Jugendmedientreffen in Halle Jugendmedientreffen in Halle: Desinteresse? Von wegen...

Halle (Saale) - Sind klassische Medien, wie Zeitung und Fernsehen out? Wie informieren sich Jugendliche über das aktuelle Tagesgeschehen? Das waren die zentralen Fragen einer Podiumsdiskussion, die den Auftakt des 15. Jugendmedientreffens in Halle gebildet hat.
Während Jörg Wiesner vom MDR die Pläne zum künftigen gemeinsamen Jugendangebot von ARD und ZDF vorstellte, beschrieb János Varga von der Hochschule Magdeburg-Stendal das Studierenden-Projekt „Die Wählerischen“. Die Wissenschaftlerin Patricia Müller von der TU Ilmenau stellte erste Untersuchungsergebnisse ihrer Studie zur Nachrichtennutzung junger Menschen vor.
Die 14-jährige Pauline Doerband geht in die 8. Klasse der „Latina August Hermann Franke“ Schule in Halle. Seit einem Jahr arbeitet sie bei der Schülerzeitung „Littera“. An den Workshop bei der MZ hatte sie anfangs keine speziellen Erwartungen gesetzt. Sie wollte sich einfach überraschen lassen und vor allem viel neues lernen. Diese Erfahrungen will Pauline jetzt in die Texte der Schülerzeitung einfließen lassen.
Annika Münch ist 14 Jahre alt. Sie ist Schülerin und geht in die 8. Klasse an der freien Gesamtschule „Gustav-Adolf“ in Lützen. Seit drei Jahren arbeitet sie an der Schülerzeitung „Skolan“ mit. Sie hat vieles in dem Workshop gelernt und weiß jetzt, worauf es ankommt, wenn man Texte schreiben möchte.
Die anschließende Diskussion, die von fjp-Mitorganisatorin Juliane Jesse geleitet wurde, drehte sich vor allem um die wissenschaftliche Einordnung von Patricia Müller, die seit 2009 an der technischen Universität Ilmenau als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Public Relations und Technikkommunikation tätig ist. Zwar wird die 31-Jährige ihre Doktorarbeit zu dem Thema erst im kommenden Jahr abschließen, aber ihre Zwischenergebnisse waren schon jetzt sehr aufschlussreich.
Aus anderen Studien weiß Müller, dass 18 bis 24-Jährige täglich oder mehrmals wöchentlich soziale Netzwerke nutzen, um sich über das politische Geschehen auf dem Laufenden zu halten. „Viele junge Menschen verbringen sehr viel Zeit online und stoßen so auch zufällig auf Informationen“, so Müller. Soziale Netzwerke seien eine „Allround“-Plattform, die häufig zur Nachrichtenaufnahme genutzt wird. Und zwar deswegen, weil man schnell und einfach an Informationen kommt, ohne sich aktiv bemühen zu müssen.
Überschätzung durch soziale Netzwerke
Auf der Basis einer Online-repräsentativen Umfrage unter 561 Usern kam Müller zu dem Ergebnis, dass nach wie vor „übliche Verdächtige“ wie hohe Bildung, politisches Interesse und Nutzung von Qualitätsmedien, etwa Nachrichtenwebsites, politisches Wissen begünstigen. Dagegen aber die starke Nutzung von sozialen Netzwerken zum Teil zur Überschätzung des eigenen Wissens führt. „Ich habe eine Studie zur Innenpolitik durchgeführt, bei der ich verglichen habe, inwieweit sich die Selbsteinschätzung - also das, was man über Innenpolitik denkt zu wissen - zu dem tatsächlichen Wissen und den wirklichen Fakten unterscheidet“, erklärt Müller. Diejenigen, die sich eher passiv darauf verlassen, von Freunden oder über abonnierte Nachrichten informiert zu werden, überschätzten sich tendenziell. Die Aufnahme von vielen „Informationshappen“ führe möglicherweise zwar zu dem Gefühl der Informiertheit, aber tatsächlich konnten die Befragten wenig Faktenwissen vorweisen.
Die Wissenschaftlerin ist überzeugt, dass Medienkompetenz notwendig ist und geschult werden sollte, um im Internet unterscheiden zu können, was eine glaubwürdige und seriöse Nachrichtenquelle ist. „Ich glaube, gerade bei solchen polarisierenden Themen wie etwa der Flüchtlingsdebatte ist die Gefahr groß, dass man als junger Mensch Informationen nicht hinterfragt. Vor allem, weil in sozialen Netzwerken Meinungsäußerungen eine starke Rolle spielen, können etwa Kommentare schnell zu Fehlinformation führen“, erklärt Müller.
Jugendliche stark politisch interessiert
Auch wenn viele mit Skepsis auf die Nachrichtennutzung der heutigen Jugend schauen, waren die Experten im Podium überzeugt: Jugendliche sind derzeit sehr stark politisch interessiert. Ob sie die Tagesthemen nun im Fernsehen schauen oder über die Mediathek, die Zeitung gedruckt oder online lesen, spielt für den Wissenstand keine Rolle. Wichtig sei hingegen, Informationsquellen nicht blind zu vertrauen und unbedingt schon bei der Ausbildung an den Schulen das Bewusstsein zu schaffen, welche Nachrichtenquellen Relevanz besitzen und wie man an gesicherte Informationen gelangt. (mz)