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Nachwuchs Nachwuchs: Aus der Spur geworfen

Von ANKE LOSACK 20.12.2011, 21:43

BAD DÜRRENBERG/MZ. - Was Andreas Lange nach dem ersten Rennen der Tour de Harz am Samstag in St. Andreasberg über die Leistung des Leunaer Langlauf-Talentes Jessica Löschke sagt, spricht wieder eine deutliche Sprache. "Einmal mehr zeigte sie der Konkurrenz, wer in der Altersklasse 12 die Chefin in der Loipe ist. Ein klarer Sieg", meint der Vizepräsident des Skiverbandes Sachsen-Anhalt. Derartige Lobeshymnen saugen Jessica und ihre Mutter und Trainerin Sabine in diesen Tagen gerne auf.

Ernüchternde Nachricht

Denn nach der traurigen Mitteilung, die Ende vergangener Woche aus Oberhof ins Hause Löschke flatterte, sitzt die Ernüchterung tief. Für die elfjährige Jessica vom TSV Leuna wird sich der Traum, zum Bundesstützpunkt nach Oberhof zu wechseln, nicht allzu schnell erfüllen. Sabine Reuß, die Vorsitzende des Thüringer Skiverbandes und Vize-Präsidentin Leistungssport im Deutschen Skiverband, hat gegenüber der MZ erklärt: "Die Aufnahmekriterien am Sportgymnasium Oberhof legen fest, dass in der Disziplin Skilanglauf bisher mit 14 Jahren, ab dem kommenden Schuljahr erst mit 15 Jahren, eine Aufnahme erfolgen kann." Die jetzige sportliche Entwicklung von Jessica Löschke läge damit ausschließlich in der Verantwortung des Landes-Skiverbandes Sachsen-Anhalt.

Diese Aussagen stoßen bei Mutter Sabine Löschke auf Unverständnis. "In den vier Jahren, die Jessica noch warten soll, würde sie komplett den Anschluss an die Leistungsspitze verlieren", sagt die 38-Jährige. Der Verein TSV Leuna habe - ohne Berge, ohne Schnee - überhaupt nicht die Möglichkeiten, eigene Talente weiter zu fördern.

Sabine Reuß verweist darauf, dass der Landes-Skiverband Sachsen-Anhalt in Eigeninitiative Entwicklungsbedingungen schaffen sollte, die es Kindern ermögliche, über Kooperationen mit Schulen oder mit einem kleinen Internat in der Bildungsstätte des Landessportbundes (LSB) eine erfolgreiche Entwicklung zu nehmen.Beim sachsen-anhaltischen Verband versucht man tatsächlich, die leistungsorientierte Förderung von Talenten voranzutreiben. Ein Projekt mit Namen "Entwicklung für die Ski-Region Sachsen-Anhalt" wurde angeschoben. "Ich wünsche mir vor allem die Akzeptanz des Projektes beim Landessportbund und dem Ministerium für Inneres", sagt Rüdiger Ganske, der Präsident des Skiverbandes Sachsen-Anhalt. Das wird allerdings nicht leicht sein, denn der Skisport ist in Sachsen-Anhalt weder Schwerpunkt- noch Projektsportart. Das ist aber Bedingung, um überhaupt gefördert werden zu können. Zwar könne man auch für einzelne Projekte Fördermittel bekommen, so LSB-Präsident Andreas Silbersack, doch seien die finanziellen Mittel des LSB endlich. "Wir sind uns bewusst, dass wir hervorragende Wintersportler haben, wie Olympiasiegerin Tatjana Hüfner", sagt Silbersack, "aber sind wir kein klassisches Wintersportland."

Ruhe bewahren

Ob mit finanzieller Unterstützung oder ohne - für Sabine Löschke steht fest: Abwarten bringt nichts. Die Familie werde eine Möglichkeit suchen, um ihrer elfjährigen Tochter Jessica so schnell wie möglich eine leistungssportliche Ausbildung zu ermöglichen. Ski-Präsident Ganske sieht das mit gemischten Gefühlen und hofft auf etwas mehr Geduld. Für ihn sei es fraglich, ob man die Tochter mit elf Jahren schon in die Ferne ziehen lassen sollte.

Doch irgendwann drängt die Zeit. Das weiß auch Familie Fricke aus Halle. Deren Sohn Leif ist ebenfalls ein Wintersport-Ausnahmetalent - im Skisprung. Doch Vater Eik ist sicher, dass mit der Zeit auch Lösungen kommen. "Leif hat noch Zeit, um auf eine Sportschule zu gehen", sagt er. Immerhin ist Fricke junior als jüngster Athlet in den Landeskader Skisprung berufen worden. Er nimmt nun zwei- bis dreimal wöchentlich an den Trainingseinheiten in seinem Verein, dem Skiclub Wernigerode, teil und soll durch gezielte Wettkampfteilnahmen gefördert werden. "Ab der Altersklasse 12 kann er beim Deutschen Schülercup des DSV teilnehmen", sagt Vater Fricke, "wenn er dann gut ist, bekommt er sicherlich Angebote einer Sportschule."