Fahrradhersteller gepolsterte Sättel für Zweipersonenräder. Gut zu tun also für den Ein-Mann-Betrieb. So gut, dass seine Hobbys Zeichnen und Trompetespielen fast ein bisschen kurz kommen.

Mangelnde Zeit

Der mangelnden Zeit fiel letztlich auch sein Amt als „Erster und Regierender Vorsteher der Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle“, so die korrekte Bezeichnung, zum Opfer. Karsten Weidner ist nämlich ein geborener Hallore, seine Mutter stammte aus einer Halloren-Familie. 1996 trat er aus Interesse an der Geschichte in die Brüderschaft ein und wurde später zum Vorsteher gewählt. Sechs Jahre lang hatte er das Amt inne, befasste sich nahezu täglich mit Mitgliederpflege, Finanzen, Repräsentieren. „Aber es war nicht die Erfüllung“, sagt Karsten Weidner, und zeitlich wäre es auch schwierig gewesen. Also wandte er sich wieder dem zu, was ihm wirklich Spaß macht: dem Lederhandwerk. Nun fühle er sich angekommen, sagt er. „Zurück zu den Wurzeln“. Zu seinen eigenen und denen seiner Werkstatt, kann man sagen. Die gibt es nämlich schon seit 127 Jahren in Halle, gegründet einst am Reileck von Sattlermeister Emil Vogel. Der erwarb zu Dekorationszwecken sogar ein ausgestopftes Pferd im Berliner Zeughaus und stellte es ins Schaufenster! Und das Pferd war nicht irgendeines, sondern das von König Wilhelm I. von Preußen, das im Jahr 1866 in der Schlacht von Königgrätz teilgenommen hat! „Was aus dem Pferd geworden ist, weiß ich nicht“, sagt Karsten Weidner.

Aus der Werkstatt, in der er selber ausgebildet wurde und die er - als vierter Besitzer - 2005 übernommen hat, stammen aber noch einige Werkzeuge und Maschinen. Eine alte Adler-Nähmaschine zum Beispiel aus dem Jahr 1933. Auch Prägestempel, 100 Jahre alt, die verwendet er heute noch gerne für Taschen. In seinem Laden riecht es nicht nur nach Leder. Auch nach Geschichte. (mz)