Die Geschichte um den Göbelbrunnen Die Geschichte um den Göbelbrunnen: Wie aus einem Skandal eine große Stadt-Liebe wurde

Halle (Saale) - Vielleicht war es ja die letzte derartige Debatte - vorerst für immer - und das zwei Jahre vor der Jahrtausendwende: Darf (oder durfte) ein katholischer Bischof eine Freundin haben? Fest stand, er - Kardinal Albrecht, der knapp 500 Jahre zuvor, eingangs der Reformationszeit in Halle residierte - hatte eine Mätresse. Doch durfte man dies ein halbes Jahrtausend später derart deutlich - per Bischofshut nämlich - ins Bild setzen und so womöglich die Katholiken kränken?
Der Brunnen war noch vor 1989 für den oberen Markt geplant
Kurioserweise war es der damalige Pfarrer der reformierten halleschen Dom-Gemeinde, der die Diskussion lostrat. Anlass war der Aufbau und die bevorstehende Einweihung des Stadtgeschichtsbrunnens des damaligen „Burg“-Professors und Bildhauers Bernd Göbel. Sein Werk hatte seinerseits eine lange Vorgeschichte, war der Brunnen doch noch vor 1989 für den oberen Markt geplant und in Auftrag gegeben, ja sogar bezahlt worden.
Nur am Aufwand für die Installation scheiterte der krönende Abschluss des Projekts in der längst siechenden DDR - und Göbels Brunnenfiguren drohten in Vergessenheit zu geraten. Es war dann vor allem dem hartnäckigen Bemühen des kunstsinnigen Nachwende-Oberbürgermeisters Klaus Rauen zu danken, dass der Brunnen, wenn auch schließlich anderenorts, auf dem Hallmarkt, aufgestellt werden konnte.
Skandal um Göbelbrunnen und Sternstunden der tausendjährigen Stadtgeschichte
Und so galt es dann auch für Rauen, der selbst Katholik war, den Brunnen zu verteidigen, als der moralisierende Streit losbrach, in dessen Verlauf sogar der Nuntius des Papstes nach Halle kam, und der Streit um den Brunnen deutschlandweit für Aufsehen sorgte. Was den Künstler ärgerte, denn deshalb war zunächst kaum von den vielen liebevollen Details seiner großartigen Historien-Inszenierung die Rede.
Andere Künstler sahen die Sache freilich anders, wovon Bernd Göbel bald schon schmunzelnd erzählte: „Kollegen aus dem Westen haben mir damals zu diesem Streit gratuliert und wollten dann genau wissen, wie ich den hingekriegt hätte.“
Wie nützlich ein kleiner Skandal letztlich für ein Kunstwerk - auf dem Weg, ein großer Erfolg zu werden - sein kann, wurde dem aus Freiberg stammenden und ostsozialisierten Künstler dann aber schnell am Beispiel seines Brunnens klar. Denn der rückte nun nachdrücklich ins Bewusstsein der Hallenser, die ihn inzwischen sehr genau kennen - und ihn lieben. Zudem fehlt der Brunnen bei kaum einer Stadtführung, schließlich sind auf diesem großartigen Wasserspiel ja die Sternstunden der tausendjährigen Stadtgeschichte einschließlich einiger Legenden und Bräuche mit hoher Intensität dargestellt: Verdichtet zu vier geballten Szenen.
Stadt-Liebe: Charme des Göbelbrunnens in den Details
Zu sehen sind Motive rund um die Stadtgründung, dann die erste Blüte als Ort der Salzgewinnung, die höchste Blüte in der Renaissance, sprich der Zeit Kardinal Albrechts, und schließlich Halle als Stadt des Geistes und der Künste - ferner auf vier Sockeln als Paarkonstellationen Szenen mit Bezug zur Saale: Zum einen zwei Fischerstecher im Duell und zum anderen eine Saalenixe mit einem jungen Schäfer im Flirt. Doch zum Charme des Göbelbrunnens gehören auch etliche Kleinigkeiten, so ein Bronze-Knäuel - bestehend aus der Prunkrobe eines Herrn von einst und den Stöckelschuhen einer Hallenserin von heute: Was kann einem dazu einfallen? Ein zärtliches Stelldichein der Epochen unter Wasser - und vielleicht sogar mit Strategieberatung für die Zukunft?
Man sieht den Brunnenfiguren die kreative Lust des Künstlers in jedem Detail an, und auch zufälligen Betrachtern ist immer mal wieder die Lust an ein paar Gedankenspielen anhand dieses halleschen Wasserspiels anzumerken. Übrigens hat Bernd Göbel den Streit um den Hut vor nun schon wieder 21 Jahren - in deutlich anderen Zeiten also - witzig und kreativ gelöst, denn seinem Schwerenöter Albrecht stehen nun (wohl auch des leidigen Hutstreits wegen) die Haare zu Berge. Und wo mag der umkämpfte Hut selbst abgeblieben sein? Wer sucht, kann ihn finden. (mz)


