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Der stille Tod des alten Neuen Theaters

Von Peter Godazgar 10.03.2006, 20:34

Halle/MZ. - Drinnen wird's dann richtig schaurig: Auf dem Boden liegt Gerümpel, Schimmel überall, kaputtes Glas, Schnee rieselt durch das Dach. So sieht es aus, wenn ein Haus stirbt.

Nicht irgendeins, sondern das Neue Theater. Das alte Neue Theater, genauer gesagt, in der Großen Ulrichstraße 3. 1870 eröffnet, 1902 niedergebrannt, noch im selben Jahr erneut eröffnet, 1912 - nach dem Weggang des damaligen Theaterdirektors Eugen Mauthner - endgültig geschlossen.

Früher wurden hier vorzugsweise Lustspiele aufgeführt - seit langem steht ein Trauerspiel als Endlosschleife auf dem Programm. Demnächst wird das Gebäude ganz verschwinden. Die Baulücke zwischen dem Kaufhaus Müller und der Parfümerie Tauschel soll noch in diesem Jahr mit einem neuen Wohn- und Geschäftshaus gefüllt werden. Es würde eine seit langem offene innerstädtische Wunde schließen.

Bevor es so weit ist, dokumentieren zwei Hallenserinnen für die Nachwelt, was war: Susanne Mechel und Susanne Mendel - Denkmalpflegerin die eine, Restauratorin die andere - sind in den vergangenen Wochen bei Minusgraden durch das Gemäuer gekrochen, über glitschigen Boden gestapft und baufällige Treppen hochgeklettert.

Die überraschendste Erkenntnis: Der Innenraum des Theaters muss früher in den verschiedensten Farben erstrahlt sein. Susanne Mechel (38) und Susanne Mendel (37) fanden viele Farbreste. Die Säulen, vermutet Susanne Mendel, waren einst sogar mit Goldbronze verschönert. Auch Wandmalereien haben die beiden Frauen gefunden - vieles im Jugendstil, manches erinnerte fast an ägyptische Malereien. "Die alten Farbfunde haben uns wirklich überrascht", sagt Susanne Mendel.

Mit der Wiedereröffnung im Jahr 1902 bekam der Saal wohl seine bis heute erkennbare Form: ein rechteckiger Raum, der von einer geschwungenen Brüstung beherrscht wird. In der Decke klafft ein rundes Loch - dort hing wohl mal ein großer Kronleuchter.

Was man aus einem Theater alles machen kann: Nach der Schließung 1912 wurde mehrfach versucht, das Haus zu einem Kino umzubauen. Alle Initiativen scheiterten an baupolizeilichen Bestimmungen. Und nachdem die öffentliche Funktion für das Hinterhaus verschwunden war, geriet es in Vergessenheit.

Später dienten die Räume noch einer Möbeltischlerei als Werkstatt und Lager. Und noch später wurden - besonders kurios - Bananen gelagert. Die Reifekammern gibt es noch; sie befinden sich unter der Empore. Und in einem der kleinen Räume hängen sogar noch Seile von der Decke - ein fast schon surrealer Anblick.

Auch nach der Wende gab es Versuche, wieder Leben einziehen zu lassen in das Haus. Keiner war von Erfolg gekrönt. So verschwindet demnächst wohl ziemlich unbemerkt ein Kapitel hallescher Theatergeschichte. Nachlesen können wird man es nur noch in den Archiven.