Nominiert für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“ Der Traum von der inklusiven Stadt Halle
Uwe Willamowski engagiert sich seit gut 20 Jahren für die Interessen Behinderter. Zwar gibt es schon etliche Verbesserungen. Aber was für den Hallenser noch alles angepackt werden muss.

Halle/MZ. - Wenn Uwe Willamowski vom Halleschen Fußballclub erzählt, kommt er ins Schwärmen. Und dass, obwohl die Kicker aus der Saalestadt möglicherweise absteigen werden. „Ich habe eine Dauerkarte und bin bei jedem Heimspiel dabei“, sagt der 66-Jährige. Denn für den Rollstuhlfahrer seien hier im Stadion die Bedingungen ideal: Auf der Loge für neun Rollstuhlfahrer kann man das Spielfeld wunderbar überblicken, die Behindertentoilette ist gleich hinter der Loge und auch Verpflegung ist in unmittelbarer Nähe.
Doch nicht überall in Halle treffen es Behinderte so gut an wie im Stadion. Um die Situation für Menschen mit Handicap zu verbessern, engagiert sich Willamowski seit gut 20 Jahren in verschiedenen Organisationen: Zuerst in Fahrgastbeirat der Halleschen Verkehrs-AG, dann im Allgemeinen Behindertenverband und auch die Gründung des Behindertenbeirates der Stadt schob er 2020 mit an. Im Bildungsbeirat der Stadt ist er ebenfalls Mitglied.
Hallenser baut Barrieren für Behinderten ab
„Durch sein unermüdliches Engagement gelang es Uwe Willamowski, Barrieren abzubauen und Menschen mit Behinderungen besser in das gesellschaftliche Leben einzubinden“, sagt Simone Pareigis, die den gebürtigen Döbelner für den Bürgerpreis „Der Esel, der auf Rosen geht“, nominiert hat. Simone Pareigis engagiert sich selbst für andere Menschen und leitet eine Selbsthilfegruppe für Leukämie- und Lymphompatienten in Halle.
„Uwe Willamowski hat durch sein vorbildliches Engagement gezeigt, dass es möglich ist, positive Veränderungen zu bewirken, wenn man sich für eine gute Sache einsetzt. Sein Beitrag zur Gemeinschaft von Halle wird noch lange nachhallen und als Inspiration für zukünftige Generationen dienen“, lobt sie ihn weiter.
Dabei ist Willamowski keineswegs ein Mensch, der sein Tun auf Lobeshymnen anderer aufbaut. Er ist einfach Pragmatiker, er macht. Als er 2006 nach einer Hirnblutung mehrere Wochen im Koma lag und alles vom Bewegen bis zum Sprechen wieder neu lernen musste, lernt er. „Das war jahrelange Kleinarbeit“, sagt er. Seitdem ist er wegen einer linksseitigen Lähmung auf den Rollstuhl angewiesen. „Aber ich habe ein Leben wie jeder andere, ich muss es nur organisieren“, erklärt er - ohne Bitterkeit.
Wie kann in Halle eine inklusive Kulturlandschaft geschaffen werden?
Ob die Ausstattung der Straßenbahnen für Behinderte, ein Aktionsplan für Halle zu Behindertenrechten, oder die Erarbeitung der Satzung für den Behindertenbeirat der Stadt - Uwe Willamowski berät, engagiert sich, arbeitet in den Gremien mit. Aktuelles Thema bei einem Stammtisch, ist inklusive Kultur. „Für die Vorbereitung der Ausstellung ’Geschichten, die fehlen’ im Stadtmuseum war ich von Anfang an dabei“, berichtet er. In dieser inklusiven Schau entwickelte sich der Stammtisch.
Und auch hier gebe es gute Beispiele und verbesserungswürdige: So lobt er den Opernintendanten Walter Sutcliffe, der sechs Rollstuhlfahrerplätze in der Oper geschaffen hat. Dafür sei einfach das schräge Parkett angehoben worden, so dass eine Waagerechte entstanden ist. „Seitdem bin ich bei jeder Premiere“, ist der ehemalige Gastronom regelrecht euphorisch. Das Stadtmuseum sei Vorreiter in Sachen Inklusion - während er in anderer Museen mit seinem Rolli überhaupt nicht herein kommt.
Australien ist besser auf Behinderte eingestellt als Deutschland
Auch bei barrierefreiem Bauen hinke Halle hinterher. Während in Australien grundsätzlich eine behindertengerechte Damen - und eine behindertengerechte Herrentoilette gebaut werde, gibt es in Halle drei WCs: für Damen, Herren und Behinderte. „In Deutschland werden Wohnungen im Nachhinein behindertengerecht umgebaut. In Australien werden beispielsweise die Türen gleich so breit gebaut, dass ein Rollstuhl hindurch passt“, nennt er ein anderes Beispiel.
Viele Ansprüche, die die rund 40.000 Behinderten in Halle per Gesetz haben, müssten diese erst bei den Sozialgerichten einklagen, bedauert Willamowski und erwähnt quasi nebenbei, dass er sich auch ehrenamtlich als Berater bei der „Erweiterten unabhängigen Teilhabeberatung“ engagiert. Dabei unterstütze er, wenn es um Fragen zum Rollstuhl geht. Was ist sein Wunsch? „Eine inklusive Stadt, in der man Bedürftigkeit persönlich prüft und nicht am Schreibtisch entscheidet. Aber ich weiß, dass ich das nicht erleben werde.“