Saalekreis Saalekreis: Das halbe Dach ist weg
Halle (Saale)/GRÖBERS/MZ. - "Es knallte und krachte fürchterlich. Ich wollte nur noch raus aus dem Haus, aber die Tür ließ sich nicht mehr öffnen." Sabine Hackbart ist das Entsetzen noch ins Gesicht geschrieben. In Tränen aufgelöst schaut die 56-Jährige auf ihr Haus in Gröbers, dem fast das halbe Dach fehlt. Auch ihr Lebensgefährte Hubert Kammer kann das Geschehene kaum fassen. Das Unwetter, das gestern am frühen Abend über den Saalekreis und Halle gezogen war, hatte in Gröbers besonders heftig gewütet. Eine starke Windböe riss das Blechdach einer Baumaschinenfirma aus der Verankerung. Bis zu 20 Meter lange Teile flogen etwa 150 Meter durch die Luft und krachten auf das Haus von Sabine Hackbart. Auch im Garten und im Hof kamen große Dachfetzen herunter, ein Teil versperrte die Eingangstür. Nicht nur das Haus wurde massiv beschädigt, sondern auch ein im Hof geparktes Auto. Mit Schneidbrennern mussten die Helfer anrücken, um die Blechteile wieder abzutrennen. Etwa 20 Feuerwehrleute waren im Ort mit Aufräumarbeiten beschäftigt, da der Sturm auch mehrere Bäume umgeknickt hatte. Das heftige Unwetter am Mittwochabend hat in und um Halle zahlreiche Schäden verursacht. Umgestürzte Bäume und abgerissene Äste haben zu Behinderungen des Auto- und Straßenbahnverkehrs geführt - so am Steintor, in der Daniel-Pöppelmann-Straße in Neustadt sowie in Ammendorf. Die Feuerwehreinsätze dauerten bis nach Mitternacht. Die Straßenbahnlinie 5 musste den Betrieb nach Bad Dürrenberg einstellen.
Gestört waren durch das Unwetter auch zahlreiche Festnetz-Telefonanschlüsse, vor allem in Neustadt. Rund eine Viertelstunde lang fiel laut dem Kabelanbieter S+K zudem der Fernsehempfang im gesamten Stadtgebiet aus.
Im Saalekreis sind durch Blitzeinschläge und umgestürzte Bäume zahlreiche Stromleitungen beschädigt worden. Wie Stefan Buscher, Pressesprecher von Envia M sagte, seien rund 12 000 Haushalte betroffen gewesen. Schwerpunkte waren zum Beispiel Wallwitz, Brachstedt, Sennewitz, Schochwitz und Mücheln. Wo es ging, wurden Umschaltungen vorgenommen, so dass wieder Strom anlag. Die Reparaturarbeiten werden heute noch andauern.
Das Unwetter hat laut der Rettungsleitstelle des Saalekreises auch Merseburg und Bad Lauchstädt hart getroffen. Heftige Sturmböen rissen zahlreiche Bäume um, die zum Teil in Stromleitungen stürzten, Straßen und Gleise blockierten, Häuser und Autos beschädigten. "Wir haben die Bäume nicht gezählt, die auf Autos gestürzt sind", so ein Polizeisprecher. Verletzte soll es nach ersten Erkenntnissen nicht gegeben haben. Die Feuerwehren waren im Dauereinsatz. In Merseburg wütete das Unwetter unter anderem im Schlossgarten, riss dicke Äste von den Bäumen. "Die Schäden sind enorm, weil viele Dächer in Mitleidenschaft gezogen wurden", sagte Oberbürgermeister Jens Bühligen (CDU). Der Politiker hatte nach eigenen Angaben selbst großes Glück. "Ich kam von der Kreistagssitzung, als zehn Meter von mir entfernt ein Baum umstürzte."
Im Saalekreisort Holleben sind zahlreiche Stromleitungen zerfetzt und Dächer beschädigt worden. Der dortige Feuerwehr-Chef Wolfgang Kitze vermutet sogar, dass eine Windhose durch den Ort gerast ist. "Es wurde plötzlich stockdunkel, und der Wind kam von allen Seiten", schildert er. "An einem Haus wurde ein Dach abgedeckt, ein anderes von zwei Linden, die umfielen, stark beschädigt." Bäume und Äste blockierten zudem den Zugang zur Hollebener Grundschule und zur Kita. Die Männer um Kitze waren bis in die Nacht damit beschäftigt, den Zugang freizuschneiden, damit die Einrichtungen heute wieder öffnen konnten.
Meteorologe Gerold Weber will eine Windhose nicht ausschließen. "Bei dieser Wetterlage kann das durchaus passieren." Doch seien dies örtliche Phänomene, die mit den Geräten nicht erfasst würden. Gemessen wurden in Halle-Kröllwitz Windspitzen von 68, am Flughafen von 101 Kilometer pro Stunde. Laut Weber gelten bei Versicherungen Geschwindigkeiten ab 65 Kilometer pro Stunde als Sturm.