Friedliche Revolution Friedliche Revolution: Erinnerung an den Herbst 89 in Halle
Halle (Saale) - Andreas Friedrich war am Nachmittag des 7. Oktobers 1989 vom Halle-Basar kommend mit einem Freund über den Marktplatz in Halle spaziert, als er von Sicherheitskräften gewaltsam festgenommen wurde. DDR-Polizisten räumten den gesamten Platz, um eine mögliche Demonstration schon im Keim zu ersticken. Sie schlugen Andreas Friedrich auf den Rücken und in den Magen, so dass zwei seiner Rippen brachen.
Dann brachten sie ihn in die Reideburger Straße zum sogenannten zentralen Zuführungspunkt, wo er gemeinsam mit 47 weiteren Personen bis zum nächsten Tag festgehalten wurde. Die Gefangenen durften sich nicht bewegen und mussten teilweise die ganze Nacht mit dem Gesicht zur Wand in einer offenen Garage stehen.
Bis 1990 eine Schule der DDR-Transportpolizei
In der Reideburger Straße befand sich bis 1990 eine Schule der DDR-Transportpolizei. Im Ernstfall sollten dort Menschen festgesetzt und verhört werden, ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas mitbekam. So war es Andreas Friedrich ergangen. Seine Geschichte und die vieler weiterer Zeitzeugen hat der hallische Verein Zeit-Geschichte(n) aufgeschrieben und archiviert.
Die meisten der 85 Menschen, die zwischen dem 7. und 9. Oktober 1989 in der Reideburger Straße festgehalten worden waren, hatten sich nur zufällig auf dem Marktplatz aufgehalten, als der geräumt wurde. Ihre Festnahmen verstießen sowohl gegen DDR-Gesetze als auch gegen internationales Menschenrecht.
Knapp 30 Jahre sind die Ereignisse des Wendeherbstes nun her
Knapp 30 Jahre sind die Ereignisse des Wendeherbstes nun her. Das große Gebäude in der Reideburger Straße beherbergt heute längst kein geheimes Stasi-Gefängnis mehr. Inzwischen arbeiten Beamte des Landesamtes für Umweltschutz (Lau) in dem 1954 gebauten Komplex. Seit 1994 ist das Gebäude offiziell ein Kulturdenkmal. Lange Zeit deutete für Außenstehende nichts darauf hin, welche Vergangenheit das Gelände besitzt. Doch am Dienstagvormittag wurde feierlich eine große Gedenktafel neben dem Haupteingang enthüllt, auf der die Geschichte für die Zukunft festgehalten ist.
„Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass dieses Haus auch dunkle Tage erlebt hat. Denn hier gehen wir jeden Tag ein und aus“, sagte Sandra Hagel, Lau-Präsidentin. Die Idee einer Gedenktafel habe schon seit mehreren Jahren existiert. Nun konnte sie mit Hilfe der Landesbehörde der Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem Verein Zeit-Geschichte(n) realisiert werden. „Es war uns wirklich ein Anliegen, wir wollten die Gedenktafel jetzt endlich errichten“, sagt Hagel. Lau-Mitarbeiter hatten ebenfalls Geld für das Projekt gespendet.
„Die Friedliche Revolution ist in Halle keine Selbstverständlichkeit“
„Die Friedliche Revolution ist in Halle keine Selbstverständlichkeit“, sagt Birgit Neumann-Becker, Beauftragte des Landes zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Während in Leipzig Zehntausende nahezu ungehindert über die Straßen laufen konnten, griffen die Sicherheitskräfte in Halle rigoros durch. Die Festgenommenen wurden in der Reideburger Straße unrechtmäßig und ohne Anklage gefangen gehalten.
Einige von ihnen wurden anschließend in die Stasi-Untersuchungshaftanstalt Roter Ochse gebracht oder bekamen vorbereitete Geständnisse zur Unterzeichnung vorgelegt. Die Gedenktafel erinnere daran, wie Unterdrückung in der DDR stattgefunden hat, sagt Neumann-Becker.
Der Verein Zeit-Geschichte(n) zeigt am Mittwoch, 9. Oktober, um 19 Uhr in der Marktkirche den Überwachungsfilm, den die Stasi am 9. Oktober 1989 vom Marktplatz in Halle gemacht hat. Vier Zeitzeugen werden die Bilder kommentieren. (mz)