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Halle Halle: Die erste Brikettpresse der Welt

Von MICHAEL FALGOWSKI 05.10.2011, 18:24

AMSDORF/Halle (Saale)/MZ. - Anfang des Jahres tat sich in Zscherben ein tiefer Krater auf. Nicht zum ersten Mal - in den 70er Jahren verschwand auf diese spektakuläre Art schon mal ein Haus. Einen solchen Erdfall gab es zuletzt Ende vergangenen Jahres auch auf dem Sportplatz in einer Grundschule im halleschen Paulusviertel. Solche sich plötzlich öffnende Löcher rücken schlaglichtartig ein Kapitel der Stadtgeschichte ins Bewusstsein, das beinahe vergessen scheint, obwohl seine Spuren noch überall zu sehen sind: den Braunkohlebergbau.

Platz in der Industriegeschichte

Wer weiß heute schon noch, dass das Revier Halle-Röblingen im Jahr 1861 mit 543 000 Tonnen die größte Braunkohleförderung in Deutschland hatte? Auch wenn ihm diese Position bald vom Braunkohlerevier Zeitz-Weißenfels abgenommen wurde. Oder dass der erste Abraumbagger bei Halle-Röblingen 1899 in Betrieb ging, der erste Kohlebagger 1908. So wurde statt in den bisherigen Tiefbauschächten und in kleinen Tagebauen Kohle in Großtagebauen gefördert. Wie in dem Tagebau "Von der Heydt", östlich von Ammendorf.

Für die gesamte Industriegeschichte bedeutsam ist der Raum Halle vor allem deswegen, weil hier auch die mechanische Kohleveredlung wichtige Entwicklungsschritte vollzog: In der Saline Dürrenberg kam 1847 die erste Nasspressmaschine zum Einsatz, die mit einem Schlag die Handarbeit von 55 sogenannten Kohleziegelstreichern ablöste. Vor allem aber wurde in der Grube "Theodor" in Ammendorf 1858 die erste Brikettfabrik mit der ersten Brikettpresse überhaupt gebaut - insgesamt wurden in mehr als 100 Jahren in Halle-Röblingen 14 Brikettfabriken mit rund 100 Pressen betrieben.

Der erste urkundliche Beleg der Kohlegewinnung stammt aber bereits aus dem Jahr 1382, als in Lieskau Abbauversuche unternommen wurden. Holleben folgte 1485. Für 1688 ist schließlich eine Kohleförderung in Langenbogen im Oberröblinger Revier belegt. Nach 1830 setzte die auf Braunkohle gestützte stürmische Industrialisierung ein.

Diese Braunkohlenindustrie hat Wirtschaftsprozesse und landschaftliche Veränderungen in ganz Mitteldeutschland beeinflusst. "Doch zunehmend gehört der Braunkohlenbergbau der Vergangenheit an. Obwohl überall Spuren auch an die gewaltigen menschlichen und ingenieurstechnischen Leistungen erinnern, drohen die Zeugnisse in Vergessenheit zu geraten", sagt Andreas Berkner. Der Leipziger Professor der Geowissenschaften ist einer der Mitautoren des umfangreichen Buches "Die Braunkohleindustrie in Mitteldeutschland". Herausgegeben hat das umfangreiche Werk Otfried Wagenbreth, emeritierter Professor der TU Freiberg. Das Buch bewahrt mit einem enormen Faktenreichtum 160 Jahre Braunkohleindustrie in Mitteldeutschland. Etwa, dass Halle bei der Bildung von Bergbehörden eine große Rolle spielte: 1815 wurde das Oberbergamt in Halle eröffnet, dem die später gegründeten Bergämter in Weißenfels, Zeitz und Naumburg unterstellt waren. Und Gründungsort des mächtigen Deutschen Braunkohle-Industrie-Vereins war 1885: Halle. Erst seit 1945 hat der DEBRIV seinen Sitz in Köln.

Badeseen in Restlöchern

Im einstigen Revier Halle-Röblingen ist von dieser großen Industriegeschichte des "Braunen Goldes" nicht viel geblieben. Nach Auskohlung des Gebietes um Ammendorf 1958 gab es bei Halle außer dem Tagebau Lochau (bis 1973) nur noch den "VEB Braunkohlenkombinat Gustav Sobottka" bei Röblingen. Heute produzieren noch der Tagebau Amsdorf, die Montanwachsfabrik und das Kraftwerk Amsdorf. Als Sachzeugen allgegenwärtig sind Senken bei Trotha, Mötzlich und in der Dölauer Heide sowie mit Wasser gefüllte Tagebau-Restlöcher in Halle - wie der Hufeisensee und der Osendorfer See -, in Teutschenthal und Zscherben.

Das Buch "Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland" ist im Sax-Verlag erscheinen. Es hat 352 Seiten.

ISBN: 978-3-86729-058-6.