1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Museum für Haustierkunde in Halle: Museum für Haustierkunde in Halle: Gemästet und ausgehungert

Museum für Haustierkunde in Halle Museum für Haustierkunde in Halle: Gemästet und ausgehungert

Von ANJA HEROLD 03.01.2014, 21:22
Seit 1878 ließ Julius Kühn Tiere fotografieren. An diesen Schweinen wurde getestet, wie sich Ernährung auf das Wachstum auswirkt.
Seit 1878 ließ Julius Kühn Tiere fotografieren. An diesen Schweinen wurde getestet, wie sich Ernährung auf das Wachstum auswirkt. Archiv des ZNS, MLU Lizenz

HALLE (Saale)/MZ - Die Fotoglasplatten standen schon auf dem Hof des Museums für Haustierkunde „Julius Kühn“, gestapelt auf Paletten, bereit zur Vernichtung, als sie noch rechtzeitig entdeckt wurden. Gefunden wurden sie bei Aufräumarbeiten. Heute gilt die auf den Gründer des Landwirtschaftlichen Instituts, Julius Kühn, zurückgehende Sammlung als die bedeutendste tierwissenschaftliche Fotodokumentation Sachsen-Anhalts und die einzige mit internationalem Bekanntheitsgrad.

Neun mal 18 Zentimeter groß sind die meisten der mit einer Gelatineschicht überzogenen 6.044 Platten. „Wir haben vom Filmmuseum die Auskunft bekommen, dass sie etwa 100 Jahre haltbar sind.“ Renate Schafberg, Kustodin der Haustierkundlichen Sammlung, sagt, dass der Verfall schon sichtbar wird auf einigen Platten. „Die Schicht löst sich oder oxidiert.“ Einige Abzüge zeigten bereits helle Flecken oder Abblätterungen am Rand. Aufhalten lässt sich der Prozess nicht, nur verzögern. Derzeit lagern die Glasplatten im Institut für Physik bei vier Grad Umgebungstemperatur, in modernen Fotokartons, trocken und dunkel. Irgendwann werden sie aber nicht mehr existieren.

Die Entscheidung zur Digitalisierung

„Wir haben lange überlegt,“, sagt Renate Schafberg, „und haben uns dann entschlossen, die Bilder zu digitalisieren. Das ist zwar eine Lichtbelastung, aber so konnten wir alles dokumentieren und die Originale weglegen.“

Der älteste Kontaktabzug im Besitz des Museums ist von 1878. „Die älteste Glasplatte stammt von 1888, die jüngsten aus den 1940er Jahren.“ Wer der Fotograf gewesen sei, wisse man nicht, so Renate Schafberg. „Es muss aber jemand aus dem Archiv gewesen sein.“

Das Besondere und für die Forschung so Bedeutsame ist der Umstand, dass jedes festgehaltene Tier mit Geburtsdatum, Objektbezeichnung, Aufnahmedatum und Identifikationsnummer dokumentiert wurde und teilweise sogar als Ausstellungsobjekt im Haustierkunde-Museum zu sehen ist.

Eine Entwicklung festhalten

Der sogenannte Haustiergarten mutete zwar von außen an wie ein großer Bauernhof, diente aber der Forschung und Lehre, wenngleich so manches Tier letztendlich auf dem Teller der Mitarbeiter landete. Nach erfüllter Pflicht, versteht sich. Die Fotos, die im Museum zu sehen sind, machen deutlich, worum es ging. Manches Tier wurde regelmäßig alle vier Wochen aufgenommen, um seine Entwicklung festzuhalten. Züchtungsversuche wurden dokumentiert, Einflüsse gemessen. So sind auf einem Bild zwei Schweine zu sehen.

Sie stammten aus einem Wurf, und an ihnen wurde getestet, wie groß der Einfluss der Gene und der der Umwelt ist. Heißt im Klartext: Das eine Tier wurde gemästet, das andere bekam gerade so viel zu fressen, dass es nicht verhungerte. Das Ergebnis ist beeindruckend: Das eine groß und fett, das zweite dürfte vielleicht die Hälfte wiegen. „Unser Highlight ist aber das Wildpferd im Sommerfell, das gibt es selten“, sagt Renate Schafberg. Eben jenes Pferd steht– im Winterfell – ebenfalls im Museum. Die Tierrassen übrigens gibt es heute alle noch, sie haben sich in den vergangenen 100 Jahren aber extrem gewandelt.

Auf den Abzügen sind die Tiere selten allein zu sehen. Mitarbeiter des Haustiergartens, deren Kinder oder die der Professoren sind mit auf den Bildern. Und so kann, wer sich nicht übermäßig für Tiere interessiert, die damalige Mode studieren. Auch interessant.