Der Esel, der auf Rosen geht Annika Julia Müller will eine Stimme für die Jugend von Halle sein
Seit Corona ist der Kinder- und Jugendrat der Stadt Halle auf wenige aktive Mitglieder zusammengeschmolzen. Eins von ihnen ist Annika Julia Müller.
Halle (Saale)/MZ - Vor gar nicht allzu langer Zeit, sagt die junge Frau in der blauen Latzhose, sei der Kinder- und Jugendrat der Stadt Halle ein lebendige Gruppe mit rund 20 Mitgliedern gewesen. Nun sitzt sie alleine an einem langen Tisch in einem schlauchförmigen Raum der Stadtverwaltung am Hansering. An einem Ende befindet sich eine kleine Teeküche, am anderen steht ein vollgeschriebenes Whiteboard. Vor gar nicht allzu langer Zeit habe sich das Jugendgremium oft hier getroffen, sagt sie, weil im Nachbarzimmer nicht genug Platz für alle gewesen sei.
„Vor gar nicht allzu langer Zeit“ ist nun aber eine jener Redewendungen, die seit Beginn der Corona-Pandemie einigermaßen bedeutungslos geworden sind. Und so ist Annika Julia Müller heute eine von gerade einmal dreieinhalb verbliebenen Mitgliedern. Dreieinhalb, sagt sie, weil eine der Aktiven noch eine andere Stelle ausfülle. „Projekte sind durch Corona schwierig geworden“, sagt sie. Viele hätten hingeschmissen.
Kinder- und Jugendrat wird vom Stadtrat als offizielles Vertretungsgremium anerkannt
Die 22-Jährige ist 2020 nach Halle gezogen, um Förderschullehramt zu studieren. Während die Einschränkungen des öffentlichen Lebens anderen die Motivation nahmen, sich zu engagieren, war es bei ihr andersherum. Sie sei erst durch Corona auf die Idee gekommen, ehrenamtlich zu arbeiten, sagt sie. Wobei sie das Wort „Arbeit“ in diesem Kontext eigentlich nicht mag. „Ich mache das, was mir Spaß macht und was mir Kraft gibt“, sagt sie.
Den Link zum Kinder- und Jugendrat fand sie über eine Webseite der Freiwilligenagentur Halle, die Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements aufzeigt. In dem Gremium kamen für die Studentin zwei Dinge zusammen: Ihr Interesse für die Einbindung junger Menschen in die Stadtpolitik und die Möglichkeit, während der Pandemie Leute mit ähnlicher Begeisterung kennenzulernen.
Ich mache das, was mir Spaß macht und was mir Kraft gibt.
Annika Julia Müller, Ehrenamtliche
„Das erste Mal, dass ich das Gefühl habe: Hier sitze ich am Hebel“, so beschreibt Annika Julia Müller ihre Tätigkeit im Kinder- und Jugendrat. Unter dessen Projekten sei unter anderem die Testung von Spielplätzen mit Kindern und ihren Familien, aber auch Workshops am Tag der Jugendbeteiligung und ein Stand bei der Abschlusskundgebung der Bildungswochen gegen Rassismus. Der Kinder- und Jugendrat wird vom Stadtrat als offizielles Vertretungsgremium anerkannt und verfügt im Jugendhilfeausschuss über Rede- und Antragsrecht.
Ihr Engagement in dem Gremium hat Annika Julia Müller nun eine Nominierung für den Ehrenamtspreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ eingebracht. Zusätzlich, so heißt es in der Begründung, arbeite sie unentgeltlich in einem Tierheim und setze sich für Klimaschutz und eine gendergerechte Sprache ein.
Wie man sich diskriminierungsfrei ausdrücken kann, beschäftigt sie auch aufgrund ihres Studiums
Tatsächlich kümmert sich die Studentin beim Verein Tierschutz Halle um Tiere wie Chinchillas, Meerschweinchen, Kaninchen und, ein wenig aus der Reihe, um Wollschweine. Das bringe zwar viel Verantwortung mit sich, sagt sie. „Aber es tut so gut, das Knuspern zu hören, wenn sie abends ihren Salat fressen.“ Sie lacht. Ihre Klausurenphase sei gerettet, wenn sie wisse, dass sie am nächsten Tag im Tierheim sein wird.
Und ja, auch Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit sind ihr wichtig. In den Fokus rücken möchte Annika Julia Müller diese Themen aber nicht. „Ich glaube, die meisten jungen Leute beschäftigen sich in irgendeiner Weise mit Nachhaltigkeit“, sagt sie. Die Frage, wie man sich möglichst diskriminierungsfrei ausdrücken kann, beschäftige sie auch aufgrund ihres Studiums. Als Förderschullehrerin sei es wichtig, im Umgang mit beeinträchtigten Kindern eine inklusive Sprache zu verwenden. Dennoch scheint sie niemanden missionieren zu wollen, wenn sie etwa „Bürger*innen“ sagt. Es kommt ihr über die Lippen wie jedes andere Wort.
Nein, ihr Fokus liegt eindeutig auf der Arbeit des Kinder- und Jugendrates. Sie wünsche sich, dass sich mehr junge Menschen engagierten, sagt sie, insbesondere auch aus nichtakademischen Familien. Denn: „Wir werden gefragt“, sagt Annika Julia Müller. Und das ist doch ein guter Anfang.
Wer beim Kinder- und Jugendrat mitmachen möchte, kann sich unter der Mailadresse [email protected] melden.
Das ist der „Esel“ – und so machen Sie mit
- Der Ehrenamtspreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ wird seit 2003 an engagierte Menschen und Initiativen aus Halle und dem Saalekreis verliehen. In diesem Jahr werden sechs Eselskulpturen aus Bronze vergeben: Drei Bürgerpreise, der Preis der Initiatoren und der Preis der Jury. Neu ist der Publikumspreis, für den online gevotet werden kann.
- Die Wahl startet nach dem 25. Mai, wenn die Jury die zehn Teilnehmer an dem Voting bestimmt hat. Auch die Bürgerpreise werden durch die Jury vergeben. Wenn Sie, liebe Leser, engagierte Bürger, Vereine oder Initiativen kennen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, dann können sie diese Personen oder Gruppen vorschlagen. Dazu müssen Sie online ein Formular auf der Internetseite des Ehrenamtspreises ausfüllen. Im oberen Feld der Seite findet sich dazu ein extra Button. Sie bekommen danach eine Mail als Bestätigung. Die Nominierungsphase läuft bereits und endet am 6. Mai.
- Informationen: Die MZ wird multimedial die 19. Auflage des „Esels, der auf Rosen geht“ begleiten. Dazu gehören Porträts der Kandidaten, Blicke hinter Kulissen sowie Audio- und Videobeiträge. Gebündelt werden alle Infos auf der Webseite des Ehrenamtspreises.