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Interview mit OB Bernd Wiegand Interview mit OB Bernd Wiegand: "Es geht um Millionenbeträge"

01.06.2013, 20:34
Oberbürgermeister Bernd Wiegand: „Es sind vereinzelte Stimmen, die Kritik üben.“
Oberbürgermeister Bernd Wiegand: „Es sind vereinzelte Stimmen, die Kritik üben.“ Thomas Meinicke Lizenz

Halle/MZ - Das Interview mit Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) findet in einem Café statt - der OB hat Urlaub. Dennoch kommt er gerade von einem Termin im Landesverwaltungsamt. Die Haushaltslage der Stadt, falsch besetzte Stellen, die Kritik an Wiegands Führungsstil und seiner Personalpolitik - Fragen, über die auch Gert Glowinski und Felix Knothe mit dem OB gesprochen haben.

Herr Wiegand, der Haushalt ist beschlossen, beim Sparberater haben Sie sich durchgesetzt, auch Ihre Verwaltungsstruktur scheint Fuß zu fassen. Was kommt als Nächstes?

Wiegand: Zum einen sind da weitere Vorhaben, für die Lösungen gefunden werden müssen: die Belebung des Riebeckplatzes durch ein Verwaltungsgebäude, die Schließung des Lochs an der Spitze und die Ballsporthalle. Zum anderen wird es einen intensiven Bürgerbeteiligungsprozess zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept geben, mit dem wir die Stadt voranbringen wollen. Das sind große Herausforderungen. Und natürlich geht es auch in den kommenden Jahren um die Gesundung unserer Finanzen.

Mit Finanzen meinen Sie sicher harte Einschnitte. Worauf müssen sich die Hallenser einstellen?

Wiegand: Die Stadt Halle hat ein Altdefizit - einschließlich Kredite - in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Die Verwaltung wird für 2014 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das reicht aber nicht. Wir müssen beginnen, die Altdefizite abzutragen. Das bedeutet teils schmerzliche Einschnitte. Dazu erfolgen in der Verwaltung und in den städtischen Unternehmen intensive Prüfungen. Viele Aufgaben im „Konzern Stadt“ kommen auf den Prüfstand. Damit besteht auch die Chance, Bereiche neu oder effektiver aufzustellen.

Nennen Sie bitte konkrete Summen.

Wiegand: Es geht um Millionenbeträge, denn von uns werden große Einspareffekte erwartet. Wir suchen zunächst verwaltungsintern nach Einsparmöglichkeiten. Der Antrag aus der letzten Stadtratssitzung, unbesetzte Stellen in der Verwaltung möglicherweise zu streichen, geht in die richtige Richtung, muss allerdings von einer Aufgabenkritik begleitet werden. Dazu werde ich mit den Fraktionen intensiv zusammenarbeiten.

Welche Bereiche werden von Kürzungen besonders betroffen sein?

Wiegand: Wir schauen uns alle Bereiche an. Ich werde aber bei meinen Schwerpunkten - das sind Wissenschaft und Kultur - darauf achten, dass wir die Vielfalt erhalten. Denn das sind die Leuchttürme unserer Stadt.

Wird die Kultur also von Kürzungen verschont bleiben?

Wiegand: Versprechen kann ich das derzeit nicht, zumal der Landeshaushalt erst im Herbst 2013 vom Landtag beschlossen wird. Aber man muss das Thema Kultur auch umfangreich betrachten. Kultur ist nicht nur die Theater, Oper und Orchester GmbH, sondern betrifft auch die vielen freien Kulturschaffenden in Halle. Die dürfen natürlich nicht vernachlässigt werden.

Sie haben den Theater-GmbH-Chef Rolf Stiska kritisiert. Warum?

Wiegand: Ein Geschäftsführer kann nicht einfach sagen, wenn ich nicht mehr Geld bekomme, gehe ich in die Insolvenz. Noch dazu, wenn seine GmbH Rücklagen gebildet hat, die es zunächst aufzubrauchen gilt. Ein solches Vorgehen halte ich nicht für gerechtfertigt. Ich musste als Gesellschafter Herrn Stiska anweisen, seine Bücher für den Finanzberater zu öffnen. Gerade wenn Kürzungen auf die Stadt zurollen, muss man bereit sein, alles offenzulegen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Das hat Herr Stiska bislang nicht getan.

Offenbar will Stiska zurücktreten. Wäre er weiterhin der richtige Mann?

Wiegand: Das müssen Sie ihn selbst fragen. Seit vielen Jahren war bekannt, dass diese Situation eintreten wird.

Die Landesregierung hat auch im Bereich Kultur drastische Einschnitte angekündigt.

Wiegand: Wir werden unter anderem diskutieren müssen, wo es Kooperationen zwischen Einrichtungen innerhalb des Landes geben kann. Ich werde sehr eng mit den zuständigen Ministerien und den Stadträten zusammenarbeiten, um die Vielfalt der Kultur in Halle zu erhalten.

Auch die städtischen Unternehmen nehmen Sie gerade genau unter die Lupe. Wie viel ist da zu holen?

Wiegand: Die städtischen Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren sehr eigenständig entwickelt. Als Stadt müssen wir aber zu einer einheitlichen Konzernsicht kommen, um eine wirtschaftliche Ausgewogenheit für alle Konzernmitglieder zu erreichen. Die städtischen Tochter-Unternehmen werden sich an der Konsolidierung ihrer Mutter Stadt beteiligen müssen.

Wie beurteilen Sie den Sparkurs des Landes aus Sicht der Stadt?

Wiegand: Es gibt keine Alternative zum Sparen; deshalb unterstütze ich diesen Ansatz der Landesregierung. Trotz sinkender Einnahmen muss Sachsen-Anhalt wettbewerbsfähig bleiben. Die Diskussionen zu den Sparplänen sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Und wir werden als Stadt natürlich weiter versuchen, Einfluss zu nehmen, gemeinsam mit den halleschen Landtagsabgeordneten. Denn am Ende entscheidet der Landtag über den Haushalt.

Dennoch scheinen die Proteste der letzten Wochen Wirkung gezeigt zu haben. Erwarten Sie Proteste, wenn es in der Stadt ans Sparen geht?

Wiegand: Natürlich können auch die im städtischen Haushalt geplanten Einschnitte zu Protesten führen. Doch Protest führt auch dazu, dass sich Entscheidungsträger hinterfragen. Das geht auch mir so. Dennoch: Auch Vereine und andere Interessengruppen müssen sich optimieren. Wir werden die Diskussionen fair führen. Ich werde dem Stadtrat einen klaren Vorschlag machen. Am Ende des Prozesses muss dieser entscheiden.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat. Von dort gab es in letzter Zeit heftige Kritik.

Wiegand: Die Zusammenarbeit ist sehr positiv. Es sind vereinzelte Personen, die Kritik üben. Ich habe in allen Fraktionen viele Unterstützer, mit denen ich vertrauensvoll zusammenarbeite.

CDU, SPD und FDP haben dennoch angekündigt, enger zusammenzuarbeiten, auch um Sie besser kontrollieren zu können.

Wiegand: Es geht weniger um Kontrolle als vielmehr um Sachthemen, über die wir miteinander reden müssen. Die Sacharbeit wird, wenn die Kommunalwahlen näher rücken, zunehmen, gerade auch zu den eingangs genannten Themen. Dann wird der Bürger erkennen, welche Fraktion die besten Sachargumente hat.Das Landesverwaltungsamt hat die Einstellung zweier enger Mitarbeiter von Ihnen gerügt. Müssen die jetzt gehen?

Wiegand: Die Kritik bezieht sich auf die Anstellung in der Zeit ohne Haushalt, die Stellen dazu waren im Stellenplan vorhanden. Die Kritik nehme ich an. Ich komme auch der Anregung nach zu prüfen; eine Kündigung kommt aber nicht in Betracht. Es handelt sich um dringend benötigte Vertrauensstellen. Beispielsweise Oliver Paulsen kennt sich in Stadtratsangelegenheiten bestens aus, seine Expertise brauche ich.