1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Dorothea Händel in Schlosskapelle getauft

Dorothea Händel in Schlosskapelle getauft

Von KORNELIA PRIVENAU 30.12.2008, 17:18

KABELSKETAL/MZ. - Wenn der heutige Schlossherr Thymo von Rauchhaupt, seine Ehefrau Heidrun oder der Dieskauer Pfarrer im Ruhestand, Günter Baumgarten, Gästen diese Legende erzählen, beflügelt das wieder und wieder die Phantasie der Fremden. Aber fast immer fragen die Leute, warum es im Schloss eine Familienkapelle gibt, wo doch die berühmte Schlosskirche zu Dieskau, sie wurde im 13. Jahrhundert errichtet, nur eine Armlänge entfernt steht.

"Diese Frage müssen wir oft beantworten, auch wenn es nicht gar so unüblich war, Schlösser mit Familienkapellen auszustatten, obwohl die Kirche gleich in der Nähe stand", sagt von Rauchhaupt. Der 30-jährige Krieg 1618 bis 1648 war Schuld. Die Kirche, die eine Patronats- und keine Dorfkirche war, geriet durch die Kriegshandlungen französischer Truppen in Brand. Das Dach wurde vollkommen zerstört und nicht nur das. Gottesdienste, Trauungen, Taufen und andere Festlichkeiten konnten in Sankt Anna fortan nicht mehr gefeiert werden.

Die damaligen Schlossherren und Pfarrer Georg Tautz kamen überein, die Kapelle im Schloss einzurichten. Bequem muss das nicht gewesen sein, wenngleich die meisten Kirchenbänke sowieso jeglichen Komfort vermissen lassen. Der schmale Raum im Schloss, der nur durch die Elemente seiner restaurierungsbedürftigen Stuckdecke als Kapelle erkennbar ist, entsprach einzig einem religiösen Anliegen. Ohne Opulenz, aber als Teil eines der schönsten Renaissance-Ensembles im heutigen Sachsen-Anhalt.

Die Kapelle wurde dort eingerichtet, wo sich eine Sichtachse zur Kirche bot. Überhaupt sind solche optischen Linien von allen Fenstern des Schlosses aus erkennbar. Sie führen den Blick stets in den Schlosspark, verbinden mit dem chinesischen Teehaus, dem Schwanenhaus auf dem Teich und der Orangerie. Da nach der Zerstörung der Kirche durch den großen Brand lange Zeit das Geld für den Wiederaufbau fehlte, richteten sich Hausherren und Bedienstete auf das Gebet in der Familienkapelle ein.

Die Familie Tautz bewohnte weiter das beschädigte Pfarrhaus - mit ihren sieben Kindern. In einem winzigen Studierstübchen schrieb Tautz seine Predigten. Er erlebte den Bau des neuen Pfarrhauses 1850 ebenso wenig wie den Wiederaufbau der Kirche um 1728 durch den letzten Herren von Dieskau. Danach war die Familienkapelle überflüssig geworden, denn die Kirche verfügte über eine großzügige Patronatsloge.

Ob Händels Mutter Dorothea, die erst mit 32 Jahren ihren Mann Georg heiratete, jemals an den Ort Dieskau zurückkehrte, ist nicht überliefert. Die Familienkapelle als Teil des Renaissance-Schlosses soll wie alle Räume saniert werden.