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Kiez-Döner in Halle geschlossen Kiez-Döner in Halle geschlossen: "Von einem Unglück in das nächste"

Von Julius Lukas 14.04.2020, 21:49
Ismet Tekin (rechtes Bild) betreibt den „Kiez-Döner“ erst seit Ende vergangenen Jahres. Er war zuvor Mitarbeiter in dem Imbiss, der einer der Tatorte beim rechtsextremen Terroranschlag in Halle war.
Ismet Tekin (rechtes Bild) betreibt den „Kiez-Döner“ erst seit Ende vergangenen Jahres. Er war zuvor Mitarbeiter in dem Imbiss, der einer der Tatorte beim rechtsextremen Terroranschlag in Halle war. Julius  Lukas/dpa

Halle (Saale) - Die Stühle sind hochgestellt, die Schirme eingeklappt: Schon vor dem Kiez Döner in Halle sieht man, dass sich im Bistro kein Fleischspieß mehr dreht und keine Fladenbrote mehr gefüllt werden. „Wir haben geschlossen, es ging einfach nicht anders“, sagt Ladeninhaber Ismet Tekin. Er habe auch einen Straßenverkauf ausprobiert, der ja erlaubt sei. „Doch das Geschäft läuft gerade einfach nicht, wir kamen von einem Unglück in das nächste: erst der Anschlag, dann Corona.“

Der Kiez Döner in der Ludwig-Wucherer-Straße erlangte im vergangenen Jahr deutschlandweit traurige Berühmtheit. Am 9. Oktober erschoss der Attentäter von Halle in dem Laden eines seiner zwei Todesopfer. „Mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt im Geschäft, ich habe Lebensmittel eingekauft“, erinnert sich Tekin. Er habe beobachtet, wie sich der Attentäter vor dem Laden einen Schusswechsel mit der Polizei lieferte. Als er dann in den Dönerimbiss kam, sah er die Leiche des getöteten Kevin S. „Diesen Tag werde ich nie vergessen.“

Hunderte bei Wiedereröffnung

Die Arbeit im Laden, so sagt es der 36-Jährige, sollte ihm dabei helfen, die dramatischen Ereignisse zu verarbeiten. Nach dem Anschlag schenkte der damalige Besitzer des Kiez Döners ihnen das Geschäft. Zur Wiedereröffnung im November kamen Hunderte Menschen - auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). „Doch danach wurde es ruhiger“, sagt Tekin. In der Winterzeit blieben die Kunden weg. Ob das am Anschlag lag? „Ich weiß es nicht, aber wir hofften, dass es im Frühling wieder besser läuft - doch dann kam das Coronavirus.“

Mehrere Wochen habe er versucht, das Geschäft am Laufen zu halten. „Doch es geht nicht, wenn man kaum Geld einnimmt und am Ende des Tages das Essen wegschmeißen muss.“ Tekin hat, wie er sagt, derzeit keine Einnahmen. Er stellte einen Antrag auf Hartz-IV, den er aber erst einmal ruhen lässt. „Das ist mir einfach zu viel Papier, zu viel zum Ausfüllen.“

Kopf wieder freibekommen

Was dem Bistrobesitzer derzeit bleibt, ist die Hoffnung auf Besserung. Denn den Kiez Döner komplett zu schließen, soweit sei er noch nicht: „Am liebsten würde ich sofort wieder öffnen“, sagt Tekin. Denn die tatenlose Zeit zu Hause hole nur die Erinnerungen an den 9. Oktober wieder nach oben. „Ich will nicht rumsitzen, sondern Menschen bedienen, ihnen Essen zubereiten – und so auch den Kopf wieder frei bekommen“, sagt Tekin. (mz)