1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Riebeckplatz: Maritim Hotel Halle: Fragen und Antworten zur Schließung der Flüchtlingsunterkunft

Riebeckplatz Maritim Hotel Halle: Fragen und Antworten zur Schließung der Flüchtlingsunterkunft

19.11.2016, 20:21
Das ehemalige Hotel Maritim in Halle.
Das ehemalige Hotel Maritim in Halle. Jens Schlueter

Halle (Saale) - Die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge im ehemaligen Maritim-Hotel in Halle soll im März 2017 geschlossen werden. Das frühere Vier-Sterne-Hotel wird vom Land nicht mehr gebraucht, weil die Zahl der Asylsuchenden deutlich gesunken ist.

Ende 2015, nach Eröffnung der Flüchtlingsunterkunft, waren hier etwa 640 Asylsuchende untergebracht, aktuell (18.11.2016) sind es 113. Zu DDR-Zeiten hieß der Bau am Riebeckplatz Interhotel, erst im März 1992 wurde es von Maritim übernommen. Mit Blick auf die Auslastung konnte das Maritim Hotel spätestens im Jahr 2015 nicht mehr wirklich wirtschaftlich betrieben werden.

Die 298 Zimmer des 1966 eröffneten ehemaligen Interhotels waren nach Auskunft des früheren Chefs Bertram Thieme letztmalig Anfang der 90er Jahre umfassend hergerichtet worden.

Wann beschloss Sachsen-Anhalt, das Hotel als Flüchtlingsheim zu mieten?

Im August 2015 begannen die Vertragsverhandlungen zwischen dem Vermieter und dem Land. Der Mietvertrag wurde am 10. September 2015 unterzeichnet.

Ab wann diente das Maritim als Flüchtlings-Erstaufnahme-Einrichtung?

Am 1. Oktober 2015 bezogen die ersten 195 Flüchtlinge Zimmer im ehemaligen Hotel. Zuvor waren dort bereits vereinzelt Flüchtlinge untergebracht worden.

Wie viele Mitarbeiter haben damals ihren Job verloren?

Erst nachdem klar geworden ist, dass am 1. Oktober 2015 das Maritim Hotel sein Pforten schließen würde, wurden auch Gespräche mit der Belegschaft aufgenommen. Ende September 2015 hatte die Geschäftsleitung die Mitarbeiter in einem Schreiben in Kenntnis gesetzt, Für die meisten Mitarbeiter bedeutete der Millionen-Vertrag zwischen Land und Maritim, dass sie sich einen neuen Job suchen mussten.

Was ist eigentlich aus den Mitarbeitern geworden?

Erfreulicherweise haben etliche ehemalige Maritim-Mitarbeiter tatsächlich wieder Arbeit gefunden. Nicht im Hotel-Gewerbe oder gar an anderen Standorten ihre bisherigen Arbeitgebers. Stattdessen vor allem in der Dienstleistungsbranche und im Gastro-Bereich. Von allen Festangestellten, die aus Halle kamen, wurden 32 in ein Arbeitsverhältnis oder in eine Berufsausbildung vermittelt. Lediglich sechs vom Maritim-Personal sind noch arbeitssuchend, eine Frau ist in Weiterbildung und eine in Elternzeit. Drei Menschen sind derzeit krankgeschrieben. Was aus den restlichen acht Ex-Maritimlern wurde, das kann auch Halles Arbeitsagentur nicht genau sagen. Sie tauchen in der Statistik nicht auf.

Wie viele Flüchtlinge waren zu Spitzenzeiten im Maritim untergebracht?

Im Herbst vergangenen Jahres, als täglich Busse voller Flüchtlinge in Halle ankamen, gab es praktisch kein freies Bett im ehemaligen Maritim-Hotel. Zu Spitzenzeiten beherbergte das alte Hotel 640 Menschen. Ende Juni waren es gerade mal etwas mehr als 100. Das Land nutzt das Maritim als Zwischenlösung - solange bis für die Menschen eine dauerhafte Bleibe in einer Stadt in Sachsen-Anhalt gefunden wurde. Laut Innenministerium durchliefen 4266 Asylsuchende die Landesaufnahmeeinrichtung Halle.

Welche Vertragslaufzeit wurde für die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft geschlossen?

Das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Land wurde für den Zeitraum 1. Oktober 2015 bis 30. September 2018 geschlossen.

Wie hoch sind die Kosten für die Flüchtlingsunterkunft?

Drei Millionen Euro im Jahr kostet das Land allein die Miete für das in die Jahre gekommene Gebäude. Hinzu kommen die Kosten für Betrieb, Betreuung, Verpflegung. Hier beträgt die monatliche Vorauszahlung auf die Betriebs- und Nebenkosten 85.000 Euro. Das bedeutet: Denn Sachsen-Anhalt zahlt inklusive Vorauszahlung auf die Betriebs- und Nebenkosten monatlich 335.000 Euro Miete an die Maritim-Hotelgesellschaft.

Welche Nationalitäten waren seit Herbst 2015 dort untergebracht?

Im ehemaligen Maritim in Halle waren Flüchtlinge aus Afghanistan, Albanien, Algerien, Äthiopien, Bangladesch, Benin, Bosnien und Herzegowina, Burkina Faso, Dschibuti, Elfenbeinküste, Eritrea, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Indien, Irak, Iran, Kosovo, Libanon, Mali, Marokko, Niger, Pakistan, Palästina, Russische Föderation, Saudi-Arabien, Senegal, Serbien, Somalia, Syrien, Tunesien, Türkei, Usbekistan und Vietnam untergebracht. Die meisten von ihnen kamen aus Syrien (2031).

Die Nationalitäten haben sich im Laufe der Zeit allerdings stark verändert. Im Herbst 2015 seien vor allem Syrer und Afghanen angekommen, sagt Ina Tiedemann. Im Herbst 2016 wohnen in dem Haus größtenteils Afrikaner und Inder. Zwischen 11.000 und 12.000 Menschen sind so schon durch die Einrichtung gegangen, schätzt Tiedemann.

Wann soll die Flüchtlingsunterkunft geschlossen werden?

Die Zentrale Aufnahmestelle für Flüchtlinge im ehemaligen Maritim-Hotel soll im März 2017 geschlossen werden. Das frühere Vier-Sterne-Hotel wird vom Land nicht mehr gebraucht, weil die Zahl der Asylsuchenden deutlich gesunken ist. Sachsen-Anhalt will künftig nur noch zwei Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge betreiben. So ist geplant, das frühere Maritim-Hotel in Halle zum 31. März 2017 leerzuziehen.

Was geschieht bis zum Ende der Vertragslaufzeit?

Weil der Mietvertrag bis September 2018 gilt, könnte das Land ab April mehr als sechs Millionen Euro an den Vermieter zahlen, ohne dass ein einziges Zimmer mit Flüchtlingen belegt ist. „Das Ministerium für Inneres und Sport steht mit dem Vermieter der Liegenschaft im Kontakt. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang eine vorzeitige und einvernehmliche Beendigung des Mietverhältnisses möglich ist“, sagt Denis Vopel, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes.

Für einen kleinen Teil des Hauses ist indes bereits eine wenigstens vorläufige Nutzung gefunden: „Das Landesverwaltungsamt wird ab 1. Dezember Mitarbeiter unterbringen, so dass es eine Übergangsnutzung während des bestehenden Vertrages gibt“, sagt Vopel. Dabei handelt es sich offenbar um die Mitarbeiter des Referats „Rückführungsmanagements“, dessen Bildung Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) angekündigt hatte.

Was ist nach Vertragsende mit dem Hotel-Gebäude geplant?

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat die Maritim-Gruppe aufgefordert, mit dem Land unverzüglich über eine Auflösung des Mietvertrags zu verhandeln. „Darauf wollen wir auch selbst in einem Gespräch hinwirken. Denn städtebaulich ist ein Leerstand des Gebäudes am Riebeckplatz nicht zu vertreten.“ Die Stadt habe ein großes Interesse an einer schnellen Nutzung des Areals. „Ich favorisiere ein großes Hotel und Kongresszentrum; die Stadt braucht dringend weitere Hotel- und Übernachtungskapazitäten, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden“, so der OB.

Wird das Gebäude abgerissen, saniert oder ist ein Neubau geplant?

Maritim-Chef Gerd Prochaska sagt: „Da der Mietvertrag für drei Jahre abgeschlossen wurde, haben wir aktuell noch keine endgültige Entscheidung hinsichtlich der Nutzung der Immobilie getroffen.“

Die Schließung der Unterkunft für Flüchtlinge wird die Karten am Riebeckplatz trotzdem neu mischen. Bisher ist geplant, dass die Baufirma Papenburg auf der unweit gelegenen Freifläche des abgerissenen Riebeck-Nordturms ab Sommer nächsten Jahres ein Hotel mit rund 180 Zimmern baut. Kostenpunkt: 20 Millionen Euro. Nach der Fertigstellung soll es an eine Hotelkette verpachtet werden.

Diese Kette freilich ist noch immer nicht gefunden, kurzzeitig war die Interconti-Gruppe vorgesehen - einziehen sollte die Tochtergesellschaft Holiday-Inn-Express, mit einem Haus im „Drei-Sterne-Plus-Bereich“. Mit einem Hotel- und Kongresszentrum anstelle des Maritims würde das Papenburg-Hotel allerdings mehr als fraglich sein. Denn zwei Häuser nebeneinander, das würde sich nicht nur nach Meinung von Halles Dorint-Hotel-Direktor Bertram Thieme ganz sicher nicht rechnen.

Investor Papenburg hat sich am Donnerstag auf Nachfrage dazu nicht geäußert. Der Vorteil des Papenburg-Hotels: „Man kann also schnell in Halle benötigte Hotelbetten-Kapazität aufbauen“, sagt Stefan Voß. Leiter des halleschen Stadtmarketings. „Oder man nutzt die Gunst der Stunde, am Standort des Maritims einen größeren Wurf zu planen - in Richtung Vier-Sterne-Haus.“

Benötigt Halle überhaupt ein neues Hotel?

Der Plan des kommunalen Wohnungsunternehmens HWG, ein neues Hotel direkt am Riebeckplatz zu bauen, hat nicht nur Freunde. Bertram Thieme etwa ist „besorgt und tief beunruhigt“. Derzeit sei die betriebswirtschaftliche Situation der sieben bedeutenden Hotels Halles katastrophal, sagt der Direktor des Dorint-Hotels, das direkt neben dem geplanten Neubau befindet. „Aktuell liegt Auslastung der sieben Häuser bei 39,3 Prozent.“ Anfang 2017 wird unmittelbar im Stadtzentrum zudem neben der Händelhalle das B&B-Hotel mit weiteren 100 Zimmern den Hotelmarkt der Stadt ergänzen.

Dass sich der Neubau füllt, daran hat Stefan Voß, Leiter des Stadtmarketings, dagegen keinerlei Zweifel. „Halle fehlen Hotelkapazitäten. Diese sind rückläufig und unterdimensioniert.“ Halle sei nach der Maritim-Schließung auf dem Niveau das Jahres 1994. „Jedes größere Hotel in der Innenstadt ist besser als unsere dezeitigen 1.400 Hotel- und Pensionsbetten“, so Voß.

Wie das ehemalige Maritim-Hotel Teil eines Gerüchtes wurde.

„Der Hausmeister des zur Flüchtlingsunterkunft umfunktionierten Maritim-Hotels in Halle ist von Bewohnern so massiv verprügelt worden, dass er im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlag.“ So lautete im Herbst eine unbestätigte Meldung - die auch nie bestätigt wurde. Sie war frei erfunden. Die Geschichte eines Gerüchtes hat im November 2015 Alexander Schierholz unter die Lupe genommen.

Aufgrund des Gerüchtes hatte sich sogar Hendrik Liedtke, Chefarzt im Elisabeth-Krankenhaus und verantwortlicher ärztlicher Koordinator der Landesaufnahmeeinrichtung (LAE) Halle, zu Wort gemeldet. (mz)