Junge Arbeitslose Junge Arbeitslose: Goldenen Schnitt gefunden
Halle/MZ. - "Den Stadtgottesacker habe ich vorher gar nicht gekannt", gesteht Jacqueline Schmidt. Vorher - damit meint die 20-jährige Bürokauffrau die Zeit, bevor sie in das ABM-Projekt für junge Arbeitslose eingestiegen ist. Im Herbst vorigen Jahres war das, und nun steht Jacqueline gemeinsam mit 14 anderen jugendlichen Arbeitslosen im Ratshof, 2. Etage, vor "ihrer" Ausstellung - stolz natürlich. "Alte Spuren - neue Sicht" ist der Titel der Schau, die eindrucksvolle Fotos zeigt: Engels-Figuren, der Tod als Skulptur, steinernen Grabschmuck und andere Symbole der Vergänglichkeit, durch Bearbeitung mit dem Computerprogramm Photo-Shop in einen völlig neuen Zusammenhang gesetzt. Eben eine "neue Sicht" auf alte Dinge.
Auf der Grundlage des Bundes-Sofortprogramms Jump, die junge, gut ausgebildete Arbeitslose möglichst schnell wieder in Arbeit bringen soll, haben der Verein Pflaster und die Gesellschaft für Mikroelektronik (GfM) mit dem Stadtplanungsamt das Projekt "digic@d" aus der Taufe gehoben. "Innerhalb des Projektes haben wir uns mit der Dokumentation historischer Bauwerke beschäftigt", erklärt Katja Münch, mit 25 Jahren eine der ältesten Teilnehmerinnen der ABM, die für Jugendliche bis 25 gedacht ist. Die Teilnehmer haben unter fachkundiger Anleitung die Zucker-Raffinerie und das Solbad Wittekind digital erfasst und dokumentiert. "Das interessanteste Objekt aber war der Stadtgottesacker", so Jenny Chandry, arbeitslose CAD-Zeichner.
Auf dem ältesten Friedhof der Stadt haben die Jugendlichen unzählige Foto-Aufnahmen gemacht und digital bearbeitet. Das Ergebnis: ein Kalender und ein Buch, passend mit Versen und Gedichten von Hesse, Heine und anderen Dichtern gestaltet. "Wir sind wahnsinnig stolz auf unsere Arbeit", sagt Jenny, die wie die anderen hofft, dass für Buch oder Kalender vielleicht ein Verleger gefunden wird - oder auch für beides. Bürgermeisterin Dagmar Szabados jedenfalls hat den jungen Leuten zur Eröffnung ihrer Ausstellung zugesichert, mit einem halleschen Verlag Kontakt aufzunehmen. "Das wäre toll, für die ersten Exemplare hätten wir schon Abnehmer", meint Frank Männicke von der GfM, der die Qualifizierungsmaßnahme noch bis August betreut. Bis dahin soll eine CD-Rom zur Nacht der Kirchen fertiggestellt werden. "Wir haben viel gelernt - am Fotoapparat, am Computer, aber auch miteinander", meint Jacqueline, für die nun nicht nur der Stadtgottesacker, sondern auch der "Goldene Schnitt", eine Gestaltungsregel, ein Begriff ist.
Die Ausstellung im Rathaus ist bis zum 21. Juni zu sehen.