Halle Halle: Opernfrack statt Richterrobe
Halle (Saale)/MZ. - Nach 40 Jahren und neun Monaten im Dienst der Justiz muss auch einmal Schluss sein - Tilman Schwarz, Präsident des Landgerichts Halle, tritt in dieser Woche in den Ruhestand. Doch der dienstälteste Richter in Sachsen-Anhalt - hier hat er 21 Jahre gearbeitet - ist davon keineswegs begeistert: "Der Abschied fällt mir schwer, ich hätte gerne noch zwei Jahre weitergearbeitet, bis die Sanierung des Landgerichts abgeschlossen ist." Doch das Richtergesetz sehe keine Ausnahmen von der Pensionierung mit 65 vor.
Das Herzblut von Tilman Schwarz hängt an der Sanierung des 1905 erbauten und in Deutschland wohl einmaligen Justizpalastes am Hansering: "Ich habe beim Land immer wieder dafür geworben", sagt er.
Und warum er sich so für das 1905 erbaute Landgericht engagiert hat, wird klar, wenn man Schwarz’ Biografie kennt: Am 10. November 1990 kam er aus Celle (Niedersachsen) zum Dienstantritt nach Halle - als zweiter Richter überhaupt aus dem Westen. Der Hildesheimer Dietmar Fromhage, bis 2006 Präsident des Landgerichts, war der erste gewesen.
An den 10. November 1990 erinnert sich Schwarz noch sehr genau: "Das war eine andere Welt. Ich musste an Wachen vorbei, das Gericht war nicht wie heute frei zugänglich." Was man mit dem Juristen vom Oberlandesgericht Celle so anfangen sollte, da sei man erst einmal ratlos gewesen - denn die anderen Richter, die sonst aus dem Westen kamen, blieben immer nur kurz für Schulungen. Doch Schwarz, der 1992 zum Vizepräsidenten und 2007 zum Präsidenten des Landgerichts ernannt wurde, wollte aus Halle keine Zwischenstation machen. "Hier geschah etwas Neues, etwas Spannendes. Hier konnte ich Dinge mitgestalten und helfen, eine rechtsstaatliche Justiz aufzubauen", sagt er zu seiner Motivation. "Und das hat ungeheuren Spaß gemacht."
Für den Richter waren vor allem die ersten zwei Jahre beeindruckend. In dieser Zeit überprüfte er im Senat für Rehabilitierungsverfahren DDR-Urteile auf ihre Rechtmäßigkeit. Die Aktenberge waren riesig, über 2 000 Verfahren wurden damals von dem Senat im Jahr bearbeitet. Und dabei ging es für die Betroffenen oft nicht nur um die Anerkennung, dass sie zu Unrecht aus politischen Gründen verurteilt worden waren. "Mit einer Rehabilitierung sind die Rückgabe von beschlagnahmtem Vermögen und Grundstücken, aber auch Haftentschädigungen verbunden", so Schwarz, der die Urteile der DDR-Richter als zum Teil sehr hart bezeichnet.
Aber auch die menschliche Seite der Fälle, die er ab 1992 bearbeitete, berührte ihn: Als Berufungsrichter war er seitdem für Beschwerdeverfahren zuständig im Zusammenhang mit der Betreuung und Unterbringung von seelisch oder geistig Kranken. Eine weitere Station war das Landgericht Dessau, wo er von 2004 bis 2007 Präsident war.
So ganz wird es mit der Juristerei für Schwarz, der auch zehn Jahre lang, bis 2008, Landesvorsitzender des Richterbundes war, im Ruhestand nicht vorbei sein. Im Auftrag des Justizministeriums soll er eine Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare leiten und sie in Sachen Zivilrecht fit machen. Schon im Januar geht es los - die Papiere sind längst unterzeichnet.
Und Langeweile wird bei dem Liebhaber von Verdi-Opern schon gar nicht aufkommen. Als Präsident der Gesellschaft der Freunde der Oper Halle will er sich weiter dort engagieren. Die nächste Opernfahrt ist schon geplant: Im März geht es zur Dresdener Semperoper. Das Ziel liegt dabei auf der Hand, denn die halleschen Opernfreunde wollen dann die Premiere der Inszenierung "Svanda, der Dudelsackpfeifer" von Halles Operndirektor Axel Köhler besuchen.
Und neben dem Opern-Freundeskreis hat Schwarz seit zwei Jahren noch eine weitere ehrenamtliche Aufgabe: Er sitzt im Verwaltungsrat der evangelischen Stadtmission.