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Ohne Fahrstuhl in Halle-Neustadt Ohne Fahrstuhl in Halle-Neustadt: Per Huckepack in den zehnten Stock

Von Nikta Vahid und Fabian Wölfling 12.05.2015, 19:46
Die Bewohner der Hettstedter Straße 62 müssen noch bis voraussichtlich Mitte August auf den Fahrstuhl verzichten.
Die Bewohner der Hettstedter Straße 62 müssen noch bis voraussichtlich Mitte August auf den Fahrstuhl verzichten. Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Peter Krause ist auf dem mühsamen Weg in den siebten Stock des Wohnhauses in der Hettstedter Straße 62. Mehr als 100 Stufen muss er zu Fuß zurücklegen. Seine kleine Tochter in der einen, den Kinderwagen in der anderen Hand schlängelt er sich durch das schmale Treppenhaus des Plattenbaus. Und das jeden Tag. Schon monatelang.

Seit dem 9. März funktioniert der Fahrstuhl des Zehngeschossers in Neustadt nicht mehr. Gerade für ältere Menschen wird das zu einer Tortur. Einer älteren Nachbarin aus dem achten Stockwerk helfe er manchmal beim Schleppen der Einkäufe, sagt Krause. „Allein schafft sie es kaum bis nach oben.“ Auch seine Lebensgefährtin Doreen Schütze hat genug und überlegt sogar schon umzuziehen: „Eine Stunde brauche ich mit dem Kinderwagen für den Weg in die siebte Etage!“

Das Paar ist jung, wirkt fit und agil. Doch selbst für sie wird der Alltag erheblich erschwert. Sie beschweren sich auch über die mangelnde Kommunikation seitens der Hausverwaltung: „Jeder hat etwas anderes gesagt, am Ende wusste man gar nicht mehr, was los ist und wie lange das Ganze noch dauern soll“, sagt die junge Mutter.

Aufzug schwer beschädigt

Auf MZ-Anfrage erklärte Andreas Haase vom Vermieter „Wohndiscount“ am Dienstag: „Der Fahrstuhl muss komplett erneuert werden.“ Das Fundament der Aufzugsanlage sei schwer beschädigt. Der Aufzugsmaschinenraum habe sich um einige Millimeter gesenkt und sei nicht mehr waagerecht ausgelotet, daher müsse die ganze Anlage erneuert werden. „Das ist leider kein Ersatzteil, das man im Baumarkt besorgen kann“, sagt Haase. Der Tüv habe am 9. März eine sofortige Stilllegung des Fahrstuhls veranlasst.

Die Ausschreibung für die Erneuerung sei inzwischen erledigt und ein Unternehmen beauftragt worden, versichert Haase. Ab Mitte Juni soll der alte Fahrstuhl abgebaut werden. „Der Einbau der neuen Anlage ist dann für die 30. Kalenderwoche geplant“, so Haase. Ab Mitte August können die Mieter den Fahrstuhl voraussichtlich wieder nutzen.

Besonders schwer betroffen vom Ausfall des Fahrstuhls ist Ingrid Lampe. Die Rentnerin wohnt mit ihrem Mann im obersten Stockwerk des Zehngeschossers. Neben dem Alter macht ihr ein schmerzhafter Fersensporn zu schaffen, das lange Treppensteigen wird so zur Qual. Sie ist deshalb mit der Ankündigung des Vermieters überhaupt nicht zufrieden. „Das müsste alles schneller gehen“, sagt die Seniorin. Um den Strapazen des Treppensteigens aus dem Weg zu gehen, verlässt sie nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel für Arztbesuche, die Wohnung. Die Einkäufe erledigt ihr Mann Helmut, der seit Wochen gewissenhaft jede Treppenstufe zählt. 160 Stufen sind es bis in den zehnten Stock. „Ich hab schon ganz krumme Beine gekriegt“, klagt er.

Ausgefallene Übergangslösung

Ganz ohne Hilfe stehen Familie Krause-Schütze, das Ehepaar Lampe und die weiteren Bewohner des Hochhauses aber nicht da. Bis zur Inbetriebnahme des neuen Aufzugs hat der Vermieter „Wohndiscount“ eine ausgefallene Übergangslösung parat. Die MKT-Halle-Saalkreis GmbH steht auf Abruf bereit, um Bewohner zu unterstützen, die Treppen des Zehngeschossers nicht selbst bewältigen können.

„Wenn die betroffenen Personen mal zum Friseur oder zum Arzt müssen, tragen wir sie mit einem Tragestuhl ins Erdgeschoss und später auch wieder in ihre Wohnung zurück“, sagt Lars Brettschneider vom Transportunternehmen. Der „muskelbetriebene Aufzug“ beschränke sich aber nicht nur auf den Personentransport, die Hausbewohner könnten auch Einkäufe durch das Unternehmen in die Wohnungen bringen lassen.

Der Service steht rund um die Uhr zur Verfügung, eine 30-minütige Wartezeit muss aber eingeplant werden, so Brettschneider. Die Nachfrage halte sich aber in Grenzen, es hätten sich in den ersten Monaten erst „ein paar Personen“ für einen Transport gemeldet.

Anwohner aus den umliegenden Häusern des gleichen Baujahrs müssen sich Informationen der „Wohndiscount GmbH“ zufolge keine Sorgen machen. Im Gegensatz zum Fahrstuhl der Hausnummer 62 habe der Tüv bei den anderen Anlagen nichts zu bemängeln gehabt, sagt Andreas Haase. (mz)

Peter Krause wuchtet den Kinderwagen in den 7. Stock.
Peter Krause wuchtet den Kinderwagen in den 7. Stock.
Fabian wölfling Lizenz