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Forschung in Halle Forschung in Halle: Detektivisches Gespür mit dem Massenspektrometer

Von Sandy Schulze 25.02.2016, 08:33
Am Weinberg-Campus forscht Andrea Sinz am Massenspektrometer.
Am Weinberg-Campus forscht Andrea Sinz am Massenspektrometer. Jens Schlüter

Halle (Saale) - Das ganz Große liegt für sie im Winzigen. Dort, wo Forschung ohne hoch spezialisierte Geräte unmöglich ist. Denn die Massen, die Andrea Sinz bestimmt, sind extrem klein. Fast unvorstellbar klein. Wenn die Professorin ihre Arbeit erklären möchte, hilft ihr deshalb die Geschichte vom Würfelzucker. „Stellen Sie sich vor, ich löse ein Stück Würfelzucker im Bodensee auf. Danach müsste ich nur wenige Tropfen Wasser entnehmen und könnte trotzdem noch Zuckermoleküle nachweisen“, erklärt sie.

Möglich macht ihr das die Arbeit am Massenspektrometer, mit dem die Masse und Häufigkeit geladener Teilchen ermittelt und geringfügigste Massenunterschiede bestimmt werden können. Würde man das Massenspektrometer mit einer Waage vergleichen, könnte man eine Person wiegen und dabei feststellen, ob auf dieser Person eine einzige Laus sitzt oder nicht.

Die Anwendungsgebiete sind vielfältig: Mithilfe solcher Geräte können zum Beispiel Doping-Sünder überführt oder Spuren zur Aufklärung von Kriminalfällen untersucht werden. Beim Neugeborenenscreening werden sie eingesetzt, um unter anderem auf Stoffwechselerkrankungen zu testen.

Analysemethoden mitentwickelt

Die 46-Jährige nutzt die Massenspektrometrie am Institut für Pharmazie auf dem Weinberg Campus. Die Analysemethoden, die sie heute nutzt, hat die Wissenschaftlerin vor Jahren selbst mitentwickelt. Als sie 1998 nach ihrer Promotion in die Vereinigten Staaten zog, begann Andrea Sinz an den National Institutes of Health das Verfahren für ihre Arbeiten in der Proteinforschung für sich zu nutzen, beispielsweise um die dreidimensionale Struktur oder Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Proteinen zu analysieren.

Nach Stationen in Gießen, Rostock und Leipzig kam die Wissenschaftlerin vor acht Jahren an die Martin-Luther-Universität. Hier forscht sie gemeinsam mit ihrem Team und beschäftigt sich vor allem mit einer Frage: Worin liegen die Unterschiede der Proteine zwischen erkrankten und gesunden Personen? So sollen die molekularen Ursachen von Krankheiten wie Krebs oder Diabetes erkannt werden. Denn schon Prozesse im kleinsten haben weitreichende Folgen. Das Protein p53, als „Wächter des Genoms“ bekannt, beispielsweise kann die Entstehung von Krebs verhindern - allerdings nur dann, wenn es auch uneingeschränkt funktionsfähig ist. Andere Krankheiten, wie Alzheimer, werden durch falsch gefaltete Proteine verursacht.

Grundlagenforschung in Halle

Die Grundlagenforschung in Halle soll dazu beitragen, dass neue Medikamente entwickelt oder Diagnosen schon in einem sehr frühen Stadium gestellt werden können. Die Vielfalt im Zusammenspiel der Eiweißmoleküle im Körper zu erforschen, hat dabei seine ganz eigenen Tücken.

Anders als Gene, die beständig bleiben, ändern sich Proteine sehr schnell - selbst dann, wenn man nur einen Kaffee getrunken oder etwas gegessen hat. Hinzu kommen Faktoren wie Alter oder auch die Tageszeit. Was genau noch eine harmlose Varianz und was Zeichen einer Krankheit ist, lässt sich deshalb nur schwer bestimmen. Und: Die Forschung ist kostspielig. Nach drei bis fünf Jahren muss ein neues Massenspektrometer angeschafft werden, um mit den technischen Entwicklungen Schritt halten zu können. Je Gerät fallen dann zwischen 500.000 und einer Million Euro an. Die Proteinbiochemie gehört zu den wissenschaftlichen Schwerpunkten an der Universität, das hohe Forschungsniveau ist auch international hoch anerkannt. Erst im vergangenen Herbst fand in Halle das „Symposium on Structural Proteomics“ mit mehr als 150 Wissenschaftlern aus ganz Europa, Israel und Kanada statt, organisiert von Andrea Sinz und ihrer Arbeitsgruppe.

Die Veranstaltung hatte viel positive Resonanz der internationalen Gäste nach sich gezogen und damit einen wichtigen Wunsch von Professor Sinz erfüllt: Halle soll als wichtiger Standort wahrgenommen werden. (mz)