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Satire-Partei plant Wahlkampf "Partei" mit Martin Sonneborn in Halle (Saale): Satire-Partei plant Europawahlkampf im Puschkinhaus

Von Steffen Höhne 04.02.2019, 10:00
Verkleidet als Wehrmachtsoffizier Graf von Stauffenberg wollte Martin Sonneborn auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2018 die Lesung des AfD-Politikers Björn Höcke besuchen.
Verkleidet als Wehrmachtsoffizier Graf von Stauffenberg wollte Martin Sonneborn auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2018 die Lesung des AfD-Politikers Björn Höcke besuchen. dpa

Halle (Saale) - Gleich im Eingangsbereich des Puschkinhauses hängt ein Hinweisschild mit drei großen Buchstaben: FKK. In dem halleschen Kulturzentrum wird am Samstag jedoch nicht das schönsten Ostsee-Urlaubs-Fotos gekürt, sondern die „Führungs-Kräfte-Klausur“ von „Die Partei“ abgehalten.

Aus ganz Deutschland sind Mitglieder angereist, um den Europawahlkampf der Satire-Partei zu planen. Im großen Saal sitzt Max Aschenbach vom Kreisverband Dresden auf dem Podium und erklärt, wann Fotos von dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer für die eigene Wahlwerbung verwendet und verfremdet werden dürfen.

Aschenbach gibt die Richtlinie vor: „Es darf nicht fies sein, es muss lustig sein.“ Hinten im Saal steht der Parteivorsitzende Martin Sonneborn und schaut lächelnd zu. Auf die Frage, worauf sich die Wähler im Wahlkampf freuen dürfen, antwortet er: „Wir werden unsere inhaltslose Politik weiter konsequent fortsetzen.“

„Die Partei“ mit Martin Sonneborn ist Größte der Kleinparteien

Allein dieser Satz dürfte bei den meisten Deutschen schon für kräftiges Stirnrunzeln sorgen. Bei TV-Satire-Sendungen wie der „Heute Show“ oder „Extra 3“ lachen zwar Millionen Zuschauer gern über Politik und Politiker. Satirische Politik irritiert dann aber doch viele.

Dennoch: Die Zahl seiner Anhänger wächst. Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte „Die Partei“ - das steht für Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative - 1,0 Prozent und lag damit vor der Tierschutzpartei (0,8 Prozent), Piraten (0,4) und NPD (0,4). Vor allem in Großstädten hat die 2004 gegründete Partei viele Wähler: In Berlin erreichte sie 2,9 Prozent der Zweitstimmen - im Bezirk Kreuzberg mit dem Komiker Sendar Somuncu als Spitzenkandidaten sogar 7,2 Prozent.

„Die Partei“ zählt 35.000 Mitglieder

Von den Kleinparteien sind die Satiriker inzwischen eine der Größten und mit angegebenen 35.000 Mitgliedern fangen auch andere Parteien an, sie als Konkurrenten ernst zu nehmen.

Auf der Veranstaltung in Halle sind die Mitglieder im einheitlichen Dresscode gekommen: grauer Anzug, blaues Hemd und rote Krawatte - schön billig muss es aussehen. Und auch Sonneborn, der einst die Satire-Zeitschrift „Titanic“ leitete, sieht in seinem grauen Kittel absolut durchschnittlich aus.

Dennoch ist er hier eine Art charismatischer Führer. Die Anwesenden hängen im Gespräch regelrecht an seinen Lippen. Seit 2014 sitzt der 53-Jährige für seine Partei im Europaparlament und besitzt beste Chancen, in diesem Jahr wiedergewählt zu werden.

Das Vorgehen der Partei ist eigentlich recht einfach zu verstehen: Satire prangert mit scharfem Witz Missstände an. Nichts anderes tut „Die Partei“. Das fängt mit der Kandidatenliste zur Europawahl im Mai 2019 an: Die Mitglieder erhielten vordere Listenplätze, die die gleichen Nachnamen wie ehemalige Nazi-Größen tragen.

Sonneborn: „Vielleicht machen ja verwirrte CSU-Wähler dann bei uns das Kreuz.“

Da tauchen nun Göbbels (in dieser Schreibweise), Eichmann, Göring und Speer auf. „Unser Eichmann ist aber Musiker“, sagt Sonneborn. „Vielleicht machen ja verwirrte CSU-Wähler dann bei uns das Kreuz.“ Er sagt das trocken, verzieht dabei keine Miene. Sonneborn lässt den Satz so stehen, erklärt den Witz nicht. Das wäre wohl auch eine Todsünde für einen Komiker.

Wenn man etwas länger mit ihm spricht, dann schildert er aber, wie das Europaparlament und damit die Europäische Union immer weiter nach rechts driften. In Frankreich, Ungarn, Polen und Italien haben rechtspopulistische Parteien inzwischen die meisten Sitze in den Parlamenten.

Im Wahlprogramm der „Partei“ heißt es daher auch: „Die Flüchtlingsobergrenze wird - ganz im Sinne der Unionsparteien - jährlich neu definiert: Deutschland darf nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen als das Mittelmeer.“ Ein Witz, der einem im Hals stecken bleibt.

Studentin Annalena Rebsteck tritt bei Kommunalwahl im Wahlkreis Halle-Neustadt an

Die Studentin Annalena Rebsteck gehört zum harten Kern der Partei in Halle. Sie klebt Plakate und gestaltet diese. „Ich bin politisch interessiert, doch wusste ich einfach nicht, wen ich wählen sollte“, begründet sie ihr Engagement für „Die Partei“. Bei der kommenden Kommunalwahl tritt die 21-Jährige im Wahlkreis Halle-Neustadt an. Ihre wichtigste Forderung: Die Loslösung des Plattenbaubezirks von Halle.

Natürlich ist das ein Spaß - doch gesellschaftlich ist die Loslösung voll in Gang. In Halle-Neustadt ist die Zahl der Hartz-IV-Haushalte und der Flüchtlinge überdurchschnittlich hoch. Wer Geld hat, zieht oft weg. Damit besteht die Gefahr der Bildung eines Ghettos. Man kann der „Partei“ also nicht den Vorwurf machen, dass sie Probleme nicht benennt.

Die schärfste Kritik stammt ausgerechnet von der linken „Tageszeitung“. Der Journalist Martin Kaul wirft Sonneborns Anhängern vor, „snobistisch und dekadent“ zu sein. „Die Partei“ trete in der „Pose elitärer Politikverdrossenheit“ auf und verachte „diejenigen Aktivisten und Parlamentarier, die tatsächlich etwas verändern wollen“.

Martin Sonneborn als Narr am Hofe der Politik

Sonneborn weist das ganz ohne Ironie zurück: „Als Ein-Prozent-Partei sind wir wohl nicht verantwortlich für die Schwäche linker Parteien.“ Und es ist auch nicht so, dass der Partei-Chef nichts bewegen will. 2016 hielt er im Europaparlament eine kritische Rede zur Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Im Internet wurde der Beitrag unter der Überschrift „Der Irre vom Bosporus“ hunderttausendfach geklickt. In der Zeitschrift „Titanic“ hätte er dafür wohl weniger Aufmerksamkeit bekommen.

Sonneborns Auftritt in Halle ist eher leise, in den Vordergrund spielt er sich nur vor laufenden Kameras. Er ist eine Art Narr im politischen Geschäft, dessen Wahrheiten selten gern gehört werden. (mz)

Sonneborn (Mitte) mit „Partei“-Mitgliedern in Halle
Sonneborn (Mitte) mit „Partei“-Mitgliedern in Halle
Steffen Höhne