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Was darf wer im Kino sehen? FSK und Altersfreigabe: So arbeitet die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft

Von Magdalena Kammler 14.04.2017, 14:44
Aleksandar Turuntas arbeitet seit Anfang des Jahres für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK).
Aleksandar Turuntas arbeitet seit Anfang des Jahres für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK). Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Jeder kennt es, das kleine rote Quadrat auf DVD- oder BluRay-Hüllen mit der Nummer 18. Früher war es eine Kunst, sich als Jugendlicher in die Erwachsenenabteilung einer Videothek zu schleichen und einen Streifen zu besorgen, den man eigentlich noch nicht sehen durfte. Heute sind viele Filme im Internet zugänglich. Wer die richtigen Webseiten kennt, kann sie alle sehen.

Keine kritischen Blicke im Rücken, die einen auf dem Weg in den Ü-18-Bereich verfolgen. Die Kontrolle der Altersbeschränkung im digitalen Zeitalter ist schwieriger geworden.

FSK: Hallenser Aleksandar Turuntas arbeitet für die Freiwillige Selbstkontrolle und entscheidet über die Altersfreigabe von Filmen mit

Doch wer bestimmt eigentlich, was in welchem Alter gesehen werden darf? Wann ist ein Erotikfilm zu explizit, ein Actionfilm zu brutal und ein Thriller zu krass für Jugendliche? Aleksandar Turuntas gehört zu jenen, die entscheiden, welche Zahl auf dem kleinen Quadrat abgedruckt wird.

Seit Anfang des Jahres arbeitet der hallesche Medienpädagoge für die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) in Wiesbaden.

Die Prüfung durch die FSK ist zwar theoretisch freiwillig, jedoch verpflichtet sich jeder Filmschaffende in Deutschland durch seine Mitgliedschaft automatisch, die Beiträge jugendschutzrechtlich bewerten zu lassen.

Bilder können verstören, mitreißen und Lust erzeugen. Neben den Gewaltszenen bewertet die FSK auch erotische Darstellungen unter dem Aspekt des Jugendschutzes. Dabei komme es weniger auf die Brutalität oder Intensität der einzelnen Handlungen an, als auf den Schnitt und die Bildsequenz. Ein Sexfilm könne zum Beispiel dann unter 18 zugelassen werden, wenn der Schnitt und die Kameraeinstellung so gewählt werden, dass die Geschlechtsmerkmale nicht zu sehen sind.

Jugendschutz und FSK: Wie ist es, beruflich Pornos zu schauen?

Und wie ist das so, beruflich Pornos anzuschauen? „Nicht wie man sich das vielleicht vorstellt“, sagt Turuntas und lacht. „Man muss sich schließlich konzentrieren und den Film unter verschiedenen Kriterien bewerten.“

Seit 1949 prüft die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) der Filmwirtschaft, ab welchem Alter Bildmaterial angeschaut werden darf. Dabei stuft die Organisation in folgende Altersgruppen ein:

■ohne Altersbeschränkung

■Freigegeben ab sechs Jahren

■Freigegeben ab 12 Jahren

■Freigegeben ab 16 Jahren

■Freigegeben ab 18 Jahren

Bei Gewaltszenen komme es vor allem darauf an, wie brutal die Darstellung ist: „Ein Kriegsfilm kann unter 18 zugelassen werden, wenn die Handlung ausreichend ruhige und entlastende Momente beinhaltet und die Kampfszenen und Tötungen nicht übermäßig ausgespielt werden.“

Arbeiten bei der FSK: Drei Filme am Tag für die Freiwillige Selbstkontrolle bewerten

Bewertet werden die Filme in Wiesbaden, dem Sitz der Organisation. Eine Woche am Stück, drei Filme am Tag. Morgens kann es mit einem harmlosen Kinderfilm losgehen, elf Uhr dann ein Erotikstreifen und nachmittags das italienische Familiendrama.

Während und nach jedem Film diskutiert das Gremium über den Jugendschutz: fünf Personen pro Gremium - ein ständiger Vertreter der FSK, zwei aus dem Filmbereich sowie zwei von Einrichtungen wie der Kirche. So kann es auch mal vorkommen, dass ein Pastor Pornos schaut.

Abgestimmt wird demokratisch. Bei Diskussionsbedarf wird diskutiert, bei Einstimmigkeit nicht, ein einfaches Prinzip. Turuntas bekommt für seine Tätigkeit die Fahrtkosten erstattet sowie eine Aufwandsentschädigung. Reich werde man damit nicht. Warum er das macht? Aus Überzeugung und auch Neugier.

Wenn Aleksandar Turuntas über seine Arbeit als Medienpädagoge redet - ob als Dozent an der Merseburger Hochschule, als Filmemacher oder FSK-Mitarbeiter - dann weiten sich seine Pupillen, die Pausen zwischen den Sätzen werden kürzer.

Der groß gewachsene Mann mit spitzem Kinn, dunklen Augen und Halbglatze wirkt trotz Hemdkragen nicht wie der Typ Mensch, der den ganzen Tag am Schreibtisch oder vor der FSK-Leinwand sitzt. Die direkte Sprache, der klare Blick und das Gestikulieren mit den Händen: Er wäre vielleicht, wenn er kein Bildakrobat wäre, einer der Worte geworden.

Jährlich bewertet die FSK rund 8.000 Filme unter dem Aspekt des Jugendschutzes. Dabei gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Jugendschutzes sowie die eigenen Richtlinien der Organisation, die sich an dem Grundgesetz, besonders an den Werten der Meinungs- und Kunstfreiheit, orientieren. Seit 2011 bewertet die FSK zudem Webauftritte, in Anlehnung an den Jugendschutzmedien-Staatsvertrag. Jedoch übt die Organisation hier mehr eine beratende als prüfende Tätigkeit aus. 

Sobald es um ihn als Person geht, um den Aleksandar Turuntas, der mit zwölf Jahren aus Sarajevo nach Deutschland kam, dann wird er ruhiger, fast leise. Heroisierende Militärfilme wie „Top Gun“ sieht er kritisch. Als Jugendlicher hat ihn der amerikanische Streifen über einen Kampfpilotensohn des Vietnamkrieges fasziniert. Heute sieht der 37-Jährige die Dinge anders.

Vielleicht, weil er Krieg nicht nur aus Filmen kennt. Vielleicht hat er es damals aber auch zunächst nicht so wahrgenommen, weil er trotz all dem ein Junge war, der wie jeder Heranwachsende Flugzeuge, Piloten und ein bisschen Action liebt. Und der in dem Alter auch gerne an die vereinfachte Darstellung der Welt in Gut und Böse geglaubt hat.

FSK bewertet auch Webseiten: Im Internet wird Jugendschutz immer wieder umgangen

In Zeiten des Internets ändert sich auch die Arbeit des Jugendschutzes. Jeder kann filmen und senden. Die Vielfalt an Informations- und Unterhaltungsformaten wächst analog zu den digitalen Veränderungen. Mit ihr jedoch auch die Möglichkeit, den Jugendschutz zu umgehen.

Was im Fernsehen erst zu einer bestimmten Uhrzeit ausgestrahlt wird, ist im Netz mit ein paar Klicks allgegenwärtig. Wem die Kriegsbilder im TV zu harmlos sind, wird die volle Brutalität im Internet finden: den blutigen Actionfilm wie auch das schonungslose Augenzeugenvideo auf Youtube.

Welche Zukunft hat da der Jugendschutz in Zeiten des Internets? „Es fehlt an Medienpädagogen“, konstatiert der Hochschuldozent und Filmemacher. Oft wissen die Jugendlichen besser Bescheid als ihre Lehrer, wie das Netz funktioniert.

So wie mittlerweile Sozialarbeiter an Schulen eingesetzt werden, sollten auch Medienpädagogen tätig sein. „Das Internet ist voller Spaß und es ist okay, Spaß zu haben.“ Nur das Maß und die Intensität könne ein Jugendlicher nicht selbst bestimmen. „Es gibt viele Sachen, die man mit Zwölf nicht einschätzen kann.“ Und das weiß vielleicht keiner so gut wie Aleksandar Turuntas. (mz.)