Gefährliche A14 Gefährliche A14: Das denkt ein Lkw-Fahrer über die "Todespiste"

Halle (Saale) - In der Schweiz, erzählt Markus Linse, da würde man „Chauffeur“ zu ihnen sagen. Dabei bemüht er sich, den typisch kratzigen Akzent nachzuahmen. „Schchofööör“. In Deutschland sagt man zu Menschen wie Markus Linse Lkw-Fahrer oder Trucker. Das klingt nicht nur weniger wertschätzend, in Deutschland werde seiner Berufsgruppe auch deutlich weniger Respekt entgegengebracht. „Lkw-Fahrer sind nichts wert. In ganz Europa ist mehr Respekt da als bei uns“, schimpft Linse und macht sich an seinem braunen 44-Tonner zu schaffen. Die Pause ist gleich vorbei, dann muss er weiter, in die Innenstadt von Halle.
Oft haben Lkw-Fahrer die Unfälle auf der A14 verschuldet: Was sagt ein Brummi-Fahrer dazu?
Es ist ein kalter November-Mittag auf dem Autohof Halle-Tornau. In Sicht- und Hörweite donnern die Lastwagen von Linses Kollegen über die A14. Auf dem sachsen-anhaltischen Stück sind in diesem Jahr bereits neun Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen. Oft waren Lastwagenfahrer Schuld, die in Stauenden gerast waren. Darunter hat zuletzt auch das Image der Fernfahrer gelitten.
Scharf kritisiert werden Lkw-Fahrer vor allem dafür, dass sie ihre Notbrems-Assistenten ausschalten. Die könnten eigentlich verhindern, dass die Fahrzeuge auf stehende Autos fahren, indem sie selbstständig eine Bremsung einleiten. Das Land hat deshalb nun einen Gesetzesentwurf eingebracht, der das Ausschalten der lebensrettenden Systeme verbieten soll. Wenn Markus Linse das hört, kann er nur den Kopf schütteln. „Der Verkehrsminister soll mal zwei Wochen selbst Lkw fahren“, meint der 50-Jährige.
Notbrems-Assistent hat Lkw-Fahrer Markus Linse selbst schon zwei Mal in gefährliche Lage gebracht
Auch er hatte mal einen Lastwagen mit Notbrems-Assistent. Einen teuren von Mercedes. „Zweimal hat das Ding in der Nacht auf einer völlig leeren Autobahn plötzlich eine Notbremsung hingelegt. Das piept zweimal kurz und dann klebst du vorne an der Scheibe, so heftig bremst der!“
Wahrscheinlich habe sich Dreck oder ein Regentropfen auf den Sensor gesetzt und deshalb die unnötige Notbremsung ausgelöst, vermutet Linse. „Zum Glück war keiner hinter mir, sonst wäre mir der hinten drauf gefahren“, sagt der 50-Jährige. Nach den zwei fehlerhaften Notbremsungen fuhr er fortan auch mit ausgeschaltetem Notbremsassistenten, wie so viele seiner Kollegen.
„Todespiste“ A14: Markus Linse hält junge, schlecht ausgebildete Fahrer aus Osteuropa für das Problem
Aber das Ausschalten der Notbrems-Systeme sei sowieso das kleinste Problem, sagt Linse. Die viel größere Gefahr seien junge, schlecht ausgebildete Fahrer aus Polen und anderen osteuropäischen Staaten. „Da sitzen dann die 19-jährigen Bürschl hinterm Steuer und gucken auf ihr Handy“, sagt Linse mit seinem bayrischen Dialekt. Er selbst kommt aus Mühldorf am Inn, eine Autostunde westlich von München, und hat den Lkw-Führerschein, seit er 19 Jahre alt ist.
Trotz der vielen Unfälle auf der A14 habe sich die Trasse noch nicht als besonders gefährlich bei den Kollegen herumgesprochen. Da sei eher die A2 als wichtigste Ost-West-Verbindung verschrien. Dass es auf der A14 bei Halle oft kracht, könne sich Linse nur so erklären: „Die liegt ziemlich in der Mitte zwischen den Fährhäfen im Norden und Süddeutschland.“ Möglicherweise würden die Fahrer, die von der Fähre kommen, genau hier müde.
Lkw-Fahrer Markus Linse kritisiert auch mangelnde Kontrollen
Doch die A14 sei nicht die einzige gefährliche Autobahn in Sachsen-Anhalt. Auf der A9, wo auf großen Teilen ein Überholverbot für Lastwagen gelte, würden Lkw aus Osteuropa trotzdem andauernd überholen oder bei Staus in Baustellen verbotenerweise links vorbeifahren, während sich die deutschen Fahrer rechts anstellen würden. „Wir haben auch schon Videos davon aufgenommen und uns bei der Polizei beschwert“, sagt er.
Ein weiteres Problem seien fehlende Kontrollen von Polizei und dem Bundesamt für Güterverkehr, kurz BAG. „Früher standen in Tschechien an manchen Tagen kilometerlang die Lkw vor der Grenze, weil sie sich nicht rübergetraut haben, wenn die hier in Deutschland kontrolliert haben“, sagt Linse. Doch die Kontrollen des BAG seien deutlich zurückgefahren worden, weshalb nun mehr Laster mit technischen Mängeln durch Deutschland fahren würden.
Und dann ist die Pause auch schon vorbei. Markus Linse hat seinen Auflieger inzwischen abgekuppelt und wird gleich nur mit der Zugmaschine in die Stadt fahren. Er hat einen Termin beim Amtsgericht. Im vergangenen Jahr hatte ihn ein Familienvater mit Frau und Kind an Bord nach einer Baustelle überholt, sich vor ihn gesetzt und ihn ausgebremst. Linse schaffte es nicht rechtzeitig und fuhr dem aggressiven Autofahrer auf. Außer Blechschaden habe es keine Verletzten gegeben. Aber der Vorfall habe ihm mal wieder gezeigt, was andere Autofahrer von Lkw-Fahrern wie ihm halten. (mz)