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Ex-Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler Halles Grande Dame ist 80 Jahre alt geworden

Die ehemalige Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler ist am Montag 80 Jahre alt geworden. Nach der Wende erblühte ihre politische Karriere. Bis heute begeistert sie Menschen.

Von Tanja Goldbecher Aktualisiert: 23.03.2024, 14:09
Ingrid Häußler stand von 2000 bis 2007 an Halles Stadtspitze. Am Montag ist sie 80 Jahre alt geworden.
Ingrid Häußler stand von 2000 bis 2007 an Halles Stadtspitze. Am Montag ist sie 80 Jahre alt geworden. Foto: Schellhorn

Halle (Saale)/MZ. - In ihrem Garten in Giebichenstein steckt ein blaues Nummernschild im Blumenbeet. „Ingrid 80“ steht darauf. Und in einer Vase auf dem Terrassentisch blühen 80 Tulpen. Die Zahl ist entscheidend. Denn so alt ist Halles ehemalige Oberbürgermeisterin Ingrid Häußler am Montag geworden. Bis heute engagiert sich die SPD-Politikerin in der Stadt und begeistert immer noch Menschen. Rund 80 Gäste haben an ihrem Ehrentag mit Ingrid Häußler im Volkspark angestoßen.

Obwohl ihre Amtszeit als Oberbürgermeisterin schon 17 Jahre zurückliegt, wird die Hallenserin immer noch auf der Straße von Bürgern angesprochen. „Die Leute haben mich bis heute nicht vergessen.“ Häußler hat sich aber auch nie in ihrem Ruhestand zurückgelehnt. Bis heute ist sie die Vorsitzende der Bürgerstiftung Halle, zieht die Fäden im Volkspark-Verein und steht auch bei den Halleschen Leichtathletik-Freunden weiterhin an der Spitze. Allmählich wolle sie Nachfolger suchen. Doch die Vereine halten gern einer Vorsitzenden fest, die so gut im Land vernetzt ist.

Häußler wird zunächst Chemielaborantin und holt ihr Abitur später nach

Dass Menschen an Häußler glauben und dies stets getan haben, ist markant für ihre politische Karriere. Während der DDR hielt sie sich von offiziellen Posten fern. Ihre Eltern betrieben damals in Görlitz einen Tante-Emma-Laden und bekamen die Repressalien des Systems zu spüren. Ihre Mutter riet ihr, nach der Schule Chemielaborantin zu werden. 1963 holte Häußler ihr Abitur an einer Abendschule nach und studierte danach Chemie an der Technischen Universität in Dresden. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann kennen und bekam noch während des Studiums ihr erstes Kind.

Häußler wollte nie in den großen Chemiewerken der DDR arbeiten. Doch in Halle bekam die kleine Familie eine Wohnung in Neustadt und in den Chemischen Werken Buna zwei Festanstellungen und einen Krippenplatz. Häußler bekam noch zwei Söhne und arbeitete hart. Doch in ihrem Inneren war sie unzufrieden. „Jedes Silvester habe ich überlegt, was ich im neuen Jahr ändern könnte.“ Doch die Spielräume seien zu klein gewesen.

Erst mit der Wende zeigte Häußler, wie energisch sie für etwas kämpfen kann. Sie engagierte sich im Neuen Forum und trat in die SPD ein. Im März 1990 gründete sie gemeinsam mit anderen den ersten Betriebsrat in Buna und wurde prompt zur Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Immer wieder wurde die Hallenserin ermuntert, weitere Ämter zu übernehmen. 1990 zog sie in den Stadtrat. In dieser Zeit zerbrach ihre Ehe, doch bis heute stehe sie in gutem Kontakt mit ihrem damaligen Mann.

1994 wurde sie Landtagsabgeordnete und nur ein Jahr später Regierungspräsidentin im Bezirk Halle. „Ich wollte den Posten eigentlich nicht“, sagt Häußler. Doch es sei schwer gewesen, geeignete Personen zu finden, die nicht aus dem Westen stammten. Also willigte sie ein.

Die OB-Wahl im Jahr 2000 und die Arbeit im Rathaus

Auch als Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) sie bat, 1998 Ministerin für Raumordnung und Umwelt in Magdeburg zu werden, zögerte Häußler. Sie hatte bereits die Oberbürgermeisterwahl in Halle im Jahr 2000 im Blick. „Meine Bedingung war, dass mir Höppner bei der Wahl keine Steine in den Weg legt.“ Das tat er nicht und Häußler gewann die OB-Wahl.

Durch ihre Zeit als Regierungspräsidentin kannte sie sich in Halle recht gut aus. Trotzdem musste sich die SPD-Politikerin zunächst in den Strukturen der Stadtverwaltung zurechtfinden. „Heute staune ich über mich selbst“, gibt Häußler zu. Doch ihr gelang es, loyale Mitarbeiter zu gewinnen. So holte sie zum Beispiel die heutige Chefin des Stadtmuseums, Jane Unger, ins OB-Büro. „Ich habe meinen Mitarbeitern immer etwas zugetraut und wurde nicht enttäuscht“, sagt Häußler. Auch mit vermeintlichen politischen Gegnern gelang ihr die Zusammenarbeit.

Bestes Amtsjahr 2006 und Häußlers aktueller Blick auf die Politik

Ihr bestes Amtsjahr war 2006. Zur 1200-Jahr-Feier sei die Stimmung in der Stadt so gut wie lange nicht gewesen. „So eine Stimmung würde ich mir heute wieder wünschen.“ Ingrid Häußler blickt mit Sorge auf die aktuelle Politik. Der Ton im Stadtrat sei rau geworden. Die Demokratie müsse dringend gestärkt werden.

Die Zeit verfliegt, wenn Häußler von ihrem Leben berichtet. Nach eineinhalb Stunden ist längst noch nicht alles erzählt. Doch sie muss zum nächsten Termin. Häußler ist mit einem langjährigen politischen Weggefährten zum Mittagessen verabredet. Danach steht ein Gespräch im Volkspark an. Zeit für eine letzte Frage: Was sie sich für das neue Lebensjahr vorgenommen habe? „Ich will ein drittes Mal den 900 Kilometer langen Jakobsweg laufen.“ Aber erst nächstes Jahr, in diesem stünden schon zu viele Termine im Kalender.