Pool-Spieler aus Halle Pool-Spieler aus Halle: Wie es Hannes Stiller sensationell an die Spitze geschafft hat

Halle (Saale) - Wenn es etwas gibt, das Hannes Stiller ganz und gar nicht mag, dann ist es Autofahren. „Ich warte geradezu sehnsüchtig darauf, dass das autonome Fahren irgendwann Realität wird“, sagt er schmunzelnd. Auswärtsfahrten mit seinen Billard-Kollegen vom 1. BC Halle oder Fahrten zu Turnieren sind für den 28-Jährigen ein Graus.
Und doch gibt es diesen einen Wettbewerb, bei dem alles ein wenig anders ist, zu dem er sich jedes Jahr aufs Neue mit größter Freude begibt: die deutsche Meisterschaft, sein persönlicher Jahreshöhepunkt.
Eine gute Woche ist es her, dass Hannes Stiller in Bad Wildungen - gut zwei Autostunden von Halle entfernt, südlich von Kassel gelegen - den größten Erfolg seiner Billard-Karriere gefeiert hat. Mehr noch: den größten Erfolg eines Sachsen-Anhalter Billard-Spielers. Stiller wurde deutscher Vizemeister im 9-Ball. „Wenn man so will, war das ein Unfall“, sagt er lachend. „Meine Paradedisziplin ist eigentlich 8-Ball.“ Also die Spielform mit sieben voll- und sieben halbfarbigen Kugeln und der schwarzen Acht, wie man sie gemeinhin in der Kneipe spielt.
Hannes Stiller: Eigentlich spielt er mit dem 1. BC Halle in der Oberliga
Um Stillers Erfolg als Sensation einzuordnen, braucht es allein den Blick auf seinen Finalgegner. Im Endspiel unterlag er Christoph Reintjes mit 6:8. Sein Kontrahent gehört zur Top-Riege in Deutschland, spielt in der ersten Liga. Und Stiller? Steht für den 1. BC Halle am Tisch. In der Oberliga. Viertklassig.
Halle, das darf man einräumen, ist nicht gerade der Nabel der Billard-Welt. Der BC ist im Osten der Stadt zu Hause, in einer unscheinbaren Gewerbestraße. Dort hat sich der Verein einen wirklich schmucken Raum eingerichtet, in dem sogar zwei riesige Snooker-Tische Platz finden. An der Wand hängt eine Tafel mit der internen Rangliste in den Pool-Disziplinen 14-1, 8-Ball, 9-Ball und 10-Ball. In allen steht ein Name ganz oben: Hannes Stiller.
Pool-Spieler Hannes Stiller: Erst seit 13 Jahren aktiv
Doch im Verein vorn zu sein oder bei einer nationalen Meisterschaft - das sind zwei Paar Stiefel. Und dass es der 28-Jährige deutschlandweit zu einer Medaille gebracht hat, kann er sich im Grunde selbst nicht so ganz erklären. „Ich habe erst 2004 mit Billard angefangen“, erzählt er. Da war er 15, also schon reichlich alt. Und auch danach war sein Spiel eher gehobenes Hobby denn echter Spitzensport.
Das änderte sich erst vor drei Jahren, als Stiller bei einem Turnier einem professionellen Trainer über den Weg lief, der es gut mit ihm meinte. „Er hat zu mir damals gesagt: ,Hannes, du glaubst, du bist gut. Aber du kannst nichts.‘ Und er hatte Recht: Im Grunde konnte ich wirklich nichts.“ Stiller bekam Übungen mit - und begann ernsthaft zu trainieren. Und trotz seiner Abneigung gegen das Autofahren, nahm er den Weg bis nach Goslar in Kauf, um unter professioneller Anleitung zu üben. Teilweise zehn Stunden am Tag.
Billard nur Nebensache: Sein Job steht über allem
Technisch machte Hannes Stiller so einen gewaltigen Sprung. Den wahren Grund für seinen Erfolg aber sieht er trotzdem auf einem anderen Gebiet. „Billard hat ganz viel mit dem Kopf zu tun“, sagt Stiller. „Bei mir stimmt im Moment einfach alles im Umfeld.“
Dabei meint er insbesondere seinen Beruf. Stiller arbeitet seit anderthalb Jahren als Anwendungsbetreuer bei der Gisa. Den Job empfindet er als Sechser im Lotto. „Ich hatte zwar eine Ausbildung im IT-Bereich gemacht, aber von dem, was für diesem Job gesucht wurde, konnte ich eigentlich nicht viel“, erinnert er sich schmunzelnd. Inzwischen hat er sich mehr als nur eingearbeitet in sein Aufgabenfeld. Trotz Schichtdienst liebt er seinen Job. Und fürs Training bleibt genug Zeit: „Ich trainiere fünf bis sieben Mal pro Woche zwischen drei und sechs Stunden.“
Diese Konstellation erklärt, warum für Hannes Stiller ein Wechsel zu einem anderen, höherklassigen Billard-Verein überhaupt kein Thema ist. „Es hat natürlich Anfragen gegeben“, erzählt er. Ein deutscher Vizemeister in der vierten Liga ist ja auch ein Treppenwitz. „Doch der Job hat alleroberste Priorität“, betont Stiller und fügt an: „Außerdem bedeutet mir mein Verein hier in Halle viel zu viel.“
Und einen Vorteil bringt der Wettbewerb in der Oberliga ja: Die Anfahrten zu den Auswärtsspielen sind angenehm kurz. Positiv für Leute, die Autofahren so gar nicht mögen.
(mz)