Klassenzimmer im Grünen Klassenzimmer im Grünen: Schulgärten werden immer seltener

Halle (Saale)/dpa/MZ - Kleine Hände buddeln in brauner Erde. Endlich ist das Objekt der Begierde zu sehen. „Aus der Möhre macht meine Mama eine Suppe“, sagt Mai stolz. Die Achtjährige holt gemeinsam mit ihren 19 Mitschülern im Pflanzgarten der Franckeschen Stiftungen in Halle ihre eigene Ernte ein. Jede Woche graben, säen und naschen die Drittklässler der Grundschule „August Hermann Francke“ eine Unterrichtsstunde lang in den Beeten und Plantagen.
Ein Bild, das immer seltener wird. Der Schulgarten, in der DDR Standard, sei so gut wie ausgestorben, sagt die Leiterin des Projekts Umweltbildung im Lehrgarten der Franckeschen Stiftungen, Cornelia Jäger. So gebe es im Land nur noch rund 100 Schulgärten - bei 537 Grundschulen.
War Gärtnern früher im Osten ein eigenes Schulfach, so sei es heute in den Sachkundeunterricht integriert. Die Grundschulen entschieden aber selbst, ob sie ein grünes Klassenzimmer anbieten, sagt Jäger. Dafür brauche es engagierte Lehrer, „die auch in ihrer Freizeit den Garten pflegen“. Und es brauche Geld. Fördermittel aber gebe es für Schulgärten nicht, bedauert Jäger. „Für die Ausstattung sind die Schulträger zuständig“, sagt Martin Hanusch, Sprecher im Kultusministerium.
Die Kinder, die in den Franckeschen Stiftungen gärtnern, haben Glück: Der Lehrgarten ist ein vom Land gefördertes Umweltbildungsprojekt, Jäger kann auf die Hilfe von Bürgerarbeitern zurückgreifen. So sei regelmäßige Gartenarbeit mit Vorschulkindern und Grundschulklassen möglich. „Die Kinder lernen mit allen Sinnen“, schildert Cornelia Jäger. „Sie bekommen den gesamten Prozess vom Säen bis zur Ernte mit.“
Schulgarten als Lernort verstehen
In der Grundschule Allstedt (Mansfeld-Südharz) haben sie vor kurzem Tomaten geerntet. Die, häufig noch grün, liegen nun in den Fenstern. „Die Kinder können zuschauen, wie sie reifen, und sich dann eine nehmen“, sagt Schulleiterin Karin Strobach. „Das kommt gut an.“ Nicht zu unterschätzen: „Gartenarbeit ist entspannend“, sagt Cornelia Jäger von den Franckeschen Stiftungen. Manchmal geht sie mit einer Gruppe von Schülern einfach nur zum Zeichnen in den Garten. „So lernen die Kinder genau hinzuschauen.“ Und werden darüber ruhig. Darauf schwört auch Karin Strobach in Allstedt. Gerade Schüler mit Lern- oder Verhaltensstörungen verhielten sich im Garten ganz anders als im Klassenzimmer.
Auch in Allstedt haben sie Glück: Eine pädagogische Mitarbeiterin kümmert sich gemeinsam mit den Lehrern um den Unterricht im Garten und bietet eine Arbeitsgemeinschaft „Kleine Schulgärtner“ an. Und was das Finanzielle angeht, „haben wir ein kleines Budget von der Stadt“, sagt Strobach.
Um die Zukunft der Schulgärten dreht sich von Donnerstag bis Sonnabend ein Kongress in Halle. Dabei soll es auch um neue Ideen gehen. Es gebe in vielen Schulen engagierte Lehrer, sagt Jäger, es brauche manchmal nur einen Anstoß von außen. „Es muss nicht immer gleich ein ganzer Garten sein. Für ein paar Hochbeete mit Kräutern ist auf jedem Schulhof Platz.“
