Dog-Walker aus Halle Dog-Walker aus Halle: Ein Mann für alle Felle

Halle (Saale) - Der Hund hat es ihm schon in der Kindheit angetan. „Mein erster war ein Mischling - und der war ein richtiger Jäger“, erinnert sich Thomas Junge. Allem, was sich bewegte, rannte damals der wilde Vierbeiner hinterher - rufen zwecklos.
Auch heute, knapp 30 Jahre später, hat der Hallenser mit Hunden zu tun. Zum einen als sogenannter Dog-Walker, der anstelle der Hundebesitzer mit dem „treuesten tierischen Freund“ des Menschen nicht nur Gassi geht, sondern sie wochentags zwischen 9 und 13 Uhr im freien Gelände in Halles Umgebung sich austoben und beschäftigen lässt. Beim freien Auslauf achte er natürlich auf die gesetzliche Leinenpflicht während der Brut- und Setzzeit in der Natur, die in Sachsen-Anhalt zwischen März und August gelte, so der sportliche Dog-Walker.
Zum Toben ins Gelände
Zu Thomas Junges Kunden zählen Hundebesitzer, die zu wenig Zeit haben, vormittags mit ihrem Hund spazieren zu gehen. Einige seiner Schützlinge werden nur an bestimmten Tagen, wenn Herrchen oder Frauchen wichtige Termine haben, von Junge ausgeführt, andere täglich. Angefangen mit zwei Hunden, hat er nun bis zu 15 Hunde in Betreuung. Er holt sie mit dem Bus ab, fährt raus in den Saalekreis und bringt sie nach drei, vier Stunden wieder zurück. Ausgetobt, hungrig - und glücklich.
In seinem zweiten, dem „richtigen“ Job aber hat Junge oft mit Hundebesitzern zu tun, die Hilfe im Umgang mit ihrem Hund suchen. Mit Hunden, die extrem ängstlich sind und nicht nur jaulen, sondern vor Angst „unter sich machen“. Solche, die ihren Besitzer nicht aus dem Haus lassen - oder das ganze Haus zusammenbellen, wenn Herrchen ja doch irgendwie zur Arbeit muss. Hunde, die nicht hören, die andere Hunde wegbeißen - oder sogar Menschen.
Thomas Junge nimmt sich dieser gerne als „Problemhunde“ bezeichneten Vierbeiner an. Denn der 38-Jährige hat sein Hobby - wie man so schön sagt - zum Beruf gemacht. Doch im Gegensatz zu vielen in der Branche ist Junge einer der ganz wenigen, die als Hundetrainer mit einem Zertifikat der Tierärztekammer arbeiten. Um genau zu sein, ist Thomas Junge der einzige im Land Sachsen-Anhalt, der für die Arbeit mit Hunden ein dreijähriges Studium absolviert hat - neben einer auf dem gleichen Wege ausgebildeten Hundetrainerin in Bad Lauchstädt (Saalekreis).
„Was zunächst nur ein Hobby für mich war - die Beschäftigung mit Hunden - wurde zunehmend ernsthafter“, erzählt der Familienvater, der zwei Söhne hat: drei Jahre der „Große“, zehn Monate alt der Kleine. Und natürlich gehört auch ein Hund zur Familie - ein Windhund-Mix.
Also hat sich Thomas Junge beim Canis-Zentrum für Kynologie für ein dreijähriges Studium angemeldet. Der Abschluss wird von der Tierärztekammer Schleswig-Holstein zertifiziert. „Bis 2014 gab es keine einheitlichen Kriterien für die Arbeit von Hundetrainern“, so Thomas Junge. Jeder, der meinte, er habe die nötigen Fähigkeiten im Umgang mit Hunden, habe sich „Trainer “ nennen dürfen. Seitdem es nicht nur die Ausbildung, sondern auch die - übrigens freiwillige und bundesweit anerkannte - Zertifizierung durch die Tierärztekammer Schleswig-Holstein gebe, können Hundetrainer mit Zertifikat arbeiten, müssen es allerdings nicht.
Von 2011 bis 2014 nun hat sich Thomas Junge in Theorie und vor allem mit viel Praxis umfassend ausbilden lassen - und dafür mehrere tausend Euro investiert. Körpersprache und Verhalten des Hundes, die Kommunikation zwischen Mensch und Hund, Leinenführigkeit und vieles andere mehr standen auf dem umfangreichen Studienplan des angehenden Hundetrainers. Auch das Lernverhalten der vierbeinigen Begleiter des Menschen, die Welpenaufzucht und Erziehung wird in Workshops und Seminaren behandelt. Und selbst dem Urahn des Hundes, dem Wolf, sind beim Studium im hessischen Dillenburg-Niederscheld intensive und sogar hautnahe Studien gewidmet. „Ethologie“ heißt das Fach, in dem anhand von genauen Verhaltensbeobachtungen das sogenannte „Verhaltensinventar“ des Hundes oder auch des Wolfs erstellt wird: das Ethogramm.
„Wichtig in der Ausbildung sind vor allem eben diese Praktika“, so Junge. Denn in diesen erlebe der Student Schlüssel-Situationen mit den teilweise nicht ganz ungefährlichen, weil falsch behandelten oder missverstandenen Vierbeinern. Absolviert hat Junge die Praktika in Tierheimen und Hundepensionen.
Nach dem erfolgreichen Studium darf sich der Hallenser nun seit einem Jahr „Hundetrainer mit behördlicher Zertifizierung“ nennen. An ihn wenden sich - durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Empfehlungen oder über seine Facebook-Seite canigo - Hundebesitzer, die mit ihrem Hund Probleme haben. „In einem Erstgespräch mit den Besitzern mache ich mir zunächst ein Bild von der Beziehung zwischen Mensch und Tier“, so Junge, der dabei analysiert, was der Hund für den jeweiligen Menschen darstellt. Dabei kommt ihm gewiss zugute, dass er nach Zimmermannslehre und nachgeholtem Abitur Soziologie studiert hat. Ohne Abschluss, aber um viele Erkenntnisse reicher. „Für nicht wenige ist das Tier Kind- oder Partner-Ersatz“, sagt Junge, der auch schaut, „wie der Hund seinen Menschen sieht“. Oft müsse der Hund für etwas herhalten, was der Mensch in ihn hineininterpretiere - und was das Tier gar nicht leisten könne. „Dass der sich dann zwar artgerecht, aber anders verhält als erwartet, ist klar.“
Kein Patentrezept
„Ich sehe den Hund als individuelle Persönlichkeit, und so behandle ich ihn auch“, sagt Junge. Bei der Anamnese schaue er auch, wie das Fehlverhalten des Hundes zustande komme. Die typische Rasse, die „von Natur aus“ gefährlich sei, gebe es nicht, weist Junge die Mär vom immer bissigen „Kampfhund“ zurück. Klar, dass Hunde rassetypische Eigenschaften haben, aber: „Der Hund wächst mit seinem Menschen.“ Der Hund sei zwar ein Rudeltier, aber er lebe mit dem Menschen nicht im Rudel, sondern in einer gemischten sozialen Gruppe. „Es gibt natürlich nicht das Rezept nach dem Motto: Sie machen jetzt das und das, und dann stellt der Hund das Problem ab“, sagt der schwarzbärtige Hüne. Vielmehr gehe es darum, die negativen Angewohnheiten des Hundes unter Kontrolle zu bringen - egal ob sie aus dem rassetypischen Charakter oder aus dem Fehlverhalten des Menschen oder beidem entstanden sind. Häufig würden Menschen die soziale Seite der Mensch-Hund-Beziehung unterschätzen, den menschlichen Anteil vergessen. „Die Arbeit mit dem Hund ist Arbeit mit dem dazugehörigen Menschen“, betont Junge.
Zuerst müsse also der Mensch sich ändern. Und im übrigen, das hat Junge immer wieder festgestellt, nehme der Mensch sein Haustier oft viel zu wichtig. „Es schadet nicht, den Hund auch einfach mal nicht zu beachten.“ (mz)